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Izuku

Meine kleine Aussprache mit Juliette änderte nichts zwischen uns, aber ich würde ihr ewig dankbar dafür sein, dass sie mich mit Vivian zusammengebracht hatte. Vivian und ich hatten nicht viele Gemeinsamkeiten . sie war eine Primaballerina und verrückt nach allem, was mit Mode zu tun hatte, ich dagegen benügte mich mit Lesen und war seit über einemJahr nicht mehr shoppen gewesen -, aber wir verstanden uns trptztem so prächtig wie zwei Geschwisterm die man bei der Geburt getrennt und nun plötzlich wieder vereint hatte.
Am nächsten Tag aß sie wieder mit mir zum Mittag und bestand darauf, dass ich nach dem Unterricht mit zu ihr nach Hause kam und mit ihr gemeinsam die Hausaufgaben machte. Da ich wusste, was mich in meinem eigenen Zuhause erwartete, war ich für das Angebot dankbar.
Sie wohnte in einem recht kleinen Apartment in West Hollywood. Es war alt, beengt, ein wenig unordentlich - genau genommen sah es aus, als wäre ein Laden aus Stoffe und Bastelbedarf darin explodiert -, doch ich fühlte mich nach drei Sekunden mehr zu Hause, als das im Haus meines Vaters wohl je der Fall sein würde.
>>Ignoiere das Chaos<<, sagte Vivian, hob eine Armladung knallpinken Tüllstoff im Eingangsbereich auf und hängte sie über eine Stuhllehne. >>Ich hab versucht, meinen Dads zu erklären, dass schwule Männer Ordnungsfreaks sein sollten, aber sie hören mir einfach nicht zu.<<
Ihre Dads waren im Esszimmer, verloren inmitten eines Meers aus bunten Stoffen, Pailletten, Spitze und Federn. Einer saß hinter der Nähmschine, der andere stand daneben auf einer Schneiderbüste fest. Beide sahen hoch und grinsten, als wir ins Zimmer kamen. Ihr lächeln strahlte mit dem Anzug, an dem sie arbeiteten, um die Wette.
Der Stehende nahm eine Stecknadel aus dem Mund. >>Liebling, wenn wir dem Klischee entsprechen wollen, wären wir Friseure geworden.<<
>>Sagt der Mann, der eine blaugrüne Federboa trägt.<< Vivian lachte und stellte ihn mir mir ausladender Geste vor: >>Stefan Euling - oder auch Dad. Dad, das ist Izuku.<< Dann deutete sie auf den Mann an der Nähmaschine. >>Und das ist Glen Euling. Hört ebenfalls auf Dad.<<
Nach der Begrüßung sah ich Stefan einen Moment lang bei der Arbeit zu. Die Krawatte um seinen Hals passte farblicht zu dem Einstecktuch auf dem Anzug. >>Der ist für den Wettbewerb, stimmt´s?<<, fragte ich. >>Das wird ein Ballanzug oder?<<
Stefan grinste zu mir zu, als wäre er nie in seinem Leben stolzer auf jemanden gewesen. >>Gutes Auge!<<
>>Meine Mutter war mal mit einem professionellen Salsatänzer zusammen. Ich war für den Sport nie grazil genug aber die Klamotten habe ich geliebt.<<
>>Die beiden sind die leitenden Kostümbildner für diese Fernseh-Realityshow, Celebrity Dance Off<<, erklärte Vivian. >>Wie du siehtst, nehmen sie ihre Arbeit gern mit nach Hause.<<
>>Das gibt´s nicht!<<, quietschte ich. >>Ich liebe euch zwei! Die Klamotten sind der einzige Grund, warum ich diese Show gucke! Ist das ein Anzug für einen der Tänzer? Für Arian? Er sieht aus wie ein Anzug für Arian.<<
Vivian verdrehte zu mir gewant die Augen. >>Du hast dir gerade zwei neue lebenslange Freunde gesichert.<<
>>Es ist tatsächlich fpür Arian<<, sagte Stefan. >>Du bist ein echter Fan was?<< Er musterte mich prüfend von Kopf bis Fuß und sagte dann: >>Anzuggröße 1 bis 2, oder?<<
Ich sah an meiner Schuluniform hinunter; ich war ein wenig verblüfft, dass er richtig geraten hatte. Was ich anhatte, war an sich schon nicht besonders körperbetont, und ich hatte das Hemd locker gezupft, kaum dass ich in Vivians Auto gestiegen war. >>Zum Missfallen meines Ernährungsberaters<<, antwortete ich mit einem Nicken. >>Er versucht immer, mich zum Zunehmen zu bewegen. Woher wusstest du das?<<
Glen lachte. >>Er weiß es immer. Der Mann hat ein Talent dafür, Leute abzuchecken. Wenn nicht die meisten unserer Kunden Frauen wären, würde ich vor Eifersucht durchdrehen.<<
>>Ein bisschen Eifersucht tut jedem Mann gut<<, zog Stefan ihn auf. >>Hält dich auf Linie.<< Bevor Glin widersprechen konnte, lächelte Stefan mit zu und sagte: >>Hättest du Lust, den Anzug anzuprobieren? Ich muss noch ein paar Änderungen machen, und du hast fast genua Arians Statur. Du wärst der perfekte Stellvertretter.<<
Eine Welle der Begeisterung erfasste mich bei dem Gedanken, den Anzug anzuziehen, wurde aber bald von Entsetzen überlagert, als ich mir mich selbst in den Hautfreien Anzug vorstellte.
>>Ich pikse dich nicht, versprochen<<, drängt Stefan.
>>Oh, das ist es nicht.<< Ich schluckte und hatte das Gefühl, eine der Stecknadeln im Hals zu haben, mit denen er gerade herumhantierte. >>Es ist bloß, ähm, ich hatte einen Autounfall, und ich ... ähm ...<<
>>Izuku, niemand hier schert sich um deine Narben, das garantiere ich dir<<, unterbrach mich Vivian. Sie klang sanft, aber bestimmt, und ihr Blick sagte mir, dass sie mir ein Nein nicht durchgehen lassen würden.
>>Aber es ist so ein schöner Anzug. Ich würde bloß den Anblick ruinieren.<<
>>Papperlapapp!<< Glen sah mit missbilligendem Stirnrunzeln von seiner Naht auf. >>Du hast ein Engelsgesicht. Deine Augen sind umwerfend. Wenn überhaupt, dann ist es der Anzug, der es nicht verdient hat, von dir getragen zu werden.<<
Das Lächeln, das er mir zuwarf, ließ mich erröten.
>>Itzku<<, sagte Vivian leise, >>wahre Schönheit kommt von innen. Wenn du dich schön fühlst, dann wirst du auch für andere schön aussehen, und mit Äußerlichkeiten ht das gar nichts zu tun.<< Sie deutete auf den Anzug auf der Schneiderpuppe. >>In diesem Anzug würde sich jeder schön fühlen. Probier es einfach an, ja? Bitte! Für mich? Wenn du nähmlich nicht für die beiden MOdell stehst, zwingen sie mich dazu, und ich hab im Moment wesentlich Wichtigeres zu tun.<<
>>Und das wäre?<<, fragte ich. Es war ihr gelungen, mich von meiner Panikattacke abzulenken.
Sie hielt eine Handvoll Stoffreste in die Höhe, dazu etwas, dass verdächtig nach einer Heftpistole aussah, und ein verschmitztes Glizern trat in ihre Augen. >>Ich werde deinem Stock eine kleine Schönheits-OP verpassen.<<
Zehn Minuten später trat ich hinter einem Wandschirm hervor - in einem Anzug, das einen König würdig war. Die Hose bedeckte meine kompletten Beine, aber meine Arme und Oberkörper waren entblößt. Ich räusperte mich, um die Aufmerksamkeit der anderen auf mich zu ziehen, hielt dann die Luft an und versuchte, nicht zu zittern, während sie mich in Augenschein nahmen.
Sie alle musterten meine Narben - das konnte ich ihnen nicht zum Vorwurf machen, niemand hätte einfach darüber hinwegsehen können -, aber keiner starrte zu lange darauf. Stattdessen wanderten ihre Blicke weiter und betrachteten meine restlichen Anblick.
Glen erhob sich von seinem Stuhl am Ess-/Nähtisch und stellten sich mit über der Brust gekreutzten Armen vor mich. Stefan trat neben ihn, und die beiden begannen, langsam um mich herumzugehen, wie ein Löwenpaar, das eine Gazelle anvisiert.
>>Oh, wir sind gut<<, sagte Glen schließlich und brach in ein breites Grinsen aus.
Glen ließ einen Zeigefinger kreisen, um mir zu bedeuten, ich solle mich umdrehen. Ich gehorchte und sah mich in einem Ganzkörperspiegel. Ich keuchte. Glen nahm mein Haar und stylte es nach oben. >>Was habe ich gesagt?<<, fragte er. >>Ein Engel.<<
Er hatte recht. Ich sah unwerfend aus, und dabei trug ich nicht mal ein langärmliges Shirt. In dem Anzug und dazu mit Glen und Stefan, die hinter mir standen und beinahe ehrfürchtig den Jungen im Spiegel anlächelten, fühlte ich mich zum ersten Mal seit meinem Unfall schön.
Meine Augen strahlten, und ich wandte mich über das ganze Gesicht grinsend zu Vivian um. >>Ich liebe deine Dads.<<
>>In ein paar Stunden sagst du das nicht mehr, wenn dir die Füße wehtun und du aufs Klo musst und nicht kannst, weil du über und über mit Stecknadeln bepinnt bist<<, zog sie mich auf, aber ihr Lächeln verriet, wie stolz sie auf ihre Eltern war und wie sehr sie sie liebte.
>>Stunden?<<, fragte ich, als Stefan mit auf einen Hocker half.
Der winkte ab, als würden wir Unsinn reden. >>Ein kleiner Preis für solch ein Kunstwerk<<, sagte er und schob sich eine Handvoll Stecknadeln in den Mund.
Er und Glen gingen beide zu meinen Füßen auf die Knie. Während Glen den unteren Teil der Hose hochhielt und den Stoff straffzog, wickelte sich Stefan den orange-grünen Kraken vom Hals und griff nach einer Nadel. Sorgsam suchte er nach gneu der richtigen Stelle und begann dann vorsichtig, die Kravate am Anzug festzustecken. Sie waren wie ein Paar Chirurgen, die einen Üartienten operieren. Ich konnte mir gut vorstellen, dass ich hier tatsächlich stundenlang würde stehen müssen.
>>Ihr seid nicht zufällig mit meinem Physiotherapeuten verwand, oder?<<, fragte ich. >>Der denkt sich auch immer raffinierte Foltermethode für mich auf.<<
Das ließ alle drei in Gelächter ausbrechen. Glen sah mit funkelden Augen zu mir hoch und deutete auf Stefan. >>Ihn würde ich an deiner Stelle lieber nicht so zum Lachen bringen. Er hat gelogen, als er meinte, er würde dich niemals piksen.<<
Wir alle lachten aufs Neue, aber trotz Glens Warnung spürte ich keinen schmerzhaften Stich. Danach machten sich Stefan und Glen an dem Anzug zu schaffen, während Vivian mit der Heißklebepistole Stoffstücke am metallenen Schaft meines Stocks befestigte. Wenn sie damit fertig war, würde er entweder wie eine wunderschöne Patchworkdecke aussehen - oder wie eine gruselige Requisite aus einem Tim-Burton-Film.
Nach einer Weile ungezwungener Stille sagte Vivian: >>Also ... in der sibten Stunde sitze ich im Unterricht neben Rob Loxley ...<<
Ich wurde rot. Das war der Junge, von dem Juliette erzählz hatte, er schwärmte heimlich für mich. Vivian bemerkte es nicht. Sie war voll und ganz auf das Projekt vor ihrer Nase konzentriert.
>>Echt netter Typ<<, sagte sie. >>Auch ziemlich süß. Aber still. Das ganze Jahr über hat er nicht viel zu mir gesagt, und dann, auf einmal, aus heiteren Himmel, ist er gestern und heute ziemlich gesprächig geworden.<<
Jetzt wurde mein Gesicht so richtig heiß. >>Hmm, kommisch.<<
Vivian sah kurz zu mir hoch und machte sich dann sofort wieder ans Schneiden und Kleben. >>Ich hab überlegt, was denn nur in den letzten beiden Tagen passiert sein könnte, dass er sich nun plötzlich für mich interessiert, aber es hat nichts verändert. Nichts, außer dass ich jetzt mit dir befreundet bin.<<
Endlich ließ sie von ihrer Arbeit ab und warf mir einen Blick zu, der eindeutig besagte, dass wir beide wussten, was sie meinte. Es zu leugnen, wäre zwecklos gewesen. >>Juliette hat gemeint, er würde mich mögen. Sie hat angeboten, ihm meine Nummer zu geben. Ich habe gesagt, ich würde es mit überlegen.<<
>>Du würdest es dir überlegen? Warum?<<
>>Ich weiß nicht.<<
>>Er ist ein netter Kerl, Itzuku. Er würde sich an deinen Narben oder dem Stock nicht stören. Besonders nicht, nachdem ich den so niedlich zurechtgemacht habe.<<
>>Kann sein, aber das ist nicht das einzige Problem. Mein Kopf ist gerade nicht in der besten Verfassung. Ich glaube nicht, dass eine Beziehung da eine gute Idee wäre.<<
Vivian runzelte die Stirn. >>Das hört sich verdächtig nach einer Ausrede an. Sicher, dass du nicht einfach nur Angst hast?<<
>>Eine Heidenangst<<, gab ich zu.
Vivian erwog dieses Geständnis kurz und schüttelte dann den Kopf. >>Na, wer sagt denn, das ihr gleich zusammenkommen müsst? Vielleicht könntet ihr einfach Freunde sein. Du bist diejenige, die mir erzählt hat, dass deine Ärzte dir verordnet haben, neue Freundschaften zu schließen.<<
>>Ja. Ich schätze schon. Vielleicht.<<
>>Du könntest ihn für diesen Freitag hierher zu einem Filmabend einladen, zusammen mit ein paar Freunden aus deinem Tanzstudio<<, schlug Glen vor. Mein Gesicht nahmeinen nich dunkleren Rotton an, als mir klar wurde, dass er versuchte, mich zu verkuppeln. >>Dann wären dein Vater und ich gezwungen, hier endlich mal aufzurämen.<<
Vivian sprang auf, als könne sie so die Idee aus der Luft greifen und sofort Wirklichkeit werden lassen. >>Ooh! Das gefällt mir!<< Ich war mir nicht sicher, was sie mehr begeisterte: der Gedanke daran, mich mir Rob zusammenzubringen, oder die Vorstellung, ihre Dads könnten ein weing aufräumen. >>Was meinst du?<<, fragte sie mich.
Mein Handy klingelte und bewahrte mich so davor, ihr sofort antworten zu müssen - wobei ich wusste, dass sie am Ende ohnehin ihren Willen bekommen würde.
>>Ich geh dran!<<, zwischerte Vivian und streckte fröhlich eine Hand nach meinem Rucksack aus.
>>Lass nur. Das ist sicher nur Kachan. Er kann mir eine Nachricht hinterlassen.<<
>>Kachan? Ist das der Typ, der nicht dein fester Freund ist, dir aber schreibt wie ein zwölfjähriges Mädchen, das zum ersten Mal verknallt ist?<<
Ich lachte. Der Vergleich saß. >>Ich hab ihm schon oft empfohlen, sich Hilfe wegen seiner Handysucht zu holen, aber er hört ja nie auf mich.<<
>>Tja, dann können wir ihn keinesfalls auf die Mailbox auflaufen lassen. Dann ruft er nähmlich einfach so lange weiter an, bis du drangehst.<<
>>Vivian!<<, warnte ich, aber sie hatte sich schon mein Handy geschnappt.
>Entspann dich. Ich stell den Laufsprecher an. Du kannst mich jederzeit abwürgen.<< Sie nahm den Anruf an und gab ihre treffendste Imitation einer kessen Sekretärin zum Besten: >>Vielen Dank, dass sie auf Izukukuns Handy anufen. Leider gibt der Prister seinen Körper gerade einem Paar ebenso wilde schöner Männer hin und kann Ihren Anruf daher nicht netgegennehmen. Würden Sie gern bei seiner Ach-so-hilfsbereiten-Assistentin-Schrägstrich-besten-Freundin eine Nachricht hinterlassen?<<
Ich unterdrückte ein Lachen, aber Kachan ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. >>Großartig in Tonfall und Ausdrucksweise, aber zwei Kleinigkeiten stören mich an dieser kleinen Rede ganz gewaltig. Zuerst einmal: Ich bin Izukukuns bester Freund. Ich. Nicht du, wer auch immer du bist. Ich, ich, ich.<<
Vivian sah hoch und warf mir einen fragenden Blick zu. Sie schien sich über den Anflug eines Wutanfalls in Kachans Stimme zu amüsieren. Ich verdrehte die Augen, grinste dabei wie eine Idiotin.
>>Und angesichts der Tatsache, dass ich Kachan bin, der megakrasse Prinz des Gefilde<<, fuhr Kachan fotz, >>habe ich das Recht, jeden zu bestrafen, der ihm mir zu stehlen versucht. Ich warne dich jetzt: Die Strafe für solch verabscheuungswürdiges Verbrechen ist der Tod durch fleischfessende Würmer.<<
Ich kicherte, doch Kachan hörte mich nicht, denn von Vivian kam ein lauteres, bellendes Lachen. >>Fleichfressende Würmer?<<
Kachan blieb vollkommen ernst. >>Aber ja, fleischfressende Würmer, Ein sehr langsamer, schmerzhafter und wiederliche Tod. Höchst unehrenhaft. Ich trat davon ab. Ween ich du wäre, würde ich mich mit dem Titel der Assistentin begnügen - und vielleicht, wenn du dich würdig erweist, kannst du Izukukun zweitbeste Freundin sein.<< Er ließ einige Sekunden verstreichen und fügte dann hinzu: >>Ihre mit weitem Abstand zweitbeste Freundin.<<
Vivian lachte wieder. >>Meine Güte, wie großzügig. Bist du fertig?<<
>>Nicht mal annährend. Da ist immer noch die Sache mit den beiden todgweinten Männern, dei du erwähnt hast und die angeblich gerade mein Mann bedrängen.<<
Vivians Augenbrauen schossen nach oben, und ihr Lächeln wurde verschlagen. >>Was ist denn dein Problem, Prinz Kachan? Bist du eifersüchtig?<<
>>Natürlich bin ich das, Prinzen teilen nicht. Und außerdem: Wer sie auch sein mögen, sie sind nicht gut genug für Dekukun.<<
>>Woher willst du das wissen?<<, reif ich aus dem Hintergrund. Ich konnte mich nicht länger zurückhalten.
>>Ah, das ist mein Junge.<<
Kachans Stimme erwärmte sich so merklich, dass Vivian mich mir weit aufgerissenen Augen anstarrte. Ich gab mein Bestes, nicht rot zu werden, aber ich wusste, dass mir ein langes Gespräch mit ihr bevorstand, sobald dieses Telefon beendet war.
>>Woher willst du wissen, dass sie nicht genug für mich sind?<<, verlangte ich noch einmal, bloß um Vivians Aufmerksamkeit von mir abzulenken.
>>Weil kein Kerl gut genug für dich ist, Deku. Alle Männer sind Hunde. Ausnahmslos keinem darfst du je deinen Körper hingeben. Nicht ein Mal. Ich verbiete es. Na ja, abgesehen von Bakugou Katsuki. Du hast meine Erlaubnis, dass er auf unfeinste nur vorstellbare Art und Weise über dich herfallen darf.<<
Vivian warf mir einen seltsamen Blick zu, und sogar Glen und Stefan blinzelten nach diesem fulminanten Kommentar verblüfft zu mir hoch. Ich konnte bloß lachen und beschämt den Kopf schüttelte. >>Verstörend, wie du für Hollywoods Wunderjungen  schwärmst, Kachan, ganz im Ernst.<<
>>Dir würde das gefallen, und das weißt du. Gib´s zu.<<
>>Ich weiß, dass er dir gefallen würde.<<
>>Mit ganz sicher<<, brachte sich Vivian ein.
>>Mir auch!<<, rief Glen und zwinkerte Stefan zu.
>>Ich träume regelmäßig davon<<, fügte Stefan hinzu, und wir brachen allesamt in Gelächter aus.
Seltsamerweise schien Kachan wenig begeistert von dieser Runde der Liebesbekundungen zu Katsuki Bakugou. >>Moment mal. Wer war das?<<, wollte er wissen. >>Sind da wirklich Männer, die dich gerade bedrängen?<<
>>Natürlich nicht<<, lachte ich. Und dann konnte ich der Versuchung nicht widerstehung und fügte hinzu: >>Sie sind ganz zärtlich. Stefan hat mich noch nicht einmal gepikst.<<
>>Dekukun!<<
Sein Entsetzten war so aufrichtig, dass ich mich vor Lachen krümmte, bis Stefan und Glen mich beide anbrüllten, stillzuhalten. >>Tut mir leid!<<, rief ich und konnte dabei noch immer mein Kichern nicht unter Kontrolle bringen. >>Ich hör ja schon auf, dich aufzuziehen. Du weißt, dass du der einzige Mann in meinem Leben bist.<<
>>So sollte es auch sein.<<
>>Genau genommen stimmt das nicht ganz<<, sagte Vivian. Die plötzliche Nachdenklichkeit in ihrer Stimme machte mich nervös. >>Du sagst, du wärst ihr bester Freund stimmt´s?<<
>>Das bin ich<<, gelobte Kachan mit Nachdruck.
>>Dann kannst du mir ja vielleicht dabei helfen, sie zu überzeugen, mit deisem einen Tpen aus unserer Schule auszugehen. Er ist echt süß und total in ihn verschossen, aber er hat zu viel Angst, ihm eine Chance zu geben.<<
Ich spürte, wie mr das Blut aus dem Gesicht wich. Ich wollte seine Antwort nicht hören. Ich würde sterben, wenn er verkündete, er sei glücklich für mich, und mich ermutigte, mir ruhig ein Herz zu fassen. Und ich war mir sicher, dass er genau das tun würde. Tat er natürlich auch. Gewissermaßen. Denke ich.
>>Deku ...<< Seine Stimme wurde so sanft, wie ich es bereits manchmal erlebt hatte - als würde er mich in diesem Augenblick am liebsten im Arm halten, wenn er nur irgendwie könnte. >>Wovor um alles in der Welt solltest du Angst haben müssen? Jeder Kerl, der sich nicht Hals über Kopf in dich verleibt, hat nicht alle Tasse im Schrank.<<
Stefan seufztw, und Glen presste sich eine Hand aufs Herz. Vivian schmolz praktisch in ihrem Stuhl dahin. Ich? Ich tat das Peinlichste überhaupt - ich brach in Tränen aus. Keine hörbaren Schluchzer oder so, aber meine Augen wurden freucht genug, dass Vivian mir ein Taschentuch reichte.
>>weißt du, es muss gar nicht Rob sein, mit dem er ausgeht<<, sagte Vivian ins Handy. Mein Magen überschlug sich beinahe vor Stress, als mir klar wurde, was sie vorhatte, aber bevor ich sie aufhalten konnte, sagte sie: >>Deku und ich veranstalten diesen Freitag einen Filmabend bei mir zu Hause. Du könntest an Robs Stelle vorbeikommen.<<
Mir blieb das Herz stehen. Wie hatte ich das bloß nicht sofort kommen sehen können, als Vivian ans Handy gegangen war? Wie hatte ich das zulassen können?
Kachan hatte nie gefragt, ob wir uns persönlich treffen könnten. Nicht ein Mal. Er hatte nie auch nur angedeutet, dass er mich gern einmal sehen würde. Das Thema war überhaupt nur ein einziges Mal aufgekommen - asl er herausgefunden hatte, dass ich nach L.A. gezogen war - und damals hatte er gesagt, wie gut er es fand, dass wir uns noch nie begegnet waren.
Ich wusste, dass ich gesagt hatte, ich wollte ihn auch nicht treffen, aber natürlich wollte ich es doch. Ich liebte ihn so sehr. Jeden Tag wünschte ich mir, wir würden uns eines Tages persönlich kennenlernen und Hals über Kopf ineinander verlieben. Ich hatte bloß Angst davor, dass er mich nicht wollen würde, weil mein Körper kaputt und vernarbt war. Entweder das - oder er könnte anfangen, mich zu behandeln wie Dad und Jennifer: als wäre ich und nicht nur mein Körper kaputt.
Sollte Kachan mich je so behandeln, dann würde mich das umbringen. Anderseits fasste vivian mich keineswegs an wie ein rohes Ei, und wenn dieser Rob sich in mich verknallen konnte, so, wie ich war - dann ja vielleicht auch Kachan. Zuzugeben, ich war keines von Kachans Supermodels, aber ich lag ihm am Herzen. Das musste etwas gelten. Vielleicht war Vivians Vorschlag eine gute Idee, vielleicht gab sie uns den Schubs, denn wir beide brauchten.
Ich hielt den Atem an, während ich auf Kachans Antwort wartete. Er blieb so lange still, dass Vivian das Handy vom Ohr nahm, um sicherzugehen, dass er nicht aufgelegt hatte. >>Hallo?<<
>>Ich kann nicht.<<
Ich schloss die Augen, um zu verhindern, dass mir Tränen die Wangen hinunterliefen. Er wollte mich nicht treffen. Tief in meinem Herzen hatte ich es bereits gewusst. Wir waren vorher schon um das Thema herumgetänzelt, aber niemand von uns hatte den Mund aufgemacht und es offen ausgeprochen. Ich hatte mir eingeredet, dass er bloß genauso nervös wäre wie ich und wir es irgendwann schaffen würden, aber seine Worte klangen so endgültig. Ich war mir sicher, dass er das Zittern in meiner Stimme hören musste, als ich schließlich antwortete. >>Schon okey.<<
>>Ich muss am Freitag mir der Widerspenstigen ausgehen<<, schob er hinterher, beinahe wie einen Nachgedanken. >>Wir sind mit ihrem Dad und ein paar anderen Leuten zum Abendessen verabredet. Aus der Nummer komm ich nicht raus.<<
Vivian versuchte zu helfen, wober ihr jedoch komplett der eigentliche Kern das Problems entging. >>Na, dann machen wir es eben am Samstag. Hast du da schon was vor?<<
>>Ich ...<< Kachans Stimme brach ab, dann stieß er einen frustrierten Atemzug aus. >>Scheiße! Deku ... Ich ... Ich kann nicht.<<
Er klang regelrecht gequält, und mit einem Mal hatte ich panische Angst. >>Schon okey<<, sagte ich hastig. Ich wollte unserer Beziehung nicht für immer verderben. >>Mach dir keine Gedanken. Ich verstehe das.<<
>>Es tut mir leid.<<
>>Ist okey.<<
Eine schwere Stille senkte sich über das Zimmer. Vivian und ihre Dads wagten sich nicht zu rühren. Sie hatten keine Ahnung, was vor sich ging, waren aber verständlig genug, um still abzuwarten. Kachan sprach als Erster wieder. Er räusperte sich und fragte: >>Wollen wir heute Abend zusammen lesen?<<
Er klang sonderbar. Zögerlich. Ganz und gar nicht nach seinem üblichen souveränen Selbst.
Auch wenn ich die Antwort kannte, brauchte ich eine ganze Minute, um zuzusagen. Ich wollte ihn nicht zeigen, wie getroffen ich war. Seine Worte brachen mir das Herz, doch ich wusste, dass ich ihn nie würde ufgeben können, selbst wenn mich von nun an jedes Gespräch mit ihm schmerzen würde. >>Natürlich.<<
Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. >>Ich hab ein neues Buch gefunden. Ich denke, das wird uns beiden gefallen. Deshalb hab ich angerufen. Ich dachte, wir sollten es mal damit versuchen.<<
>>Klingt lustig.<<
>>Gut. Rufst du mich später an?<< Er klang noch immer unsicher.
>>Na klar.<<
Ich bedeutete Vivian aufzulegen, bevor meine Stimme brach. Kaum war das Handy aus, sah Vivian panisch zu mir hoch. >>Ich hab´s vermasselt. Ich weiß nicht, wie. aber ich weiß, es war übel.<<
>>lange Geschichte.<<
Mein Körper sackte so heftig in sich zusammen, das Stefan aufspringen und mich stützen musste. Er half mir vom Hocker und erklärte, meine Arbeit sei für heute beendet. Danach bot Vivian an, mich nach Hause zu bringen. Sie alle sahen, dass mein Gespräch mit Kachan - seine offenkundige Zurückweisung - mich aus der Bahn geworfen hatte.

Baku und DekuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt