[ 9 ] - Lodern

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V A L E R I A

»Was willst du wissen?«, fragt er sanft, als wir beide uns nebeneinander auf das Bett im Gästezimmer setzen. Durch diese unangenehme Situation traue ich mich nicht aufzusehen und blicke stattdessen nur auf den Boden vor mir.

»W-wie lautet dein Name?«, wage ich ihn leise nach einigen Sekunden zu fragen. Was ist nur los mit mir? Warum bin ich so nervös? »Araz.«, antwortet er ruhig. Endlich blicke ich das erste mal zu ihm auf, und stelle fest, dass er bereits das gleiche tut. Sein Blick ist unlesbar und ich habe keine Ahnung, woran er gerade denken könnte.

»Araz.«, wiederhole ich seinen Namen leise, was ihn leicht zum lächeln bringt. Und dieses mal ist es aufrichtig und wirkt irgendwie ... echt. Davor hat er mich immer nur mit einem bösen Grinsen belächelt, doch nun wirkt er so friedlich und komplett anders. So als wäre er die Definition von Sanftigkeit.

»Ist das wirklich alles was du wissen wolltest?«, fragt er und lacht leise. »N-nein ... ich wollte noch etwas fragen.« Er sieht mich erwartungsvoll an. »Ist dir Aviel bekannt?«, frage ich ihn mit Hoffnung, dass er es bestätigen würde, doch stattdessen versteinert er und sieht mich fassungslos an.

»Valeria-«, fängt er an, doch ich unterbreche ihn.
»I-ist schon okay! Tut mir leid dass ich dich so ausgefragt habe...«, entschuldige ich mich sofort und erhebe mich vom Bett. »Ich sollte gehen.«
»Nein, warte, Valeria.«, steht er nun auch auf und versucht mir hinterher zu gehen, doch ich bin schon aus der Tür verschwunden.

-

Die nächsten Tage verlaufen relativ ruhig. Zwar ist es etwas unangenehm zwischen Araz und mir, da wir seit dem Abend an dem er bei uns eingezogen ist, nicht mehr miteinander gesprochen haben. Ich spüre zwar seine brennenden Blicke und seine angsteinflößende Aura noch immer, doch ich versuche es zu ignorieren. Allerdings bin ich froh, dass Fabio von dem ganzen nichts mitbekommen hat, und bin ihm dankbar dafür, dass er jedoch die Spannung zwischen mir und Araz spürt, und mich von ihm fernhalten will, wie jetzt gerade, denn Fabio hat vorgeschlagen, mit Araz nach draußen zu gehen.

Somit sitze ich alleine auf der Couch im Wohnzimmer und sehe Fern, als es plötzlich an der Tür klingelt. Ich stehe auf und gehe langsam auf die Haustür zu, doch bevor ich sie öffne zögere ich. Soll ich nicht lieber auf Fabio warten? Aber ... ich lebe hier ganauso wie er, also wäre es doch kein Problem, wenn ich die Tür aufmache, auch wenn er nicht da ist.

Ich drücke die Türklinke runter und öffne langsam die Tür und die Person, die sich hinter der Tür verbirgt, habe ich nun überhaupt nicht erwartet.

Aviel steht direkt vor mir und lächelt mich sanft an, während seine blonden Strähnen im Wind wehen. Ich sehe ihn verdutzt an. Was macht er hier? Woher weiß er, wo ich wohne? »Aviel...«, sage ich sprachlos. »Hey, Valeria.«, lächelt er.

»Was machst du hier? Obwohl — Warte. Komm erst mal rein.«, ich gehe zur Seite, um ihm Platz zu machen, damit er eintreten kann. »Danke.«, sagt er und tritt in das Haus ein ein. Wir stehen für einige Sekunden reglos im Flur und sagen einfach gar nichts.

»Sollen wir ins Wohnzimmer? Da können wir in Ruhe reden.«, schlage ich vor, um zumindest die unangenehme Stille zu unterbrechen. »Ja, warum nicht.«, antwortet er und folgt mir ins Wohnzimmer.

Wir setzen uns nebeneinander auf die Couch, aös er plötzlich anfängt zu reden: »Du willst sicher wissen, warum ich hier bin ... « Ich sehe ihn erwartungsvoll an.

»Die Wahrheit ist, dass ich nur wieder nach die sehen wollte.«, gibt er zu. »Ich weiß, wir haben uns vor einigen Tagen erst gesehen, doch als dein Ehemann will ich nur mal sicher gehen, woe es dir geht und ob du gut Zuhause angekommen bist.«

»Das ist ... sehr nett.«, sage ich, noch immer unsicher, wie ich mich in seiner Näher verhalten soll. »Und nur damit du weißt, das was ich im Krankenhaus zu dir gesagt habe, habe ich zu 100% ernst gemeint.«, sieht er mir nun direkt in die Augen.

Ich liebe dich. Und du bist verwirrt, also erwarte ich keine sofortige Antwort von dir. Ich wollte nur, dass du das weißt. Ich hätte dich nicht geheiratet, wenn ich mir nicht zu 100% sicher war, ob es ernst zwischen uns ist. Du bist die Einzige für mich, sind seine exakten Worte gewesen, und wieder taucht dieses unwohle Gefühl in mir auf, weil ich genau weiß, dass ich noch nicht so weit bin, dass ich sagen kann, dass ich ihn liebe. Er ist mir in dem letzten Wochen zwar sehr ans Herz gewachsen und ich bin ihm wirklich dankbar für alles, was er für mich getan hat, doch liebe ich ihn?

»Danke, Avi.«, sage ich, doch kaum habe ich es ausgesprochen, realisiere ich, was mir da gerade rausgerutscht ist. Er hat seine Überraschung ebenfalls nicht versteckt und sagt: »I-ist schon okay, Valeria. Avi geht auch für mich klar.«, lächelt er sanft. Ich lächel ihn dankbar zurück an.
Gott, wieso passiert mir immer wieder sowas? Erst bei Fabio und jetzt noch bei Aviel.

»Hast du vielleicht Durst?«, ändere ich schnell das Thema. »N-nein, danke.«, sagt er verdutzt.
Wieder sitzen wir in der Stille einfach nur da. Das sollten wir uns echt abgewöhnen. »Valeria.«, fängt er plötzlich leise an. »Ja?«, drehe ich mich wieder langsam zu ihm um. Er sieht mich wieder an, als er sagt: »Ich bin froh, dass es dir schon etwas besser geht, als vor ein paar Wochen.«, sagt er auf einmal aus dem nichts.

Ich lächel sanft. »Avi — «, will ich gerade angangen, doch werde urplötzlich mit einer unerwarteten Frage von ihm unterbrochen. »Darf ich dich küssen?«

Was? Hat er das gerade ernsthaft gefragt? Soll ich ja sagen? Das wird mir langsam echt alles zu viel. »E-eh...ich...«, stottere ich und als er das bemerkt blickt er enttäuscht auf den Boden. »N-na gut. Du darfst mich küssen.«, ist das, was leise aus meinem Mund rauskommt. Ich habe keine Ahnung warum ich überhaupt zustimme, doch meinem Bauchgegühl nach zu urteilen, fühlt es sich irgendwie richtig an. Er ist ja immerhin mein Ehemann, also warum sollte er mich nicht küssen dürfen?

Er sieht überrascht zu mir auf, bevor er mir langsam näher kommt. Ich verspüre einen kleinen Hauch voll Panik, als sein Mund nur einige Millimeter von meinem entfernt ist. Er streichelt mit seiner einen Hand meine Wange, als er sagt: »Keine Sorge, Valeria. Bei mir bist du sicher.«

Nachdem er dies ausgesprochen hat, lehnt er sich weiter nach vorne und küsst mich. Schnell finde ich seinen Rythmus im Kuss, und es fühlt sich so gut an. So richtig. Noch immer mit seiner Hand an meiner Wange spüre ich plötzlich einen süßen Geschmack auf meiner Zunge, als ich seine an meine schleifen spüre. Es ist noch besser, als ich befürchtet hatte, doch das Geräusch von einer Tür, welche gerade geöffnet wird, unterbrach diesen schönen Moment.

Ich weiche schnell von dem Kuss ab, und blicke zur Wohnzimmertür hinüber. Mein Bruder, welcher in diesem Augenblick nicht gerade glücklich erscheint, und Araz, dessen Gesichtsausdruck ich in diesem Moment nicht richtig lesen kann, stehen am Türramen und blicken direkt auf mich und Avi.

»Fabio — »fange ich an, doch etwas anderes zieht mich aus dem Bann. Es ist Araz. Ich kann plötzlich doch etwas an seinem Gesichtsausdruck sehen - oder wohl eher in seinen Augen. Sie sind schwarz wie immer, doch diesmal verkörpern sie noch etwas anderes. Ist es Hass? Zorn? Das einzige, was ich daraus schildern kann ist, dass sie einen Gewissen Funken ausstrahlen. Wie ein vor Glut brennendes Feuer. Sie lodern.

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