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„Wo bin ich?", fragte die wunderschöne junge Frau und blickte verwirrt um sich. „Das ist nicht der Wald bei unserem Häuschen. Und solch eine glitzernde Wiese gibt es auch nicht. Außerdem ..." Sie drehte sich noch einmal herum. „... ist hier nirgends das Haus meiner lieben Zwerge."
Jetzt schlug sie erschrocken die Hände an die Wangen und blickte die drei Feen vor sich an.
„Du musst keine Angst haben", sagte Fauna sofort und lächelte den Neuankömmling freundlich an.
„Vielleicht doch", meckerte Sonnenschein, „immerhin hat sie hier nichts zu suchen. Sie gehört eindeutig nicht in unseren Märchenhimmel."
„Wie heißt du?", fragte Flora ganz vernünftig und überlegte schon, wie sie den rückgängig gemachten Spruch am wirkungsvollsten rückgängig machen konnten.
„Ich bin Schneewittchen", erzählte die blasse Frau, „ich lebe hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen."
„Snow White", entfuhr es allen drei Feen, und Flora gestikulierte heftig mit ihrem Zauberstab, damit sie sich zur Beratung zurückzogen. Zu Schneewittchen sagte sie mit strenger Stimme: „Bleib da stehen und rühr dich nicht vom Fleck!"
Die drei Feen steckten ihre Köpfe zusammen. Alle drei schienen sehr nervös und keine wollte zu sprechen anfangen. Schließlich brach Sonnenschein das Schweigen. „Also dein Rückwärts war dann wohl das falsche Rückwärts. Wollten wir nicht das andere ausprobieren, wenn es mit deinem misslingt, Flora?"
„Ja, na ja, eigentlich schon", begann diese, um anschließend mit einem lauten Seufzer zu unterbrechen.
„Wieso eigentlich?" Sonnenschein runzelte mürrisch die Stirn. „Wir hatten das genau so verabredet."
„Ja, doch bemerkt ihr nichts?"
Fauna flog ein wenig hoch und blickte zu Schneewittchen hinüber. „Nun, sie ist ganz blass. Kein Wunder, der Schreck wird ihr zugesetzt haben. Vielleicht sollten wir ihr ein Tässchen Tee anbieten?"
Flora rollte mit den Augen. „Sie ist immer blass. Sie ist Snow White. Oder Schneewittchen. Und genau das meine ich." Sie blickte die zwei anderen nachdrücklich an. Und zwar so nachdrücklich, dass sogar Sonnenschein sich leicht drehte und über die Schulter nach Schneewittchen blickte. Sie verstand aber ebenso wenig wie Fauna, worauf Flora hinauswollte.
„Sie stammt nicht aus unserer Märchenwelt!", rief Flora mit genervtem Tonfall, senkte dann rasch die Stimme, da die falsche Märchenfigur zu ihr hinüberblickte. „Aschenputtel und Schneewittchen kommen aus Märchen aus einer anderen Welt."
„Ich hab's!", rief Fauna freudestrahlend und schwenkte aufgeregt mit ihrem Zauberstab umher, sodass bunter Glitzer durch die Luft flog. „Sie kommen aus dem Reich, wo die erste Frau herkommt, die nur eine Nebelerscheinung war."
„So ein Unfug", begann Sonnenschein, wurde allerdings direkt von Flora unterbrochen.
„Genau das denke ich auch. Wir werden also nicht einfach unseren allerersten Spruch anders rückwärts aufsagen, sondern den falschen Rückwärts-Spruch erst einmal wieder vorwärts aufsagen."
Fauna blickte verwirrt, und Sonnenschein flog nervös hoch und runter. Ganz offensichtlich verstanden beide wieder nichts, was Flora zu einem Seufzen verleitete.
„Wir werden den gleichen Spruch aufsagen, den wir beim allerersten Mal gesprochen haben."
„Meinst du wirklich", fragte Fauna vorsichtig, „das ist eine gute Idee?"
„Es ist die einzige, die mir einfällt", gestand Flora. „Und falls nach dem Zauberspruch Aschenputtel wieder vor uns steht, sprechen wir ganz schnell den Spruch anders rückwärts aus. Danach sollte die Nebelgestalt hier sein."
„Und wenn Aschenputtel nicht auftaucht?", wandte Sonnenschein ein. Sie flog zurück in den Kreis und blickte herausfordernd. „Was machen wir dann?"
„Dann", sagte Flora mit Betonung, „dann, liebe Sonnenschein, überlegen wir uns etwas Neues. Oder wir versuchen es dennoch mit dem anderen Rückwärts."
„Ich bin für das andere Rückwärts", erklärte Fauna und hob ihren Zauberstab, als ob sie bei einer Abstimmung wären.
„Na schön", murrte Sonnenschein, „ich bin einverstanden. Aber wenn es nicht endlich klappt, sollten wir Malefiz herholen. Immerhin ist sie an allem schuld!"
Flora presste die Lippen fest aufeinander, um nichts Falsches zu erwidern. Diese furchtbare Hexe würde sie garantiert nicht in ihr märchenhaftes Paradies lassen. Aber noch war es ja nicht so weit. Es bestand Hoffnung, dass sie es allein hinbekamen.
„Lasst uns anfangen", sagte sie.
„Ja, lasst uns anfangen", wiederholte Fauna und klang überaus vergnügt. Ihr schien es tatsächlich ein wenig Spaß zu machen. Vielleicht lag das auch daran, dass sie noch nie so viel auf einmal gezaubert hatten. Und es war jedes Mal eine Überraschung, was nach der Zauberei geschah.
„Hoffentlich klappt es dieses Mal." Sonnenschein klang wie immer etwas meckernd. Aber daran waren die Feen schon gewöhnt.
Sie flogen nebeneinander, blickten Schneewittchen an, die still zu ihnen zurückblickte, hoben ihre Zauberstäbe und sprachen den Zauber mit ihren singenden, klingenden Stimmchen. Ein Glitzerregen an silbrigen und goldenen Funken rieselte auf Schneewittchen herab und hüllte sie ein. Immer mehr Glitzerstaub umhüllte die blasse Märchengestalt, wirbelte um sie herum und wurde dichter und dichter. Für einen Moment war Schneewittchen nicht mehr zu sehen. Danach perlte der Feenglitzer auf den Boden und verteilte sich im schimmernden Gras. Schneewittchen war verschwunden.
Aufgeregt drehten sich alle drei Feen zur großen Wiese um.
„Oh, nein. Oh, nein", rief Fauna und schlug beide Hände an die Wangen. Ihr Zauberstab ließ ein paar Glitzersterne auf ihren grünen Spitzhut fallen.
„Oh, nein. Oh, nein!" Flora seufzte und verzog ihr Gesicht.
„Das ist aber nicht Aschenputtel", sagte Sonnenschein unwirsch.
Die betörend anmutige Schönheit vor ihnen blickte von ihrem Finger hoch, den sie eben noch verwundert angestarrt hatte. Mit ihrer glockenhellen Stimme erklärte sie: „Ich bin Dornröschen."
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Eine zweite Chance
RomanceHabe ich ein schönes Leben? Nein. Definitiv nicht. Zumindest nicht mehr, seit mein Vater eine neue Freundin hat. Aschenputtel lässt grüßen! Dass ich schon achtzehn bin, macht es nicht besser. Auch Abiturientinnen haben das Recht, zu Hause leben zu d...