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Fieberhaft kramte ich in meinen Erinnerungen nach dem genauen Ablauf des Märchens. Den Schuh hatte Aschenputtel am dritten Ballabend verloren.
„Anara, denk nach", jammerte ich und blickte suchend um mich. Da ich in Aschenputtels Körper war, musste ich doch auch irgendwelche Informationen haben, wie es jetzt weiter ging. Wo war der Gutshof des Vaters? Zum Grab der Mutter hatte ich unbewusst gefunden.
Mein Blick glitt nach oben. „Taube, du hast mich hierher gelockt. Kannst du mich nicht auch nach Hause bringen?" Eigentlich glaubte ich nicht daran, dass mich der Vogel verstand, aber ich befand mich in einem Märchen. Hier war alles möglich, oder nicht? Zumindest verstand ich jetzt, warum mich der Mann nicht verfolgt hatte. Bestimmt war er nur bis zu dem Schuh gelaufen. Weiter brauchte er nicht. Zumindest sah das Märchen nichts weiter vor. So ein Ärger! Bestimmt hätte sich alles für mich neu gestaltet, wenn er versucht hätte, mich einzuholen.
Ich seufzte laut, starrte noch ein paar weitere Sekunden auf die Taube und wandte mich schließlich wieder dem Weg zu. Bestimmt kam ich beim Gutshof an, wenn ich nur lang genug lief. Weit konnte es ja nicht sein. Aschenputtel – ich – war mit Tanzpantoffeln von zu Hause bis ... Meine Gedanken stockten.
„Nein, so ein Ärger! Sie ist vom Grab bis zum Schloss gelaufen. Nicht von ihrem Zuhause aus." Ich hob den Saum meines schäbigen Gewandes und entdeckte klobige Holzschuhe. „Auch das noch! Hoffentlich habe ich zumindest die abgehärteten Füße von Aschenputtel. Nur kann das irgendwie nicht sein." Ich runzelte die Stirn. „In allen Verfilmungen hat Aschenputtel zarte Füße. Und der Königssohn ekelt sich ja auch nicht vor ihrem Fuß, als er ihr den Pantoffel anzieht. O wei. Plattfüße mit Hornschicht hat sie also nicht."
Ich schluckte und verzog das Gesicht. Ohne Strümpfe in klobigen Holzschuhen sollte ich ins Unbekannte wandern. Das konnte jetzt eine wirklich ungemütliche Nacht werden. Wenn ich dann noch daran dachte, dass ich vor meinen Eltern und Stiefschwestern ankommen musste, war es noch schrecklicher.
„Von wegen, ich soll mich nicht beschweren", schimpfte ich, als ich mich auf den Weg machte. Wenn ich vorhin jeden Stein durch den dünnen Stoff des einen Pantoffels gespürt hatte, fühlte ich nun das Scheuern des Holzes an meiner empfindlichen Haut. Bestimmt gab das entsetzliche Blasen. Ich malte mir schon aus, wie sie aufplatzten, Blasenflüssigkeit und Blut in das Holz floss und ich am nächsten Tag keinen einzigen Schritt machen konnte. Doch bevor ich so richtig im Selbstmitleid ertrinken konnte, bemerkte ich einen riesigen, dunklen Schatten. Das musste ein Gebäude sein!
Hoffnung erwachte in mir. Nicht eine Sekunde befürchtete ich, es könnte sich um feindliche Bewohner handeln. Das wäre bestimmt irgendwo im Märchen aufgetaucht, wenn Aschenputtel an Räubern oder Dieben hätte vorbeimarschieren müssen.
Ich behielt recht. Es war das Haus meines Vaters. Erleichtert huschte ich durch den Gesindeeingang hinein. Ich wollte schon die Stiege nach oben zu den Schlafzimmern nehmen, als mir noch rechtzeitig einfiel, dass ich in der Küche schlief, in der Asche. Daher ja mein Name.
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Eine zweite Chance
RomanceHabe ich ein schönes Leben? Nein. Definitiv nicht. Zumindest nicht mehr, seit mein Vater eine neue Freundin hat. Aschenputtel lässt grüßen! Dass ich schon achtzehn bin, macht es nicht besser. Auch Abiturientinnen haben das Recht, zu Hause leben zu d...