Kapitel 3 - Libertas

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Als Kiana an diesem Nachmittag das Atrium betrat, legte sich ein leises Raunen wie ein sanfter Schleier über die Anwesenden. Rebekka hatte ihre Haare zu einem kunstvollen Muster aus Zöpfen verwoben, die wie ein filigranes Kunstwerk auf ihrem Haupt ruhte. Der teure Haarschmuck, den ihre Freundin meisterhaft eingearbeitet hatte, bestand aus goldenen Fäden und kleinen Perlen, die anmutig in Kianas honigblondem Haar verschwanden. Mit ihren geschickten Händen hatte Rebekka zudem Kianas Augen so betont, dass sie gleichzeitig elegant und verführerisch wirkten. Ihre Lippen waren in einem betörenden Rotton gehalten und die Delfinkette, die sie einst von Marcus in Gallien geschenkt bekommen hatte, zierte stolz ihren Hals. Die goldenen Armbänder, die stilvoll an ihrem Handgelenk glänzten, vervollständigten ihre gesamte Erscheinung perfekt.

Kianas tiefblaues Kleid, aus kostbarer Seide gefertigt, betonte zudem nicht nur ihre Augen, sondern auch ihren gerundeten Bauch. Die Farbe des Gewandes harmonierte meisterhaft mit ihrem Teint und verströmte eine Aura aus Anmut und Eleganz. Als sie auf Marcus zutrat, schritt sie nicht wie eine einfache Sklavin, sondern wie eine Frau, die in ihrer Pracht einer römischen Matrona glich.

«Du übertreibst heute maßlos, weißt du das?», neckte Kiana ihren Geliebten, während sie die Hand ergriff, die er ihr entgegen streckte. «Du hättest mir kein so teures Kleid schenken müssen.»

Aber Marcus lachte nur, küsste zärtlich ihren Handrücken und entgegnete: «Doch Liebste, das war nötig. Du wirst schon sehen.»

Ein Lächeln umspielte Kianas Mundwinkel. Marcus hatte noch nie gegeizt, wenn es um schöne Geschenke ging, allerdings übertraf das Kleid alles, was er ihr bisher geschenkt hatte. Selbst in ihrem früheren Leben in Gallien hatte sie nie so teure Kleidung getragen. Ihr Stamm war zwar nicht arm, doch Marcus' Reichtum nach seinem Sieg gegen Sextus Pompeius war wahrlich beeindruckend.

«Du siehst wunderschön aus», setzte Marcus noch nach. «Wie die Göttin Aphrodite selbst.» Kiana lachte und erwiderte, dass er beten sollte, dass die Göttin das nicht gehört habe.

Galant führte Marcus Kiana in den Hof, wo bereits seine prächtige Sänfte erwartungsvoll bereitstand. Die Sänfte selbst war ein wahres Kunstwerk. Ihr hölzerner Rahmen war mit vergoldeten Verzierungen geschmückt, die im Sonnenlicht funkelten.

Marcus half Kiana behutsam beim Einsteigen, bevor er sich neben sie in die weichen, gepolsterten Kissen legte, die mit kostbaren Stoffen bezogen waren und die in lebendigen Farben schimmerten.

Mit einer eleganten Geste gab Marcus den Trägern das Signal und augenblicklich setzte sich die Sänfte in Bewegung. Die Träger bewegten sich synchron und trugen die Sänfte mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit durch den Hof.

Während die Sklaven sie so durch die römischen Straßen trugen und zur Villa der Livia am äußersten Stadtrand Roms, der Prima Porta, ansteuerten, spürte Kiana die sanften Erschütterungen. Durch die dichten Vorhänge wagte sie immer wieder einen Blick nach draußen. Die Nachmittagssonne warf schräg ihr warmes, goldenes Licht durch die vielen Bogengänge der insulae, während sich der Himmel in einem klaren Blau präsentierte. Das Murmeln der Menschenmengen, das Klappern von Sandalen auf dem Steinpflaster und das ferne Rauschen von Fontänen in den Innenhöfen durchdrangen die Luft. Die meisten Geschäfte der Stadt waren zu dieser Tageszeit bereits geschlossen.

Am Ende des Bogengangs konnte im grellen Gegenlicht der Sonne Kiana die feinen Umrisse einer Gruppe von Menschen ausmachen. Es handelte sich offenbar um einen dominus mit seiner Gattin und ein paar Sklaven. Gerade den dominus konnte Kiana leicht an seiner weiten Toga erkennen. Ein Vorrecht, dass nur freien römischen Bürgern zustand. Im Gegensatz zu Marcus und ihr stiegen der Mann und die Frau in getrennte Sänften ein. Die palla, die den Kopf der Frau bedeckte, wirkte im Sonnenlicht fast durchsichtig. Dazu blitzte eine Brosche auf. Kiana vermutete, dass auch sie sich auf den Weg zu einem der vielen Abendessen machten, die ihre soziale Stellung in der Stadt mit sich brachten. Sie konnte noch sehen, wie die Sklaven, bis auf einen, der sich mit einer Lampe auf den Bürgersteig setzte, zurück in das große Wohnhaus gingen, ehe ihre eigenen Träger in eine neue Seitenstraße einbogen. Der schwere Geruch von Rauch lag in der Luft, ein sicheres Anzeichen dafür, dass überall Holzkohlebecken angezündet wurden, um das Abendessen vorzubereiten. Dazwischen mischten sich die Aromen von den Gewürzen von den nahegelegenen Marktständen. Auch die Menschenmassen in der Stadt waren so dicht, dass ihre Träger nur schwer vorankamen. Kiana schloss die Vorhänge wieder, da durch den Rauchschleier ihre Augen zu Tränen begonnen hatten und ein Hustenreiz sie durchzuckte.

Römische Verhältnisse - Das Schicksal RomsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt