Kapitel 12

112 14 31
                                    

Ganz entgegen ihrer Erwartung erschien Makhah nicht am nächsten Morgen und zwang sie zum Reitunterricht. Stattdessen überbrachte Sabah ihr die Nachricht, dass er sie aber zum Frühstück und Abendessen erwartete. Ansonsten durfte sie sich frei bewegen.

Die Zeit nutzte Khione, sich zu erholen. Von seiner Schwester wurde sie mit Büchern aus der Bibliothek verwöhnt. Zu ihrem Entzücken waren sie in ihrer Sprache, weshalb sie eins nach dem anderen verschlang. Khione war dankbar, dass ihr in frühen Jahren Lesen und Schreiben beigebracht worden war. Leider hatte sie nie die Möglichkeit bekommen, ihr Wissen anzuwenden.

Sabah kümmerte sich täglich um ihr ausgiebiges Bad und um die Behandlung von Khiones Wunden. Dazu nutzte sie Pahras Salben. Seit ihrer Ankunft hatte sie die Heilerin nicht mehr gesehen, aber Khione genoss die Ruhe, die ihr zur Verfügung stand.

Selbst das gemeinsame, meist stille Mahl mit Makhah ertrug sie mit nach außen hin stoischer Gleichmut, dabei war sie innerlich stets angespannt und wünschte sich zurück aufs Zimmer. Er schien kein Interesse an einem Gespräch zu haben, weshalb Khione ebenfalls schwieg und sich ganz auf das Essen konzentrierte. Warum sollte sie überhaupt mit ihm speisen, wenn er stumm blieb? Ihr fiel oft auf, wie er sie beobachtete.

Schon nach wenigen Tagen war Khione in der Lage, wieder ohne Schmerzen zu laufen. Zwar trug sie Verbände, doch die Heilung ging vonstatten und als sie eines Nachmittags mit einem Buch auf ihrem Schoß an der Balkontür saß, klopfte es.

„Herein?", rief sie und legte die Feder zwischen die Seiten, um später problemlos die Stelle wiederzufinden. Sie erwartete Sabah mit Handtüchern, doch Makhah trat ein und musterte sie von oben bis unten.

„Wie geht es dir?", fragte er, blieb jedoch an der Tür stehen.

„Besser. Sabah meinte, dass sie heute Abend die Verbände weglassen wird", sagte sie mit einem Fingerzeig auf ihre Füße. Es fiel ihr schwer, mit Makhah ungezwungen zu reden. Sein meist grimmiges Gesicht schüchterte sie stets ein. „Kann ich dir helfen?", fragte Khione höflich.

„Da es dir besser geht, fangen wir morgen mit dem Reitunterricht an", erklärte das Oberhaupt kühl.

Innerlich stöhnte Khione und sie schnaubte. „Bist du dir sicher, dass ich reiten lernen soll?", wollte sie spöttisch wissen. „Hast du nicht Angst, dass ich dadurch fliehe?"

Makhah zog seine Augenbrauen zusammen und sein finsterer Blick ließ Khione schlucken. Ihr war bewusst, dass sie mit dem Feuer spielte.

„Wenn du wirklich über Verstand verfügst, dann wirst du die Antwort selbst herausfinden", presste er zwischen den Zähnen hervor.

Leise seufzend wandte Khione den Blick ab und überlegte, ob sie ihre Annahme preisgeben sollte oder nicht, aber es lag ihr fern, Makhah unnötig zu reizen. „So viel ich darüber nachdenken, ich verstehe es nicht, Makhah", flüsterte sie.

Das Oberhaupt verschränkte seine Arme vor der Brust und sie bemerkte, wie er ein Augenrollen unterdrückte. Sicher hielt er sie für dumm. „Was denkst du, ist der Grund?", erkundigte er sich, wobei er auffordernd klang.

„Ich ...", fing Khione an und suchte nach Worten, die einen sinnvollen Satz ergaben. „Ich denke, dass ich dazu verdammt bin, mein Leben in den Burgmauern zu verbringen. Eingesperrt und jederzeit bereit, dir zu dienen. Daher verstehe ich nicht, warum ich reiten lernen soll, wenn es naheliegt, dass ich dadurch leichter fliehen kann."

Sekundenlang sah Makhah sie schweigend an, ehe er sich auf dem Sessel ihr gegenüber niederließ. „Keineswegs, Khione", sagte er. „Jeder lernt das Reiten. Es ist ein essenzieller Bestandteil, der schon von klein auf beigebracht wird", erklärte Makhah und fügte hinzu, dass sie nicht eingesperrt sei. „Als Teil des Terikan ist es deine Pflicht, es zu lernen. Oder willst du in Zukunft alles zu Fuß bewältigen?"

Khione - Gefährtin des stolzen KriegersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt