Der Verteidiger (46)

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Hinter ihr wurde klirrend die Tür aufgeschlossen und sie zuckte zusammen. Der Wächter, der nun in ihrer Zelle stand, war klein und dick mit einem dunklen buschigen Schnurrbart. Er sah sie an wie eine besonders verwahrloste Straßenhündin.

,,Mitkommen!" Befahl er.

,,Warum?" Wollte Katalia wissen.

,,Dein Verteidiger wünscht dich zu sehen."

,,Ich habe einen Verteidiger?"

Ohne zu antworten setzte der Wächter sich in Bewegung und Katalia stolperte hinterher. Zu ihrer Verwunderung führte der Wächter sie zunächst zu einem kleinen sauberen Waschraum, dessen Fliesen Katalia nicht makelloser hätte polieren können wenn sie drei Tage Zeit dafür gehabt hätte.

Das Bad war klein, aber gemütlich. Nah der Wand stand eine gefüllte Wanne, daneben befanden sich ein paar Sandalen und frisch gefaltete Kleidung. Ein Badetuch, ein Schwamm und ein Stück Seife lagen bereit. Es gab sogar Haaröl und einen Kamm. Staunend sah Katalia sich um. ,,Was soll das alles hier?"

Der Wächter knurrte ungehalten. ,,Du kannst deinem Verteidiger dafür danken. Jetzt wasch dich und tu's schnell! Er wartet!"

Er verpasste Katalia einen Stoß, so dass sie fast bäuchlings auf die Fliesen fiel, dann ließ er sie alleine und verriegelte die Tür von außen.

Verwirrt tappte das Mädchen zu der Wanne und tauchte einen Finger in das lauwarme Wasser. Wie merkwürdig. Wollte man, dass sie für ihre Hinrichtung sauber war?

Katalia dachte nicht im Traum daran der Anweisung den Wächters Folge zu leisten und ließ sich beim Baden alle Zeit der Welt. Sie musste kräftig schrubben, um die Drecksschicht abzubekommen, die sich in der schmutzig - feuchten Zelle über ihre Haut gelegt hatte. Davon abgesehen konnte es sehr wahrscheinlich ihr letztes Bad sein.

Als Katalia schließlich aus der Wanne stieg war das Wasser schwarz und sie hatte fast das ganze Stück Seife verwendet.
Sie wickelte sich in das Tuch und massierte eine großzügige Menge Öl in ihre nassen Haare, bevor sie den Kamm zur Hand nahm. Draußen klopfte der Wächter ungeduldig gegen die Tür. ,,Haste dich in der Badewanne ertränkt, du kleine Ratte?"

,,Nein, aber es ist noch nicht zu spät." Erwiderte Katalia trotzig.

,,Nichts da!" Blaffte der Wächter. ,,Wenn du nicht gleich draußen bist, komm ich rein und hol dich!"

Katalia verdrehte die Augen und zog schnell das schlichte weiße Gewand und das Paar Hosen an. Beides war ihr zu lang, aber zu ihrer Überraschung nicht zu weit, das Gewand spannte sich sogar über der Brust.

Katalia hatte sich immer noch nicht an das Gewicht gewöhnt, das sie zugenommen hatte. Alles an ihr war jetzt runder und weicher, jeder Zentimeter vom Gesicht bis zu den Füßen. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Katalia eine weibliche Figur und sie hasste es. Ansonsten war die Gewichtszunahme aber zu empfehlen. Sie fror nicht mehr ständig, konnte besser schlafen, besser arbeiten und hatte keine ununterbrochenen Schmerzen mehr in den Gliedern. Nachdem sie den Großteil ihres Lebens zu dünn gewesen war, genoss sie diese Vorzüge durchaus, obwohl ihr der neue Körper fremd und unheimlich vorkam.

Katalia seufzte tief und wickelte die obere Schicht des Gewandes um sich, so dass die Delle an ihrem Oberkörper verdeckt wurde.

Keine zehn Minuten später saß sie auf einem hohen Holzstuhl einem dunkelhaarigem Mann gegenüber. Ihre Füße steckten in den neuen Sandalen, was ungewohnt war, da sie fast nie Schuhe trug. Ihre Hände waren nicht gefesselt, was ihr merkwürdig vorkam, andererseits standen zwei bewaffnete Wachen an der Tür und es war offensichtlich, dass sie keine Chance haben würde, den Mann, dem sie offenbar das Bad verdankte, zu überwältigen.

KataliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt