Mit einem Geräusch, als würde die Luft durch einen Schlag aus ihnen herausgezwungen werden, weichen Kira und Fred zurück in den Raum.
„Guten Abend", sagt Mercator kalt. Er tritt in den Bereich, den Kira und Fred freigegeben haben, und schließt die Tür hinter sich. Es zischt und ein Klicken ist zu hören. „Habt ihr gefunden, wonach ihr gesucht habt?"
Seine Stimme ist ebenfalls kalt, erkenne ich jetzt. Ich kann gerade noch seine schwarz glänzenden Schuhe sehen, die auf Kira und Fred – und damit auch auf mich – zukommen, dann schließt Kira vorsichtig die Faust um mich und ich sitze in der Dunkelheit. Nun, fast in der Dunkelheit, sie wird etwas erhellt durch mein unverändertes blaues Leuchten.
Doch Mercators Stimme dringt nach wie vor an meine Mikrofone.
„Sie sind Mechaniker, Sandvoss, kein Informatiker."
Ich brauche eine Weile, bis mir klar wird, dass er von Fred spricht, nur mit dem anderen Namen, den, den Menschen verwenden, wenn sie sich nicht so gut kennen.
„Ein so plumper Versuch, meine Sicherheitsmechanismen außer Kraft zu setzen, ist mir schon länger nicht mehr untergekommen."
Kira bewegt sich unruhig, aber das ändert nichts daran, dass ich nur mein eigenes stetiges Leuchten sehen kann.
„Da überrascht es mich, was Sie bis hierhin zustande gebracht haben." Mercator macht eine kurze Pause. „Und Sie, Bloomberg, wie haben Sie ihn auf Ihre Seite gezogen?"
„Ich weiß nicht, was Sie meinen." Kira spricht wieder schnell, aber da ist keine Unsicherheit in ihrer Stimme.
„Zeigen Sie mir, was Sie da in der Hand haben."
„Vorher landet meine Hand in Ihrem Gesicht."
Das ist eine Drohung, die so direkt ist, wie ich sie noch von keinem Menschen gehört habe – und schon gar nicht von Kira. Sie will doch sonst niemandem etwas zuleide tun.
„Ich glaube, Sie verstehen noch nicht, in welcher Situation Sie hier sind. Sie sind bei mir eingebrochen und ich habe Hinweise darauf, dass Sie einen Roboter verbergen, der versucht hat, einen Mord zu begehen."
„Dann erklären Sie doch genau das einmal!", hält Kira dagegen. Sie baut die Worte wie eine Sicherheitstür zwischen Mercator sowie Fred und sich selbst auf, als könnte sie ihn so zurückhalten.
Aber Mercators Stimme ist unverändert nah und Kira ist noch immer in Bewegung.
„Ich hatte gehofft, dass Sie das tun könnten."
„Halten Sie Ihre Griffel weg von mir!" Eine Erschütterung geht durch Kiras Faust.
„Wir wissen doch schon alles", sagt Fred und seine Stimme ist bei weitem nicht so sicher wie die von Kira. „Haben Sie doch wenigstens den Anstand, uns zu erklären, was Sie vorhaben! Wollen Sie sich als der Herrscher der Menschheit aufschwingen?"
Kurz hören die Erschütterungen an Kiras Hand auf.
„Was auch immer Sie hier für einen Blödsinn verzapfen, Sandvoss –"
„Sie sind doch derjenige, der die Farbbedeutungen für die Lemminge gelöscht hat!"
Wieder eine Pause. „Ich habe unerfreuliche Nachrichten für Sie. Mit Ihnen wurde gespielt."
Die Erschütterung beginnt wieder, bis Kiras Hand sich öffnet und Licht auf mich fällt. Mercators kantiges Gesicht schwebt über mir und es gibt keinen Ort, an dem ich mich vor ihm verstecken könnte.
„Haben Sie diesen Lemming schon einmal gesehen?"
„Das ist Bl- das ist der Lemming, der mich angegriffen hat", sagt Fred kühl. „Was soll die Nachfrage?"
Für einen Augenblick ist Mercators Gesicht noch härter und unbeweglicher als normalerweise, dann richtet er sich wieder auf.
„Und was denken Sie, Sandvoss, wie ist dieser Lemming in den Besitz Ihrer Freundin hier gekommen?"
Er hebt die Hand und jetzt erst sehe ich, dass er Kiras Handgelenk fest umklammert hält. Freds Blick indes zuckt zu Kira. „Das war ein Zufall."
„Das ist richtig", bekräftigt Kira Freds Aussage, aber ich habe den Eindruck, dass sie ihrer Stimme nicht den Ton geben kann, den sie eigentlich anvisiert hat. Stattdessen ist da zu viel Luft in ihrer Stimme und zu wenig Klang.
„Und das ist eine sehr angenehme Erklärung, da der Lemming sich nicht dazu äußern kann." Mercators Mund weist nun nicht mehr nach unten, sondern ist in eine gerade Linie gezogen, und ich frage mich, ob das seine Annäherung als die freundliche Geste ist, die Menschen sonst mit ihrem Mund machen.
„Warum sagen Sie mir nicht, mit wem Sie in Kontakt stehen, um aus diesem Winzroboter eine Tötungsmaschine zu machen?", fragt Mercator und die Andeutung der freundlichen Geste ist von seinem Gesicht verschwunden. „Denn dass noch jemand involviert sein muss, erscheint mir offensichtlich, Bloomberg. Wie man mir sagte, sind Sie Künstlerin. Von Programmierung dürften Sie also nichts verstehen."
„Ich bin Architektin!", widerspricht Kira und es erscheint mir so widersinnig, dass sie gerade jetzt darauf hinweisen muss, wo Mercator doch diesen furchtbaren Vorwurf ausgesprochen hat. „Und ich habe nichts damit zu tun!"
„Der Roboter hat also nicht begonnen, blau zu leuchten, nachdem Sie zufällig auf ihn getroffen sind?"
Kiras Mund klappt zu, während Fred seinen öffnet.
„Ich habe die Logdaten des Lemmings verfolgt, der sich in Sandvoss' Labor aufgehalten hat", fährt Mercator fort. „Und er scheint tatsächlich durch eine Fehlfunktion zufällig in Ihrer Kabine gelandet zu sein. Aber zu diesem Zeitpunkt hat er noch nicht blau geleuchtet, dazu kam es erst später."
Er schüttelt Kiras Hand und ich kann mich nicht mehr halten. Ich rutsche Kiras Arm hinunter und werde, bevor ich auf ihre Schulter treffen kann, mit einem Ruck gebremst. Das dünne Seil, das sie um meinen Körper geschlungen hat und das mich mit ihrer Hand verbindet, hat sich gestrafft, und sorgt dafür, dass ich jetzt in der Luft baumele, ohne Schutz und ohne Möglichkeit, wieder festen Untergrund unter meine Beinchen zu bekommen.
Natürlich kümmert Mercator sich nicht um mein Problem. „Ab diesem späteren Zeitpunkt hat der Lemming Sie noch einmal zielgerichtet aufgesucht, Sie haben ihn mit dem Schiffs-Layout vertraut gemacht und danach ist er bei Ahmad und mir eingebrochen, hat ein geheimes Gespräch belauscht und ist von dort aus zu Sandvoss geeilt, um ihn umzubringen. Erklären Sie mir das."
„Ich –" Kira, die sonst immer etwas zu sagen hat, bringt keinen vollständigen Satz heraus. Sowohl Mercators als auch Freds Blick ist unbewegt auf sie gerichtet und sie muss eine Erklärung liefern.
Und das allererste Mal frage ich mich, ob es diese Erklärung vielleicht tatsächlich gibt.
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Die Sterne über uns
Science FictionEs ist ein einsames Leben, das ich als Teil eines Schiff-Immunsystems geführt habe. Aber wenn es die tägliche Aufgabe ist, die letzten verbliebenen Menschen am Leben zu halten, fühlt es sich nicht einsam an. Jedenfalls nicht, bis ... ja, jedenfalls...