In der Abenddämmerung (Naruto)

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Mit einem Seufzen sah sich Naruto um. Als er vor bestimmt einer halben Stunde eingetroffen war, hatte Sakura ihn gescholten, weil er zu spät war. „Hab' dir doch gesagt, es spielt keine Rolle. Kakashi-sensei ist ja eh noch viel später", schmollte der blonde Ninja und erntete sofort einen bitterbösen Blick seitens der Rosahaarigen, der ihn verstummen ließ. Der weißhaarige Jonin war schon damals immer zu spät gekommen. Nicht ein paar Minuten oder so, nein, so richtig zu spät, wie in 'Stunden später'. Zwar war das nicht der Grund für seine eigene Verspätung, die sich vielmehr darin erklärte, dass er verschlafen hatte bei seinem nachmittäglichen Nickerchen mit dem er versucht hatte, die wenig erholsame Nacht auf dem Fensterbrett zu kompensieren, doch das musste Sakura ja nicht wissen.

Als der Lehrer auch eine weitere Stunde später noch nicht erschienen war, schien auf Sakuras Geduld erschöpft. Mit jeder Minute, die verstrich, wurde ihre Miene finsterer und Naruto entschied, dass es klüger wäre, sie nicht darauf anzusprechen, wenn er nicht riskieren wollte, dass sie ihm die Faust mitten ins Gesicht rammte und auf diese Erfahrung konnte er getrost verzichten. Recht hatte sie allerdings. Es wurde schon langsam wieder dunkel. Bestimmt schlief der Kerl irgendwo, überlegte Naruto. Immerhin war der Weißhaarige auch nachts aufgewesen, er hatte es ja selbst gesehen. Oder aber, das würde Sakura sicher vermuten, er hockte auf irgendeinem Dach und las sein Buch. Keine besonders gute Entschuldigung.

„Ich könnte schwören, er liest irgendwo dieses beknackte Icha Icha Buch!", fauchte Sakura los, die angespannte Stille durchbrechend, die ihren Ursprung in ihrer brütenden Miene fand. Als hätte sie seine Gedanken gelesen. Naruto lief es kalt den Rücken runter und er grinste unbeholfen. „Ja, vermutlich."

„Nicht ganz." Wie erwartet hatten weder Sakura noch Naruto noch damit gerechnet, dass er auftauchen würde und so schrak Letzterer gerade heftig zusammen, als er ihm gegen das Ohr pustete. Er war schon eine ganze Weile in der Nähe gewesen und hatte die beiden jungen Shinobi beobachtet. Auch Geduld gehörte zu den Dingen, die ein Ninja unbedingt beherrschen musste. Die 2 Stunden, die die beiden nun hatten warten müssen, waren da kaum der Rede wert. Außerdem war es so geplant gewesen. Ganz bewusst hatte der Jonin den Zeitpunkt des Sonnenuntergangs gewählt. Im Zwielicht gestalteten sich Kämpfe sehr viel schwieriger als bei Tage und es war nötig diese Situation für den Ernstfall erprobt zu haben. Zu schnell konnte das am Horizont schwindende Sonnenlicht blenden oder aber, das war ein viel größeres Risiko, mit abnehmendem Schein die Flucht des Gegners in der Dunkelheit ermöglichen.

Für einige Shinobi war dies freilich weniger problematisch. Jene mit einem optischen Kekkei Genkai wie dem Sharingan oder dem Byakugan, doch für die meisten traf dies eben nicht zu. So auch auf Sakura und Naruto, die ihn beide missgelaunt anstarrten, offenbar noch immer wütend ob seiner Verspätung, die eigentlich gar keine war.

„Wir werden heute die Verfolgung eines Gegners bei abnehmendem Licht trainieren. Ihr Zwei habt die Aufgabe, mich zu fangen. Auch, wenn es beginnt zu regnen, endet die Übung nicht." Ernst sah er zu den beiden jungen Shinobi, die seinen Blick mit ernst erwiderten. Die Verärgerung in ihren Augen war sofort gewichen, als sie die Ernsthaftigkeit, mit der er sprach, hörten.„Sollte es euch nicht bis Mitternacht gelingen, wiederholen wir die Übung morgen. Solltet ihr es allerdings schaffen, habt ihr morgen frei." Ein sehr verlockendes Angebot, wie er wusste. Zumindest Naruto hätte er damit zweifellos geködert, doch auch Sakura hatte angebissen, wenn er sich nicht irrte.

Gemächlich schritt er voran. Das Waldgebiet, das sonst so gerne für die Chunin-Prüfung benutzt wurde, war genau richtig und bot den beiden immerhin die Sicherheit, dass er dieses nicht verließe – anders als es ein echter Gegner in einer echten Auseinandersetzung täte. Der hielte sich nicht an einen bestimmten Radius, doch für die erste Übung musste es genügen.

Wortlos blieb er vor den ersten Bäumen stehen. Erst als Sakura das Wort ergriff und fragte, ob sie sonst noch etwas wissen müssten, sprach auch Kakashi weiter. „Ihr dürft alle euch bekannten Jutsus benutzen. Ich werde mich lediglich defensiv halten. Bedenkt aber, dass ein echter Gegner solche Restriktionen nicht kennen wird", mahnte er seine Schüler. Es war wichtig, dass sie diese Lektion verinnerlichten. Ein echter Kampf wäre viel härter als diese Übung und das durften sie nie vergessen.

„Verstanden, Sensei, wann legen wir endlich los?!" Wie immer war Naruto Feuer und Flamme. Was hatte er auch anderes erwartet. Doch vielleicht war es ganz gut, dass der blonde Ninja so aufgeregt und neugierig an jede neue Übung und Trainingseinheit heranging. Diese schier endlose Motivation war ganz eindeutig Narutos größte Stärke. Er ließ sich niemals entmutigen und gab niemals auf. Und nur so könnte er einer der ganz großen Ninja werden, denn bis dahin war es ein langer, beschwerlicher Weg und eine ganze Menge Arbeit.

Auch Andere hatten das Zeug dazu, zum Beispiel Shikamaru, doch dem fehlte für die Spitze, für das Hokage-Werden, wie es Naruto so dringend anstrebte, einfach die Motivation, der Wille. Naruto hingegen brachte diesen mit und entgegen aller anfänglichen Erwartungen, bedachte man, dass der junge Naruto damals nur Unfug angestellt und eher frei von jedem Talent gewirkt hatte, machte er sich hervorragend, lernte dazu und war sehr stark geworden. Als Lehrer erfüllte es Kakashi mit Stolz zu sehen, was der Blonde erreicht hatte, auch wenn Vieles davon sicher Jiraya zuzuschreiben war.

„Gut, dann fangen wir mal an." Der Weißhaarige nickte den beiden jungen Shinobi zu, die im Grunde schon gar nicht mehr seine Schüler waren, wie er sich jetzt eingestehen musste, wenn er sie so musterte. Sie waren erwachsen geworden und in einigen Punkten waren sie ihm ebenbürtig wenn nicht sogar überlegen. Über den Zustand von Schülern waren sie im Grunde längst hinaus, auch wenn es schien, als wenn ihnen das ebensowenig klar war, wie ihm, der sie noch immer als solche behandelte. Selbst jetzt noch war er es, der den Ton angab und sie anwies, sie unterwies und ihnen Aufgaben stellte. So richtig es ihm erschien, weil es eben früher auch so gewesen war, so falsch war es doch zugleich auch. Lehrer und Schüler.Nein, eigentlich waren sie jetzt ein gleichwertiges Team, nicht mehr Lehrer und Schüler. Sie waren ebenbürtig, gleichberechtigt und nicht mehr einander unterstellt. Ein wenig nostalgisch ließ es ihn dennoch fühlen zu sehen, dass nicht nur er in die alte Rolle verfiel, sondern auch Sakura und Naruto, die nun gespannt nickten. „Ja, machen wir's!", ereiferte sich Naruto. Sakura nickte lediglich und zog ihre Handschuhe fest um die Hände. „Gut, gebt mir nur 50 Meter Vorsprung."

Mehr brauchte er nicht, so hoffte er . Es sollte fürs erste Mal eine nicht allzu schwere Übung werden. Und mit nur einem so kleinen Abstand hatten die Zwei gute Chancen ihn zu erwischen, weil es für den Jonin schwer würde, die Sichtlinie lang genug zu unterbrechen, um ein adäquates Versteck aufzusuchen. Abgesehen davon wussten die beiden ja, was sie erwartete, hatten sie ihn doch bereits kämpfen sehen. Sie würden also wissen, wie sie nach ihm suchen mussten und sicher keine Zurückhaltung zeigen. Doch das erwartete der weißhaarige Jonin auch gar nicht. Nein, sie sollten Alles geben und ihn einfangen, auch wenn er nicht damit rechnete, dass ihnen der Teil mit dem 'einfangen' gelänge. Einen feindlichen Ninja einzuholen und zu erwischen war nur die Hälfte des Problems, ihn festzuhalten, möglichst gesund und unverletzt, meist noch eine ganz andere.Die allermeisten Ninja kämpften verbissen gegen die Gefangenschaft, weil sie (oft zurecht) eine peinliche Befragung und Folter fürchteten, wenn der Feind versuchte, Informationen aus ihnen heraus zu pressen. Einige gingen soweit sich umzubringen, zu verbrennen, wie man es auch von Anbu erwartete, wenn sie ihren Tod kommen sahen. Auf diese Weise hinterließ ihr Körper keine Hinweise für den Feind. Sie wählten den Tod, um die ihnen anvertrauten Informationen und Geheimnisse geheim zu halten. Doch diese bittere Lektion musste warten. Fürs Erste sollte es genügen, wenn sie ihn aufspürten, stellten und fingen.

Haunting Past (Kakashi x Sasuke / Kakashi x Naruto)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt