Kapitel 15 - Für immer dein Zimmer

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Matteos Liste von Dingen, die ich gerne noch erledigen würde:

Punkt 2: Dad die Karten geben, die er eigentlich von mir zum Geburtstag bekommen hätte. Ich weiß, dass du dich kaum mit Fußball auskennst, aber es würde mir sehr viel bedeuten wenn du es dir mit ihm gemeinsam anschauen würdest.

,,Ich gehe kurz auf Toilette'', teilte ich Dee mit und tapste den Flur entlang zum Bad.

Es war eine schlechte Idee gewesen, die Plätzchen zu essen. Ich hatte ihnen dennoch nicht widerstehen können, da sie so lecker und knusprig ausgesehen hatten. Mein Magen war durch die Verbindung mit Matteo super empfindlich und ließ es nicht zu, dass ich langfristig Nahrung bei mir behalten konnte. Die Kloschüssel aufklappend, übergab ich mich und fühlte mich elender als den Tag zuvor. Dicke Augenringe markierten mich und ich war fast schon angsterregend blass geworden. Mom dachte, sie würde mich auf die Beine bekommen, aber da hatte sie sich getäuscht. Ihre Tochter machte gerade etwas durch, was sie nicht verstehen würde. Keines ihrer Heilmittel konnte gegen die Gesetze der Natur ankommen, die ich und mein Freund gebrochen hatten.

Dieser Jamie hatte recht gehabt. Ich misstraute ihm immer noch, doch es musste zumindest was die Folgen waren, wenn wir nach wie vor die Grenze von Leben und Tod verschoben, die Wahrheit gesagt haben.

Mir ging es schlecht und es würde immer schlimmer werden, je mehr Zeit verstrich. Fünf Tage waren viel zu wenig, aber wir hatten keine andere Möglichkeit. Matteo musste so schnell wie möglich gehen und ich musste ihm helfen, weil ich nunmal die einzige Person war, die für ihn sprechen konnte. Die Wünsche meine Freundes standen an erster Stelle und ich würde mich erst um mich kümmern können, wenn das Ganze vorbei war.

,,Bitte halte noch ein kleines bisschen durch, lieber Körper'', bat ich ihn und umarmte mich selbst als Ausdruck dafür, dass ich ihn schätze und ihm dankbar war, dass er durchhielt. Ich verließ mich darauf, dass er mich nicht im Stich ließ und er mich das zu Ende bringen lassen würde, was ich angefangen hatte.

Um mich etwas beruhigen zu können, benetzte ich meine Stirn mit etwas Wasser und lächelte, weil ich mir vor Matteos Eltern nichts anmerken lassen durfte. Der Wunsch mit seiner Mutter ein letztes Mal Plätzchen backen zu können, war erledigt und nun war sein Dad dran. Er hatte sich immer schon mit seiner Mom blendend verstanden, aber wenn man ihm die Frage stellen würde, wer seine absolute Bezugsperson war, dann war es sein Vater. Beide teilten die gleichen Interessen und waren einfach ein Herz und eine Seele. Sie waren das beste Team, das man sich vorstellen konnte und mir tat es umso mehr weh, dass es dieses nicht mehr geben würde.

,,Ich würde gerne kurz in Matteo Zimmer gehen. Irgendwie brauche ich das gerade. Wäre das okay oder würde dich das stören?'', fragte ich Dee vorsichtig, als ich mich wieder im Wohnzimmer befand.

,,Du kannst gerne rein, Schätzchen. Du kannst immer herkommen und dich dort für eine Weile hinsetzen, wenn du möchtest. Es wird bleiben und es gehört ebenso dir. Ich bin hier unten, falls du mich brauchst.''

,,Ich danke dir'', erwiderte ich sehr berührt davon, dass sie es mir anbot.

Es wird immer Matteos Zimmer bleiben und ich bin zu jeder Zeit willkommen. Dee ist einfach zu gut für diese Welt.

Ich betrat die Treppenstufen und hatte eine wahre Gänsehaut. Seit dem Unfall hatte ich das Zimmer nicht mehr betreten und die Vorstellung, dass dort alle seine Sachen waren und er nie wieder dort sein würde, machte mich so traurig, dass mir eine Träne an meiner Wange hinunterlief. Es würde nie mehr sein wie zuvor.

Das Erste, was mich erwartete, waren Bilder von ihm als Kind und auch von ihm und mir. Er besaß eine kleine Fotowand, die von all den Momenten erzählte, die er hatte erleben dürfen. Matteo hatte auf jedem der Bilder ein großes Lächeln im Gesicht und zeigte damit umso mehr, was für ein positiver Mensch er doch gewesen war. Wie jede andere Person auch hatte er selbstverständlich auch schlechte Tage gehabt, in denen nichts geklappt hatte, wie er es sich gewünscht hatte.

Wenn ein Fußballspiel nicht so lief, wie er gehofft hatte und sich seine Manschaft eingestehen musste, dass sie verloren hatte. Doch selbst in Niederlagen hatte Matteo neue Kraft geschöpft, weil er wusste, dass es beim nächsten Mal besser sein würde. Und ich wünschte, ich könnte nur ansatzweise so ein toller Mensch sein wie er. Das war ich bei weitem nicht.

Auf seinem Schreibtisch befand sich noch verschiedener Krimskrams wie Bücher, Stifte, Kabel, Papier und eine Mütze. Dee hatte alles so gelassen, wie sie es vorgefunden hatte und irgendwie war das tröstlich. In diesem Zimmer war die Zeit stehengeblieben, dass dessen gegangen war und nicht mehr wiederkommen würde. Es war nun eine Erinnerung an den Jungen, der Matteo Strong geheißen und mir alles bedeutet hatte.

Ich erschreckte nicht, als er neben mir stand und sich ebenfalls nach den Tickets umsah. ,,Ich glaube, die sind in der Schublade vom Schreibtisch. Schau mal nach.''

Ich zog die Schublade nach vorne und fand das, wonach wir gesucht hatten. Volltreffer. Ich hielt beide Karten in meinen Händen und war froh, dass das genau funktioniert hatte, wie wir es uns vorgestellt hatten.

,,Dein Dad wird sich bestimmt freuen'', meinte ich strahlend und ging erneut nach unten. David war zuhause eingetroffen und führte gerade ein Gespräch mit Dee. Besser hätte man das nicht planen können.

,,Ah, hallo Mila. Ich freue mich sehr, dass du da bist. Sag, wie geht es dir?'', begrüßte mich David freundlich, als er mich bemerkte.

,,Mir geht es gut. Danke der Nachfrage, David. Ich habe vorhin mit Dee Plätzchen gebacken. Es war richtig schön'', schwärmte ich und hatte ein wohliges Gefühl, weil ich es sehr genossen hatte.

,,Es ist verrückt, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass Matteo immer noch da ist, wenn ich mich mit dir unterhalte, Mila. Und mir hat das heute sehr viel Kraft gegeben. Dafür bedanke ich mich bei dir.''

Matteo schenkte mir einen vielsagenden Blick und ich verstand, was er damit sagen wollte.

Es fühlt sich so an, weil Mila gerade für mich spricht, da ich es selbst nicht kann.

Und ich bin ihr so dankbar dafür, dass sie das tut.

Bitte lasst mich in dem Gewissen gehen, dass ihr okay seid und ihr auch ohne mich dieses Leben meistern werdet.

,,Ich freue mich, dass dir das gutgetan hat, Dee. Wir können nicht ganz genau sagen, was Matteo gewollt hätte. Aber ich bin mir sicher, dass es es ihm helfen würde, zu wissen, dass ihr stark seid und für ihn weiterlebt. Und wenn ich euch dabei weiterhelfen kann, tue ich es. David, ich ... ich habe vorhin etwas in Matteos Zimmer gefunden, wovon er mir erzählt hat.''

Ich überreichte ihm die zwei Karten und war erleichtert, dass damit nun der zweite Punkt auf der Liste abgedeckt war. ,,Matteo wollte sie dir eigentlich zum Geburtstag schenken, weil er wusste, dass du dich sehr über diese freuen würdest. Ich kenne mich zwar nicht gut mit Fußball aus, aber ich wäre bereit, das Spiel anzuschauen. Euch hat das sehr viel bedeutet, darum möchte ich das gerne für ihn übernehmen, wenn er es selbst nicht mehr tun kann.''

Ich hatte David noch nie weinen sehen. Er lächelte und hatte Tränen in den Augen, die mir sagten, wie viel im das bedeutete. Er drückte mich an sich und ich empfand so viel Liebe und Verständnis für ihn. Der Verlust hatte uns alle geprägt und nun fingen wir allmählich an zu heilen. ,,Sehr gerne, Mila. Ich freue mich, dass du das mit mir machen möchtest. Wir werden ganz viel Spaß haben und an Matteo denken. Du hast so ein großes Herz. Ich kann dir ebenfalls nur danken. Danke, dass es dich gibt. Du bist die tollste Freundin, die wir uns für unseren Sohn hätten wünschen können.''

1326 Wörter

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