WILD, WILD GIRLS

Kapitel fünf: bang

Wir waren zurück im Motel angekommen, wo Dylan sofort zu ihrer großen schwarzen Tasche ging und etwas hineingleiten ließ. Sie war ziemlich nervös und schwitzte sogar, weil sie sich so hastig bewegte. Sie schubste mich zur Seite und begann, all unsere Sachen hastig wieder einzupacken. Ich verstand ihre Hektik nicht. Klar, ich hatte einen Mann mit ihrer Waffe bedroht, aber wir waren alle betrunken. Niemand würde deswegen die Polizei rufen. Den Zimmerschlüssel nahm sie aus dem Schloss und hing ihn an die Türklinke.

"Was ist denn los?" fragte ich und befreite mich aus ihrem Griff, der Spuren an meinem Handgelenk hinterließ. "Wir müssen weg!", sagte sie in einem Ton, den ich von ihr nicht kannte. Normalerweise sprach sie so nicht. Ich hatte Dylan als ruhige, unbekümmerte Person kennengelernt. Diese Seite von ihr war mir fremd, und auch sie selbst schien überfordert zu sein.

"Wohin denn?"

"Das weiß ich doch auch nicht!", schluchzte sie und griff sich verzweifelt an den Kopf.

"Dieser Ryan weiß doch gar nicht, wo wir sind. Selbst wenn er die Bullen ruft, gibt es nicht genug Indizien. An unsere Gesichter wird er sich auch nicht erinnern können, so betrunken, wie er war." Meine Worte konnten Dylan nicht beruhigen. Mit schnellem Atem wanderte sie durch das Zimmer und versuchte, das Adrenalin aus ihren Händen zu schütteln.

"Darum geht es doch gar nicht."

"Worum dann? Sag mir, was dir so Angst macht, Dylan!"

"Ich bin nicht die, für die du mich hältst, okay!", schrie sie mich an.

"Der Wagen, in den du gestiegen bist, ist gar nicht meiner. Ich habe ihn gestohlen, genauso wie das ganze Geld, das wir versoffen haben. Nichts davon gehört mir. Mit dieser Pistole habe ich Leute beraubt, und du wedelst damit in einer Bar herum, weil du es magst, so zu tun, als wärst du eine Rebellin, die nächste Bonnie Parker. Aber ich verrate dir etwas: Clyde und Bonnie wurden mit zweiundvierzig Schüssen ermordet, und wenn die Polizei mich schnappt, dann ende ich genauso. Du bist fein raus aus dieser Sache, schließlich denken alle, ich hätte dich entführt. Mich werden sie für die Dinge, die ich getan habe, umlegen, und du wirst von einer ganzen Nation bemitleidet."

Ich musste ihre Worte erst einmal verarbeiten, doch dafür war keine Zeit, denn Dylan ging davon aus, dass ich nach ihrem Geständnis nicht mehr bei ihr bleiben wollte, und verließ das Zimmer mit ihrer großen Tasche. Ich folgte ihr so schnell ich konnte, damit sie nicht ohne mich losfahren konnte, und rief ihr hinterher: "Es ist meine Schuld, dass wir fliehen müssen, also werde ich auch mitkommen."

"Du wirst in große Schwierigkeiten kommen. Ich bin eine grausame Person, Laura", sagte Dylan, die hinter dem Steuer saß und mich mit schrecklicher Angst anschaute. Ihre Augenbrauen zitterten und sie atmete schwer.

"Dann lass uns zusammen grausam sein", wisperte ich und drehte den Schlüssel für sie um. In diesem Zustand hätte sie nicht fahren sollen, uns hätte sonst was passieren können, doch uns blieb keine Wahl. Wir mussten raus aus Dallas und an einen Ort, wo niemand von einem orangenen Pontiac und einer "entführten" Blondine gehört hatte.

Dylan kämpfte immer noch gegen die Tränen in ihren Augen, die ich nur bemerkte, wenn das grelle Licht der Ampel uns anstrahlte. Nicht einmal das Radio schaltete sie an; stattdessen starrte sie besorgt auf die dunkle Straße vor uns und hielt das Lenkrad fest umklammert. Manchmal fuhr sie so schnell, dass ich Angst hatte, wir könnten in der nächsten Kurve von der Straße abkommen. Deshalb wich mein Blick nicht von ihr, denn in ihrem Ausdruck lag eine Trauer, die offensichtlicher war, als sie selbst es vielleicht dachte. Dylan spielte die Starke, die Unbekümmerte, doch hinter dieser Fassade steckte auch nur eine zerbrechliche junge Frau, die in dieser Nacht noch mehr zu zerbrechen schien. Auch wenn sie dachte, dass ich ihre Tränen und ihr angestrengtes Schlucken nicht bemerkte, wusste ich genau, woran sie dachte. Ich wusste aber auch, dass sie diesen Gedanken aus ihrem Kopf bekommen musste, bevor er uns beiden zum Verhängnis werden würde.