Ich starrte nur nach oben. Ein Mensch. Ich war im Zimmer eines Menschen gelandet. Das war mir über alle Maße unangenehm. Ich sollte in den Lüftungsschächten meinen gewöhnlichen Tätigkeiten nachgehen, nicht von der Decke fallen und dann hilflos mit den Beinen zappeln. Um das Bild etwas professioneller zu gestalten, hörte ich auf zu zappeln.
Das Gesicht über mir war freundlich, jedenfalls glaubte ich mich zu erinnern, dass es bei Menschen so zu interpretieren war, wenn sie die zwei fleischigen Teile am unteren Ende ihres Gesichts in die Breite und nach oben zogen.
Der Mensch schob seine Finger unter mich – ein höchst irritierendes Gefühl – und setzte mich richtig herum auf die Oberfläche, auf der ich gelandet war. Dabei streiften mich die langen Fortsätze, die dem Menschen aus dem Kopf wuchsen und die bei diesem Exemplar fast die gleiche Farbe hatten wie der Teil, an dem ich glaubte, die Freundlichkeit ablesen zu können.
Vorsichtig sah ich mich um. Ich war noch nie in einem der Quartiere der Menschen gesehen. Mein Arbeitsbereich war das Schiff, nicht seine Bewohner. Dafür gab es andere Lemminge.
„Mein Name ist Kira", sagte der Mensch. Mein Chip-Gehirn ordnete das als weiblichen menschlichen Vornamen ein. „Wie heißt du?"
Der Teil, auf dem ich gelandet war, konnte nur der Ort sein, wo der Bewohner dieser Kabine sich auflud. Ich konnte es mir nicht verkneifen, einige Male auf meinen dünnen Beinchen auf und ab zu wippen. Der Untergrund federte mich immer ein klein wenig zurück. Es war ein neues, spannendes Gefühl.
„Du hast keinen Namen, oder?"
Jetzt musste ich einen Weg finden, um zurück in meinen Luftschacht zu kommen. Ich sollte hier nicht sein. Wenn der Mensch mich nicht mochte, konnte er mich in meine Einzelteile zerlegen, und das erschien mir wenig erstrebenswert.
„Wie herum würdest du dich drehen, wenn du mich ansiehst?"
Ich musterte die Wand. Das müsste mein Ausweg sein, wenn ich meine Beine einfach in die kleinen Vorsprünge der Verkleidung krallte. Ich wandte mich um und wollte mich gerade an den Aufstieg machen, als mich etwas ergriff.
Erschrocken kämpfte ich mit meinen Beinchen dagegen an und war mir sicher, dass hier ein Irrtum vorliegen musste. Ich hatte schließlich zu tun, mein weißes Glühen war der beste Beweis dafür. Ich sollte mich nicht im Zimmer eines Menschen aufhalten, ich sollte in der Reinigung sein und hartnäckige Flecken entfernen.
Etwas berührte mich an meinem mittleren Teil, von dem meine acht Beinchen abgingen. Ich schätze, man könnte es als meinen Körper bezeichnen. Etwas blieb darauf kleben.
Aber ich konnte nicht hinsehen, die Kameras, mit denen ich mich orientierte, waren auf der anderen Seite angebracht. Etwas missmutig geworden, weil ich hier so unnötig aufgehalten wurde, fuhr ich die Kameras aus und warf einen Blick auf meinen Rücken.
Auf meinem metallenen Körper waren zwei ovale Plastikstücke angebracht worden, in denen ein kleineres, schwarzes Plastikplättchen bei jeder meiner Bewegungen hin und her rutschte. Ich versuchte, sie aus mehreren Winkeln zu betrachten, und musste dann feststellen, dass ich mich um meine eigene Achse drehte.
Beschämt hielt ich inne.
„Oh, da sind deine Augen?"
Das erste Mal schenkte ich Kira wirklich meine Aufmerksamkeit. Konnte es sein, dass sie die ganze Zeit mit mir geredet hatte?
„Warum hast du dich mit dem Rücken zu mir gedreht, als ich dich danach gefragt habe?", wollte sie vorwurfsvoll wissen, dann griff sie schon wieder nach meinem Körper und brachte die Plastikovale am anderen Ende meines Körpers an, sodass sie direkt über meinen Kameraöffnungen saßen.
„Man nennt sie Wackelaugen", erklärte Kira mir fröhlich. „Aber ich nenne sie meistens Blubbies. Oder Blobbs. Ich schätze, das wäre doch eigentlich ein ganz guter Name für dich, oder? Wenn du keinen eigenen hast."
Blobb? Sie wollte mir einen Namen geben und nannte mich ... Blobb? Ich war mir in dem Moment nicht sicher, ob ich davon irritierter war oder von der Tatsache, dass sie mir zwei Plastikaugen auf den Körper geklebt hatte – und zuerst an die Stelle, die bei einem Menschen das Gesäß gewesen wäre.
Auch wenn die Aufforderung, dass ich mich an der Reinigung einzufinden hatte, und das schleunigst, eigentlich noch immer durch meinen Kopf pochte, verharrte ich wie angewachsen an der Stelle. Was sollte ich tun?
„Möchtest du das Schiff aus einer anderen Perspektive sehen, Blobb?", fragte Kira dann. Zum wiederholten Male ergriff sie mich und – und und – und sie hob mich auf ihre Schulter.
Das war nicht gut. Das war ganz und gar nicht gut. Das war das war das war völlig anders, als es sein sollte. Und endlich erinnerte ich mich daran, was ich tun sollte.
So schnell ich konnte, krabbelte ich ihren Arm wieder herunter, raste über die federnde weiße Oberfläche, auf die ich gefallen war, und flitzte dann die Wand hoch und durch den Lüftungsschacht, um möglichst schnell möglichst viel Distanz zwischen mich und den seltsamen Menschen zu bringen. Das war einfach nur unheimlich gewesen.
So schnell wie noch nie horchte ich endlich auf das, was meine weiße Farbe mir die ganze Zeit schon hatte sagen wollen, und machte mich zurück an meine Arbeit.
Ich bin ein Roboter, vergessen kann ich nicht. Aber glaubt mir, wenn ich euch sage, dass ich dieses Ereignis so schnell so weit wie möglich unter anderen Erinnerungen und Arbeitsweisen begraben wollte.
Wenn ihr mir das glaubt – wovon ich ausgehe – dann glaubt ihr mir vielleicht auch, dass das absolut nicht funktioniert hat.
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Die Sterne über uns
Science FictionEs ist ein einsames Leben, das ich als Teil eines Schiff-Immunsystems geführt habe. Aber wenn es die tägliche Aufgabe ist, die letzten verbliebenen Menschen am Leben zu halten, fühlt es sich nicht einsam an. Jedenfalls nicht, bis ... ja, jedenfalls...