Kapitel 1

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Das letzte sichere Plätzchen

Da saß ich also wieder einmal und ließ meinen Blick müde durch die Bar schweifen. Der Boden war aus dunklem Holz, die Wände geschmückt mit Stein und weinroten Tapeten. Es war wie immer recht leer, da nur wenige diese Bar kannten, doch kannte man sie einmal, ging man nur noch hier hin. Sie war wunderschön „Ah mein Lieblings-Stammgast! Das Übliche?", fragte mich der scheinbar immer gut gelaunte Barkeeper, während er sich durch die braunen kurzen Haare strich. Ich nickte bloß und wartete auf mein mit Whiskey gefülltes Glas. Schwungvoll stellte der Barkeeper es vor meine Nase und begann wie so oft zureden: „Ach, wenn du wüsstest, was gestern passiert ist, nachdem du davon getorkelt bist!", trällerte der Mann fröhlich vor sich her, während er die Gläser polierte. Er polierte immer. Einmal sagte er mir es sei, um die Gäste nicht zu verunsichern. Dennoch wurde mir bei dem Gedanken an den gestrigen Tag übel und ich trank das Glas mit einem Zuge leer. „Noch einen, bitte," grummelte ich nur. Ich musste übel aussehen, denn er ließ sich mehr Zeit als sonst. Quälend langsam ging er zu dem Regal hinter sich und noch langsamer griff er nach meinem Lebenselixier. Dann begann er nach einem Glas zu suchen, doch ich reichte ihm das Leere. Zögernd nahm er es und goss mir etwas ein: „Vielleicht solltest du mit jemanden über deine Probleme reden, statt hier zu sitzen und lieblos zu trinken. Wenn du möchtest kannst du auch mir davon erzählen, ich bin ein guter Zuhörer. Oder du versuchst zumindest nicht mehr jeden Tag zu trinken. Ich meine, ich freue mich immer über die Gesellschaft schöner junger Damen, aber du ziehst ein Gesicht, als sei jemand gestorben!", damit begann er zu lachen, doch seine Züge wichen als ich ihn kalt ansah. Ihm wurde klar, dass er damit ins Schwarze getroffen hatte. Er schluckte und versuchte einen schnellen Themenwechsel: „Jedenfalls nachdem du gestern verschwunden bist, fragte ein junger hübscher Kerl nach dir und ich sagte ihm, dass du eigentlich jeden Tag gegen 16 Uhr auf diesem Platz an der Bar sitzt! Wer weiß vielleicht kann der junge Kerl dich auf andere Gedanken bringen?" Ein heiseres ironisches Lachen entwich meiner Kehle und ich starrte auf die Flüssigkeit in dem Glas, das mir der Barkeeper eben gereicht hatte. Mit hängenden Schultern und gesenktem Kopf saß ich auf diesem Hocker und er wollte mich mit irgendeinem Fremden für eine Nacht verkuppeln, damit ich auch andere Gedanken kam. Ich hätte lauthals lachen können, aber dafür reichte meine Kraft nicht mehr aus. 

Er wollte wirklich, dass ich wieder ins Leben zurückkehrte, so nannte er das zumindest. Meine Gedanken schienen still zu liegen, obwohl sie eben noch bei dem Vorfall waren, wegen dem ich hier saß. Verdammt es passierte schon wieder! Grimmig sah ich auf meinen Whiskey. Ich wollte nicht daran denken, ich wollte vergessen! Dann sah ich den Barkeeper an und fragte nur: „Hast du auch etwas stärkeres, Ethan?" Seine Augen verdunkelten sich und er drehte sich um und suchte nach etwas. Ich sprach ihn selten bei Namen an, und wenn, dann nur weil ich es wirklich brauchte. Als er es fand, goss er es in ein Glas und nahm das Glas Whiskey beiseite, um mir das andere hinzustellen. Fragend sah ich ihn an. „Das ist meine Spezialmischung, für die ganz schlimmen Fälle," grinste er und zwinkerte mir zu. Mir gingen seine Stimmungsschwankung auf die Nerven, aber ich rang mir ein leichtes Lächeln ab, weil ich wusste, dass er sich große Mühe gab. Es entlockte ihm ein Lächeln und er polierte weiter seine Gläser. Die Flüssigkeit sah nicht gerade gut aus, ihre Farbe schien ein Gemisch aus allen Farben zu sein. Dann roch ich leicht an der Flüssigkeit. Süßlich und beißend zugleich. Ich wurde neugierig, was hatte er wohl zusammen gemischt? Schulterzuckend nippte ich daran und schmeckte zuerst die Süße des Getränks. Doch als die Flüssigkeit meine Kehle hinunterfloss, verstand ich sein Zwinkern. Das plötzliche Brennen ließ mich husten und für einen Moment dachte ich, die Flüssigkeit wäre in Wahrheit Säure. Dann umfasste mich eine wohlige Wärme, stärker als ich es gewohnt war. Anerkennend nickte ich. „Wenn es zu stark ist, kann ich dir auch gerne etwas anderes anbieten," lächelte der braunhaarige Mann. Noch bevor seine Hand das Glas erreichte, nahm ich es und kippte es mit einem Zuge hinunter. Tränen kamen mir in die Augen, doch ich ließ sie diese nicht verlassen. Als ich aufsah, trafen meine Augen auf die des Barkeepers. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er mich an, der Mund stand offen. 

Ich war verwundert über seine Reaktion, doch zog den Whiskey näher zu mir. Als ich wieder zu ihm sah, raufte er sich mit der Hand durch die Haare. „Was ist los?", grummelte ich und nippte an meinem Getränk. „Weißt du eigentlich, was du dir da reingepfiffen hast?", seine Stimme war leise, doch ich verstand ihn noch gut genug. „Nein, weiß ich nicht," lautete meine Antwort, doch ich merkte bereits jetzt, dass meine Worte bereits undeutlich wurden. „Du willst es nicht wissen?", fragend sah er mir in die Augen, doch ich schüttelte bloß den Kopf. Ein anderer Gast rief nach Ethan und als er mich fragend ansah, nickte ich nur. Bereits jetzt verschwamm meine Sicht leicht und dennoch nippte ich erneut am Whiskey. Plötzlich stand Ethan wieder vor mir. Seine Hand wedelte vor meinem Gesicht hin und her, sodass mir fast schlecht wurde. „L-ass d-d-as!", verfluchte ich ihn, doch ich bemerkte, dass man mich kaum noch verstehen konnte und das, obwohl ich erst seit einer Stunde hier war. So schnell war ich sonst nie betrunken, die Mischung von Ethan hatte es echt in sich gehabt. Er sprach mit mir, doch ich verstand nicht, was er sagte. Verwirrt sah ich ihn an, doch es half nichts. Seine Worte glichen einer anderen Sprache, einer die mir nicht geläufig war. Also griff ich nach meinem Whiskey, doch ich griff ins Leere. Wo war das Glas hin? Ich wusste es nicht, also suchte ich nach dem Glas. Ich konnte es nicht finden. Verwirrt runzelte ich die Stirn und dachte fieberhaft darüber nach, wo ich es hingestellt haben könnte. Ethan schob mir ein Glas mit irgendeiner durchsichtigen Flüssigkeit hin und ich trank es dankbar. Doch als ich bemerkte, dass es Wasser war, spukte ich das Zeug aus. Was sollte das nur? Wütend stand ich auf und fiel direkt fast um. Schwindel überrannte mich und ich vergaß den Barkeeper fast. 

Er sprang über die Theke und wollte mich stützen, doch stur wie ich war, stieß ich ihn von mir. Er sollte weg von mir, also schlug ich nach ihm. Beinahe blind schlug ich um mich, als wäre er ein lästiges Insekt. „G-eh, w-w-w eg! A-astand!", schrie ich ihn an, ohne zu wissen, was ich überhaupt von mir gab. Ich war so sauer, also ging oder schwankte ich aus der Bar. Der konnte mich mal! Hatte er mir mein Glas weggenommen? Ich wusste es nicht, doch eigentlich konnte er es nur gewesen sein. Ein weiterer Grund sauer auf ihn zu sein. Schwankend ging ich also weiter. Ich wollte nach Hause, zumindest glaubte ich das. Dann stolperte ich. Irgendwer musste mir ein Bein gestellt haben! Wütend versuchte ich mich hochzudrücken, doch es half nichts. Ich blieb liegen. Langsam wurde es kälter und ich begann zu frieren. Suchend drehte ich meinen Kopf, doch ich wusste nicht mehr, wo ich war. Wütend grummelte ich vor mich hin. Plötzlich hob mich jemand auf die Füße. Angst durchflutete mich, ich wusste nicht wieso, aber ich rannte panisch davon. Irgendwas sagte mir, dass diese Person niemand gutes war. 

Meine Füße trugen mich nur mit Mühe und es fühlte sich an, als würden meine Beine mich im Stich lassen. Hinzukam, dass ich das Gefühl hatte zu ersticken. Meine Luftröhre schien wie zugeschnürt zu sein. War die Person noch hinter mir? Ich hatte zu große Angst, dass die Person direkt hinter mir sein könnte, weshalb ich einfach weiterlief. Weiter und weiter. Ich wusste nicht einmal wohin ich lief. Ich lief einfach, Hauptsache ich entkam diesem Monster. Dann sah ich Licht. Nein drei Lichter, oder zwei. Genau konnte ich es nicht erkennen. Jedenfalls war mir sehr schnell klar, dass ich nicht mehr lange durchhalten konnte. Also wagte ich einen Blick nach hinten. Niemand war da, oder? Dann sah ich einen Schatten, von Angst erfüllt, rannte ich los. Dann sah ich, wohin ich rannte. Direkt auf die zwei Lichter zu! Ein Hupen löste mich aus meiner Starre und ich wollte wirklich die Straße verlassen, doch ich fiel hin. Schnell rappelte ich mich auf, dann hörte ich wie jemand die Bremse durchdrückte. Das Adrenalin floss durch meine Adern und ich schaffte es mich aufzurappeln. Dann hörte ich nur noch einen Aufprall. Schmerz zog sich durch meinen Brustkorb und meine Beine. Mein Gesicht verzog sich schmerzverzehrt. Dann sah ich was gerade geschah: Ich flog durch die Luft, weil die Lichter mich erwischt hatten. Ich hatte Angst vor dem Aufprall, doch bevor irgendwas geschah, vernahm ich ein unangenehmes Zwicken, bevor alles schwarz wurde.

D.R.E.A.MWo Geschichten leben. Entdecke jetzt