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Am Tag vor dem Gestrigen sah ich dich zum ersten Mal.

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Meine Haare in einem dicken, dunkelbraunen Zopf gebunden - von feinem goldenen Satin geziert - und über meine rechte Schulter fallend.

Das weiße, von hellblauen Blumen bestickte Kleid, das ich mir für diesen Abend zurechtgelegt - für dich zurechtgelegt - habe, schmiegt sich um meine zierliche Figur und wartet darauf, auf deine Augen zu treffen.

Und so stehe ich vor dem kleinen friaulischen Lokal - summe leise meine Lieblingslieder vor mich hin - und bewundere den klaren Nachthimmel.

Funkelnde Sternchen kommen hier und da zum Vorschein und umrunden den hellen Sichelmond.

Ich versuche vergebens eine Form; ein Schema darin zu erkennen.
Versuche mich daran, die Zuordnung der strahlenden Himmelskörper wahrzunehmen und Sternbilder zu lesen, doch scheitere.

Lächelnd denke ich an mein Horoskop zurück, das ich mir jeden Morgen durchlese und hinterfrage, woran ich wirklich glaube - was ich davon wirklich glauben kann.

Wenn du die Chance wahrst und nicht achtlos daran vorbeigehst, siehst du die schönen, genießerischen Seiten des Lebens.

"Entschuldigung", räuspert sich eine Stimme neben mir, ,,Sind Sie Grace?"

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Die Art, wie du meinen Namen aussprachst, lässt mich heute noch schmunzeln.

Und ganz vielleicht, kannst du mir die Türen öffnen - die Türen zu den genießerischen Seiten des Lebens.
Vielleicht kann ich durch dich an sie glauben.

Und so sah ich dich am Tag vor dem Gestrigen -

Ich sah einen charmanten jungen Mann, mit aprikot-farbenen Lilien in der Hand.
Ich sah ein beiges Hemd, das unter dem Bund deiner dunkelblauen Hose verschwand und sich leger unter dem gleichfarbenen Mantel versteckte.
Ich sah Freundlichkeit und Harmonie und das Wissen, diesen Abend nicht wieder vergessen zu werden.

- sah dich zum ersten Mal.

der tag vor dem gestrigenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt