Im Kerker (44)

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Ilmi zog an ihrer Zigarette und begann: ,,Zuerst einmal ist dir wohl klar, dass ich nicht ursprünglich von hier bin, oder?"

Katalia zuckte mit den Schultern. Es stimmte, Ilmi hatte ein fremdartiges Gesicht und so blasse Haut wie man sie, so weit Katalia wusste, nur in sehr kalten Gegenden fand. Wo Ilmi herkam oder nicht herkam erschien Katalia allerdings irrelevant. Ehrlich gesagt war es ihr herzlich egal. ,,Wolltest du mir nicht von Eiwie erzählen?"

,,Gedulde dich! Du wirst noch froh sein, dass ich dir die Zeit hier unten vertreiben konnte." Ilmi schnipste genervt die Reste ihrer Zigarette in eines der Rinnsäle wo sie zugleich mit einem Zischen erloschen. ,,Meine Familie gehörte den mebetischen Reitern an, das ist ein Nomadenvolk, das in Iganien, einem fernen Land weit im Osten, die Gebirge besiedelt. Leider haben die Götter es sich von jeher zur Aufgabe gemacht meine Eltern zu testen und so hat Armut und Hunger sie aus ihrer Heimat vertrieben noch bevor ich zehn geworden bin. Wir gingen nach Dun."

,,Warum ausgerechnet nach Dun?" fragte Katalia. Sicher, sie liebte ihre Stadt, aber ihr war nicht klar warum jemand ihrentwegen so einen weiten Weg auf sich nehmen würde.

,,Du bist hier aufgewachsen, nicht wahr?" Ilmi zog einen Mundwinkel hoch. ,,Dir mag es deswegen nicht klar sein, aber man erzählt sich im Ausland die wunderschönsten Märchen über das Reich der Dunja. Insbesondere Dun, die Hauptstadt, das Juwel, ist eine Stadt um die sich Legenden ranken. Es heißt, die Gassen seien mit Silber und Edelsteinen gepflastert, die Frauen würden so viel Goldschmuck in den Haaren tragen, dass er ihnen ihre Köpfe nach unten zieht, alles würde nach Rosenblüten duften und jeder könnte es in Dun zu großem Reichtum bringen. Das jedenfalls wurde uns erzählt."

Katalia hätte fast aufgelacht. Einzig der Part mit dem Goldschmuck war nicht völlig erfunden, sie hatte Eiwie und Lela oft genug über Kopfschmerzen wegen dem Gewicht ihrer Haarklammern klagen hören. Es war das einzige Thema gewesen in dem sie sich einig waren.

,,Es muss ein großer Schock gewesen sein als ihr dann hier ankamt."

,,In der Tat, die Traumbilder meiner Eltern wurden brutal zerstört." Ilmi rutschte auf dem Steinboden herum, in dem Versuch, eine bequeme Sitzposition zu finden. ,,Doch wir ließen uns nicht entmutigen und nach einigen Jahren harter, niederer Arbeit sah es so aus als würden sich die Dinge zum Besseren wenden. Wir hatten mehr oder weniger die Sprache erlernt und endlich genug Geld gespart, dass mein Vater einen kleinen Laden mit Werkstatt mieten konnte. Ach ja, Ich habe noch gar nicht erwähnt: Mein Vater war ein Schuster. Er verstand sich darauf die traditionellen Schuhe unseres Volkes herzustellen, schwere lederne Stiefel zum reiten und um dem schwierigen Untergrund in den Bergen zu trotzen. Er mochte was er tat und war gut darin, deshalb brach es sein Herz als niemand in Dun seine Schuhe kaufen wollte. Sie waren zu schwer, zu fest, zu warm - völlig ungeeignet für das heiße Wetter und die geflasterten Straßen, die Leute hier tragen Sandalen. Irgendwann sah er das ein und begann auf Sandalen umzusteigen, doch bis dahin waren wir bereits über beide Ohren verschuldet."

Katalia nickte betroffen. Verschuldet zu sein war kein Spaß, das wusste sie nur allzu gut.

Ilmi lehnte sich vor und stützte ihre knochigen Ellenbogen auf die Knie. ,,Eines Tages hielt ich die Stellung im Schuhgeschäft während mein Vater hinten in der Werkstatt arbeitete und ein Mädchen betrat den Laden. Sie war villeicht vierzehn oder fünfzehn, ein paar Jahre jünger als ich damals, und was sofort auffiel war, dass sie ihre Haare offen trug. Mir kam das kurios vor, weshalb ich sie im Auge behielt.

"Was starrste mich so an, hab ich was im Gesicht?" fragte sie daraufhin spöttisch. "Lass dir doch ein Porträt von mir malen! Das hält ewig, dann kannst du schauen so viel du willst, doch für den Augenblick würde ich mich gerne in Ruhe umgucken."

KataliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt