Müde. Das war das, was ich als aller erstes am Morgen dachte. Ich war tot müde. Das kommt davon, wenn man bis in die Nacht hinein noch für die Prüfung lernt. Ich bin erst ziemlich spät schlafen gegangen, was meinen strikten Schlafrhythmus eigentlich durcheinander brachte, aber ich sagte mir selber, dass es nötig war. Denn auch wenn ich eine Schlägerin bin, ich bin eine Schlägerin mit guten Noten. Und dass ich auch noch jedes Mal so früh aufwachte, um nochmal ein oder zwei Stunden zu trainieren, machte es auch nicht besser.
Also kratzte ich mich selber vom Sofa und warf mich in Schale. Ich schlief nie in meinem eigenen Bett. Es war viel zu groß und leer und machte mir immer wieder klar, wie alleine ich bin. Im Allgemeinen verbrachte ich kaum Zeit in meinem Zimmer. Lernen tat ich immer am Esstisch.
Wenig später schloss ich die Tür zu meinem Apartment und begab mich nach draußen. Die Tür gab ein Piepen von sich, als sie sich automatisch verschloss.
Die morgendlichen Runden gaben mir ein Gefühl von Kontrolle. Es ließ mich denken, dass ich mich selber und mein Leben völlig unter Kontrolle habe(obwohl mir immer wieder klar wird, dass das nicht der Fall ist). Als ich wieder zuhause war, hatte ich noch genug Zeit für mein tägliches Workout, dann machte ich mich bereit für die Schule. Ich schnappte mir, als ich gehen wollte, meine Jeansjacke vom Jackenständer und wollte meine Wohnung verlassen, hielt an der Tür jedoch kurz inne, lehnte mich an diese und atmete müde aus. Auf ins Gefecht.
Der Tag spielte sich wie jeder andere ab. In der Schule saß ich wie immer alleine an meinem Platz, spielte im Sportunterricht alleine Basketball, kam nach Hause, aß, lernte und wenn ich noch genug Kraft hatte, kümmerte ich mich um den Haushalt. Es gab niemand anderen, der es für mich tat, da ich alleine wohnte. Dann ging ich auch schon schlafen. Am nächsten Tag wiederholte sich die ganze Prozedur. Nur diesmal gab es eine kleine Abweichung. Denn als ich mich nach der Schule mit meinen Nudeln an meinen Esstisch setzte, fing mein Handy an zu vibrieren.
Ich nahm es in die Hand, um zu schauen, wer anrief, schmiss es dann aber wieder achtlos hin, als ich den Namen auf dem Bildschirm sah. Zwei Minuten später klingelte es erneut. Ich seufzte genervt und nahm mein Handy erneut in die Hand. Einen Moment starrte ich ausdruckslos auf den Bildschirm, ehe ich den Anruf widerwillig annahm. Die Stimme meines Vaters drang von der anderen Leitung zu mir durch.
„Hallo, Ji-ryeong. Alles Gute zum Geburtstag. Wie geht es dir? Hattest du einen schönen Tag?", ertönte seine ernste aber dennoch sanfte Stimme. Er hatte immer diesen Ton. Ich antwortete nicht, sondern starrte einfach nach vorne. „Ji-ryeong? Bist du dran? Hast du heute was schönes unternommen? Mit deinen Freunden? Hm?" Ich spürte die Tränen hochsteigen. Ich hatte noch nie Freunde. Aber woher sollte er das denn wissen, wenn er ständig in der Welt unterwegs war und sich in die Arbeit stürzte. Ich lebe praktisch seit ich dreizehn bin alleine.
Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber es kam kein Wort raus. „Ji-ryeong? Hörst du mich?" „In der Schule haben alle Angst vor mir, niemand redet mit mir. Sie haben Angst, dass ich ihnen wehtue." Zuerst war es leise. „Wie bitte?" Mein Vater klang verwirrt. „Ji-ryeong-" „Die Lehrer überlegen, mich an eine andere Schule zu übermitteln. Sie wollen mich einfach von der Schule werfen, Papa." Eine dicke Träne rollte mir über die Wange. Die ganze Situation stieg mir langsam zu Kopf. Es frustrierte mich. „Was sagst du da?" Seine Stimme klang ruhig, aber man hörte den wütenden Unterton. „Brauchen sie dafür nicht meine Einverständnis? Wieso hast du mir nichts erzählt?" „Das habe ich doch", entgegnete ich. „Ich habe dir unzählige Nachrichten geschickt und dich angerufen aber du hast auf nichts reagiert. Die Lehrer haben auch versucht, dich zu erreichen." Es war wieder still. Mir rollten weitere Tränen über die Wange. „Es tut mir leid, Ji-ryeong. Die Arbeit war-" „Spar dir das", unterbrach ich ihn. „Ich hab deine Ausreden langsam satt. Lass es einfach." Il-sung seufzte müde am Telefon. Tut mir leid, dass es anstrengend ist, ein miserabler Vater zu sein. „Ji-ryeong. Ich komme bald nach Hause. Ich bin fast fertig hier. Dann werden wir auch deinen Geburtstag nachfeiern, okay?" „Nein, bleib wo du bist. Komm nicht nach Hause." Meine Stimme hörte sich vom ganzen weinen rau und kratzig an. „Für mich bist du schon lange gestorben." Mit diesen Worten legte ich auf und schmiss mein Handy achtlos auf den Tisch. Hunger hatte ich keinen mehr, also stand ich auf, räumte alles weg und machte mich fertig fürs Bett. Schlaf fand ich in dieser Nacht allerdings auch nicht.
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Your Fight, my Fight [Ahn Soo-ho](whc1)
FanficDie siebzehnjährige Ji-ryeong gerät ständig in Probleme - und hasst Mobber über alles. Wenn sie nicht in eine Prügelei verwickelt ist, versucht sie mit allen Mitteln, dem Mobbing an ihrer Schule ein Ende zu bereiten. Hätte sie jedoch gewusst, dass s...