Irgendetwas ist anders. Mal abgesehen davon, dass mir schwindlig und sogar ein klein wenig übel ist. Aber noch während ich materialisiere, fühle ich, dass etwas nicht stimmt. Es dauert eine Nanosekunde, bis die Neuronenweiterleitung bis zu meinem Gehirn richtig funktioniert. Dann aber strömen gleich mehrere Inputs auf mich ein. Oder heißt es dann: in mich ein?
Ich starre auf zwei mir unbekannte Männer, wahrscheinlich die technischen Wissenschaftler, die mich hergeholt haben, und meine Eltern. Sie starren zu mir zurück. Das ist Input Nummer eins. Es gibt keine erleichterte Umarmung. Keine Willkommensrufe. Sie bleiben einfach stehen, als wären sie zu Robotern in der Erholungssequenz mutiert.
Mir ist immer noch kalt. Das gilt nicht als Input Nummer zwei, denn das weiß ich längst. Der zweite Input ist der fehlende Juckreiz. Es gibt an meinem kompletten Körper keinerlei kribbelndes, juckendes Gefühl mehr! Und außerdem – das zähle ich auch noch zu Input Nummer zwei – ist der brennende Schmerz der aufgekratzten roten Pünktchen weg. Komplett weg. Als hätte ich mir das alles nur eingebildet.
Das wiederum bringt mich dazu, meinen Blick nach unten zu senken auf meine Unterarme und die Hände. Und das beschert mir Input Nummer drei: Ich leuchte blau.
Ich leuchte blau.
Bestätigt wird meine widersinnige Erkenntnis durch das erschrockene Keuchen meiner Eltern, die fast zeitgleich ausrufen: „Astron, du leuchtest blau!" Gefolgt von den fassungslos gestammelten Worten der Techniker: „Wa-warum leuchtet er b-blau?"
Ja, das wüsste ich auch gern.
Leider kommt nun Input Nummer vier zum Zug, was in gewisser Weise auch ein Output ist. Denn mit einem Mal ist mir so übel, dass die vorverdauten Nahrungsreste der letzten Mahlzeiten den Weg nach draußen finden. Und weil es hier im Teleporterraum keine Spuckbehälter gibt, geht gleich der Alarm an wegen Verunreinigung der Bodenfläche mit nicht identifizierten Teilchen.
Um es dir ganz plastisch zu beschreiben: Da steht ein kotzender, blau leuchtender Teenager barfuß in einem High-Tech-Raum voller Schaltpulte und Elektronik und wird von vier Personen angestarrt. Und niemand kommt ihm zu Hilfe. Stattdessen ertönt ein durchdringender Alarm.
Zusätzlich surrt jetzt noch eine Schutzwand hoch, die mich hermetisch einschließt. Oder aber die anderen ausschließt. Also hat das Gesundheitssystem der Botschaft erkannt, dass ich unter Umständen eine ansteckende Krankheit habe und alle kontaminieren könnte. Dabei ist mir nur das Beamen nicht bekommen. Nach all der schlechten Luft auf der Erde ist das kein Wunder. Das hat ja nichts mit einer ansteckenden Krankheit zu tun, vor der man nun alle schützen müsste. Der Meinung bin ich zumindest. Aber sowohl der Botschafts-Computer als auch die Botschafts-Angehörigen sind da wohl anderer Meinung.
Glaubst du mir, dass ich in diesem Moment froh bin, dass die zwei Techniker das nicht schon vor dem Beamen geahnt haben? Also das mit der eventuell-vielleicht-möglicherweise Krankheit? Lieber stecke ich in der Botschaft in Quarantäne, als dass ich im Nieselregen in Mainz auf dem Boden schlafen muss. Obwohl sie mich da gar nicht hätten lassen dürfen, wenn sie glauben, dass ich irgendeine Krankheit habe. Fällt mir gerade so ein. Meine biometrischen Daten stimmen nicht mit herkömmlichen Terranern überein. Die würden mich sofort in ein Alien-Labor stecken, sobald sie herausfinden, dass ich ein außerirdisches Lebewesen bin.
Ach, was mache ich mir für sinnlose Gedanken? Ich bin in der Botschaft in Chile und sicher. Hier kann mir nichts passieren. Ich kann endlich aufhören, mir wegen jeder Kleinigkeit Sorgen zu machen.
Aber leider ist es nicht so leicht, wie ich mir erhofft habe. Immerhin stecke ich auf der Seite des Quarantäneraumes, wo die Kotze am Boden klebt. Sonderlich appetitlich ist das nun nicht. Und weil mir noch immer kalt ist und etwas schwindlig, setze ich mich ganz dicht an die Wand und ganz weit weg von meinem Erbrochenen. Ich hoffe, dass die eine Lösung finden, wie sie hier drinnen sauber machen. Ein Bett wäre auch nicht schlecht. Ich bin nämlich echt total fertig. Wenn ich noch genauer nachdenke, dann habe ich auch Hunger. In meinem Magen ist jetzt richtig viel Platz. Außerdem könnten sie langsam aufhören, mich wie ein Weltraumrelikt anzustarren.
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Astron der Sternenreisende - LESEPROBE
Science-FictionLESEPROBE Wir schreiben das Jahr 2252. Astron verbringt einen Tag auf der Erde, um dort Studien vor Ort durchzuführen. Doch als er zurückgebeamt werden soll, gibt es unerwartete atmosphärische Störungen. Nur über Umwegen gelingt es Wissenschaftlern...