Eine Welt ohne Gesetze

7 0 0
                                    

Wieder überkam mir Übelkeit. Die Welt drehte sich. Oder drehte ich mich? Ich spürte, wie mein Blut an meine Fingerspitzen getrieben wurden, wie eine nicht-greifbare Kraft meine Augen zuhielt. 

Dann kam der Aufprall. Ich spreizte meine Finger und diese glitten über den Boden, der sich unter mir auftat, um Halt zu finden. Ich ahnte schon wo ich war, bevor ich die Augen öffnen konnte.

Die Insel.

Was war gerade passiert? War das Magie? 

"Komm schon, steh auf", sagte mein Gegenüber mit einem harschen Unterton. Doch ich hörte auch Schmerz daraus.

Ich atmete einmal tief ein und aus und stand letzendlich auf. Vor mir stand mein Ebenbild. Aber er wirkte anders. Mit einer Hand hielt er sich die Seite, als würde er Seitenstechen haben, sein Gesicht schmerzverzerrt und leicht schwitzend. 

Ich blickte ihn an, genauso ratlos, wie bei unsrigen letzten Treffen hier. Aber diesmal will ich Antworten. Falls das hier Magie ist, falls dieses Individuum eine Lösung darstellt den Krieg zu beenden, falls er uns dabei hilft das Magiekonstrukt des Feindes mit seinen eigenen Waffen zu schlagen,... dann muss ich diese Chance ergreifen, koste es was es wolle. Doch ich weiß, dass es nicht einfach wird. Ich kann es spüren. Genau wie dieser Zwilling meine Gedanken erraten konnte und wahrscheinlich in mein Unterbewusstsein einbrechen kann, so kann ich gerade dasselbe zum kleinen Teil bei ihm anwenden.

Er hat das nicht eingeplant. Er ist wütend. Aber er hat mein Leben gerettet und somit sein eigenes auch. Oder könnte er auch ohne mich überleben...? Nein, sonst wäre er nicht aus mir heraus gesprungen. Dennoch scheint ihn der Kontakt mit der Außenwelt mitgenommen zu haben. Er kann also nicht ohne mich...

Diesmal war es der Zwilling, welcher erschöpft dastand und ich derjenige der mit Stärke nur so strotzte. Stille beherrschte die Umgebung. Kein Wind, kein Plätschern des Wassers, kein Vogelgezwitscher oder sonstige Tiergeräusche. Bis auf einigen Bäumen, den schwebenden Leuchtobjekten und den riesigen Obelisken im Zentrum der Landschaft, war hier nichts. Wirklich...rein...Garnichts. Und das war beinahe genauso angsteinflößend, wie der mit toten Kriegern, übersähte Kriegsboden...

"Ich danke dir". Ein Satz der hoffentlich Wirkung zeigt.

"Das war verdammt knapp. Du hättest dich besser wehren können!" Er biss sich dabei die Zähne zusammen und guckte mich wütend an.

"Du denkst dir sicherlich,...wie es sein kann,...dass ich dir helfen konnte. Das einzige, was du dazu wissen musst ist, dass du nicht damit rechnen sollst, meinen Beistand nochmal in der realen Welt zu erwarten. Es kostet zu viel Kraft...zu viel"

Langsam setzte er sich zu Boden, was ich ihm gleichtat.

"Fuck, ich schätze ich brauch auch mal Ruhe," sagte er leicht schmunzelt und machte eine ausschwingende Handbewegung, um seine Rede weiterzuführen. 

"Aber für dich, die Kurzfassung. Ja... ich bin eine, kann man sagen, Personifizierung von, wie ihr es nennt, Magie. Ich wachte auf dieser Insel auf und war genauso verwirrt wie du...Das einzige, was ich hier im Überfluss hatte, war Zeit. Jede Menge, schier nicht enden wollende Zeit. Die Minuten und Stunden vergehen hier viel langsamer als da draußen. Also begann ich zu forschen. Nach einiger Zeit fand ich auch heraus in wessen Körper und Geist ich transferiert worden bin und somit begann ich DICH zu erforschen. Dennoch sind sehr viele Fragen offen. Meine naheliegendste Vermutung ist jene, dass mich jemand hierher geschickt hat...Zu dir... Als Gegenreaktion dessen, an was euer Feind da am Bauen ist. Ich sehe es dementsprechend als Aufgabe an dir zu helfen und dafür zu sorgen, dass du nicht draufgehst. Wer weiß, was mit mir ansonsten passiert, haha..."

Es hustete, Blut kam raus...

"Genug davon, ich muss ruhen, aber davor noch eine Sache..."

Ich setzte mich aufrecht hin und hörte weiter gebannt seinen Worten zu. 

"Spann deinen rechten Arm an, spüre die Muskeln darin sich verkrampfen und schaue den Baum, da links von dir an".

Ich tat, was er sagte. Schließlich muss ich ja mehr von diesem Mysterium in Erfahrung bringen. Ich entscheide im Nachhinein, inwieweit dies Vorteile bringt. Hoffentlich ohne dabei vorher zu sterben.

"Nun stehe auf und laufe zu diesem Baum, verlier ihn nicht außer Sicht und lass den Arm weiter angespannt. Nun berühre ihn und sag... Toz"

"Toz"

Wie in Zeitlupe, begann der Baum sich zu verformen. Die Rinde krachte und zerbarste, die Ästen fielen von oben runter und brachen beim Flug entzwei. Innerhalb weniger Sekunden implodierte der Baum und fiel um. 

Oh mein.. was zur...

Ich konnte nicht glauben, was hier soeben passiert war. Mein rechter Arm wurde taub, aber ich konnte nicht verbergen, wie schockiert und...erstaunt ich war. All das was mein Zwilling erzählt hat. Konnte es wirklich stimmen? Es war einfach zu viel, um es ernst zu nehmen oder gar zu verstehen. Aber es muss stimmen, ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen.

Oder denke ich mir das nur aus, weil ich mitten in der Schlacht den Verstand verloren habe...

Oder weil diese Zauberei mir nur das sehen lassen will, was nur dessen Zielen dienen soll...

Ich darf ihm nicht vollständig vertrauen. Niemals. Ich brauche ihn, so wie er mich braucht. Sobald all das vorüber ist, muss ich mir dringend was ausdenken...

Plötzlich spürte ich seinen Atem am Ohr. Er stand direkt hinter mir.

"Beeindruckt? Es dürfte dich nicht überraschen, wenn ich dir sage, dass du diese Macht auch da draußen verwenden kannst. Jedoch dezent. Barstan's Krieger werden fallen, einer nach dem anderen", und verschränkte dabei die Arme.

Er zeigt mir diese Gabe nicht nur, um mein Überleben zu sichern...sondern auch um weiter gegen die Türme zu marschieren...Aber wieso? Die Chance diese Bollwerke lebend zu erreichen ist verschwindet gering, das weiß er ganz genau, genauso wie, was mit ihm passiert wenn ich getötet werde...Hier stimmt einiges nicht... Er verfolgt eigene Interessen, ich bin nur sein Hilfsmittel. Das gleich kann ich aber auch von mir sagen... Jedoch mit dem Unterschied, dass ich meine Wünsche hinter die des Imperators stelle...

Nun gut. Du willst, dass ich dein Spiel spiele, Zwilling? Dafür müssen wir meine Regeln befolgen...

"Geht's dir gut? Du scheinst grad in einer anderen Welt zu sein, wenn du verstehst was ich meine," sagte er mit einem Grinsen, welches sein Gesicht komisch verzerrte.

"Ja es geht mir gut...Ich danke dir nochmals. Ohne dich wäre ich schon längst tot", erwiderte ich.

"Also, ich kann dir vorerst nicht mehr zeigen. Und du musst zurück nach da draußen, ansonsten kann ich nicht regenerieren"

Er log. Er will allein sein, um weiter Pläne zu schmieden. Aber lieber kehre ich wieder zurück, als hier noch mit ihm weiter zu verweilen.

"Dann sehen wir uns bald wieder," mehr als Frage, als nach einer Tatsache klingend. 

"Schneller als du dein Schwert schwingen kannst", antwortete er und vollführte eine Handbewegung, die mich wieder drehen ließ.

Und so spürte ich wieder, wie ich von der einen Welt in die andere gezogen wurde. Diesmal war es aber anders. Ich kehrte nicht voller Angst zum Gemetzel zurück, sondern mit Kraft, neu gewonnenen Wissen und Überzeugung...

BattleswordWo Geschichten leben. Entdecke jetzt