Teil 2

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Musik dient zur Konzentration und Motivation


Die Zeremonie am Grab meiner Eltern verlief still und traurig. Als wir uns von ihren Gräbern verabschiedeten, spürte ich eine Mischung aus Trauer, Schuldgefühlen und der unerbittlichen Last meiner Geheimnisse. Emre und Batuhan umarmten mich fest, und ich versuchte, ihre Wärme und Zuneigung zu erwidern, obwohl ich wusste, dass ich sie belog.

Der Weg nach Hause war still. Meine Gedanken rasten, und ich konnte den Blicken meiner Brüder und Emre nicht standhalten. Ich fühlte mich wie ein Betrüger, der hinter einer Fassade der Stärke und Normalität verborgen war.Als wir zu Hause ankamen, setzten wir uns ins Wohnzimmer, um gemeinsam zu trauern und uns an unsere Eltern zu erinnern. Doch in mir tobte ein Sturm aus Schuldgefühlen und Verzweiflung. Ich wusste, dass ich Hilfe brauchte, aber der Gedanke, meine Schwäche einzugestehen, erschreckte mich zutiefst.


Emre sah mich mit besorgten Augen an und legte sanft eine Hand auf meine Schulter. "Bist du okay, Mariam?", fragte er leise.Ich schluckte schwer und zwang mich zu einem schwachen Lächeln. "Ja, ich bin in Ordnung", log ich, obwohl ich wusste, dass meine Worte hohl klangen.In diesem Moment sehnte ich mich nach Erlösung, nach jemandem, der mich retten konnte vor dem Sog der Drogen und der Dunkelheit, die mich umhüllte. Aber ich wagte es nicht, um Hilfe zu bitten, aus Angst vor der Wahrheit und vor der möglichen Enttäuschung meiner Liebsten.Und so verharrte ich in meinem Schweigen, gefangen in einem Strudel aus Schmerz und Geheimnissen, während ich weiterhin den Anschein der Normalität aufrechterhielt, um diejenigen zu schützen, die ich liebte.


Die Tage vergingen, und der Schmerz über den Verlust meiner Eltern wurde nicht leichter. Im Gegenteil, er schien sich mit jedem Tag tiefer in mein Herz zu graben. Die Drogen boten mir vorübergehende Erleichterung, doch sie waren nur ein trügerischer Trost, der mich letztendlich noch weiter von der Realität entfernte.Meine Beziehung zu Emre und Batuhan begann unter der Last meiner Geheimnisse zu leiden. Immer öfter zog ich mich zurück, fand Ausreden, um allein zu sein, und lügte, um meine Sucht zu verbergen. Doch trotz meiner Bemühungen konnten sie meine Veränderung nicht ignorieren.Emre sprach mich eines Abends an, als wir alleine im Wohnzimmer saßen. Seine Augen durchbohrten mich mit Sorge und Mitgefühl, als er mich direkt ansprach. "Mariam, ich mache mir Sorgen um dich", begann er leise. "Ich habe gemerkt, dass etwas nicht stimmt. Bitte, sag mir, was los ist. Du kannst mir alles sagen."


Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, als ich den Schmerz in seinen Augen sah. Ein Teil von mir sehnte sich danach, die Wahrheit zu gestehen, um endlich die Last meiner Geheimnisse loszuwerden. Aber die Angst hielt mich zurück, und so schüttelte ich den Kopf und log erneut. "Es ist nichts, Emre, wirklich. Ich bin nur ein wenig müde."Seine Miene verdüsterte sich, und ich konnte sehen, dass er meine Lügen durchschaute. Doch er ließ es dabei bewenden und zwang mich nicht weiter. Stattdessen legte er sanft eine Hand auf meine und sagte: "Wenn du jemals bereit bist, darüber zu sprechen, bin ich hier für dich. Du bist nicht allein, Mariam."Seine Worte trafen mich mitten ins Herz, und für einen Moment fühlte ich mich von einem Funken Hoffnung ergriffen. Vielleicht gab es einen Weg aus diesem dunklen Labyrinth, vielleicht gab es doch eine Möglichkeit, mich von meiner Last zu befreien.Aber bis dahin blieb ich gefangen in meinem Schweigen, in meiner Angst und meiner Einsamkeit, während die Dämonen der Sucht unaufhörlich an mir zerrten. Und ich betete still, dass ich den Mut finden würde, den ersten Schritt auf dem Weg der Heilung zu gehen, bevor es zu spät war.


Die Tage zogen weiter ins Land, und der Druck, den ich verspürte, wurde immer erdrückender. Jedes Mal, wenn ich die Drogen konsumierte, fühlte ich mich wie ein Verräter an meinen Eltern und an meiner Familie. Doch gleichzeitig war der Schmerz so überwältigend, dass ich keine andere Möglichkeit sah, damit umzugehen.Emre und Batuhan spürten, dass etwas nicht stimmte, aber sie respektierten meine Privatsphäre und drängten nicht weiter auf Antworten. Ihre Fürsorge und ihre Geduld berührten mich zutiefst, aber gleichzeitig verstärkten sie auch meine Schuldgefühle.Eine besondere Begegnung an einem regnerischen Nachmittag sollte jedoch alles verändern. Ich hatte mich zurückgezogen und saß allein in meinem Zimmer, als plötzlich ein Klopfen an der Tür erklang. Zögernd stand ich auf und öffnete, und vor mir stand Emre, der mit ernstem Gesichtsausdruck in mein Zimmer trat.


"Kann ich reinkommen?", fragte er leise. Ich nickte stumm und ließ ihn herein. Sein Blick durchdrang mich, und ich spürte, wie die Worte in meiner Kehle steckenblieben. Emre setzte sich auf mein Bett und sah mich eindringlich an."Ich weiß, dass etwas mit dir nicht stimmt, Mariam", begann er ruhig. "Und ich kann nicht länger einfach nur zusehen. Bitte, sag mir, was los ist. Du kannst mir vertrauen."Seine Worte trafen mich wie ein Blitz, und plötzlich brach alles aus mir heraus. Die Tränen, die ich so lange zurückgehalten hatte, strömten unaufhaltsam über meine Wangen, und ich erzählte ihm alles. Von meiner Sucht, meinen Ängsten, meiner Einsamkeit.Emre hörte mir geduldig zu, ohne zu unterbrechen. Als ich geendet hatte, umarmte er mich fest und flüsterte mir beruhigende Worte zu. "Du bist nicht allein, Mariam. Wir werden einen Weg durch all das finden, zusammen."


In seinen Armen fühlte ich mich zum ersten Mal seit langem verstanden und geborgen. Und während der Regen weiter gegen das Fenster prasselte, spürte ich einen Funken Hoffnung in meinem Herzen. Vielleicht gab es doch einen Weg aus diesem dunklen Labyrinth, einen Weg zurück ins Licht. Und mit Emre an meiner Seite würde ich den Mut finden, diesen Weg zu gehen.


Nachdem sich meine Tränen gelegt hatten und ich mich ein wenig beruhigt hatte, löste ich mich langsam aus der Umarmung von Emre. Sein besorgter Blick traf meinen, und ich wusste, dass ich ihm vertrauen konnte."Danke, Emre", flüsterte ich mit zitternder Stimme. "Fürs Zuhören und für deine Unterstützung. Aber bitte... Bitte sag es Batu nicht. Ich möchte nicht, dass er davon erfährt."Emre nickte verständnisvoll. "Ich verspreche es, Mariam. Es ist deine Entscheidung, und ich werde sie respektieren. Aber wir müssen einen Weg finden, um dir zu helfen, da bin ich mir sicher."


Ich atmete tief durch und spürte, wie eine Last von meinen Schultern fiel. Es war ein erster Schritt auf dem Weg zur Besserung, und ich war dankbar, dass ich nicht länger allein damit kämpfen musste.Gemeinsam mit Emre würde ich einen Weg finden, aus diesem dunklen Tal herauszukommen, und ich würde alles tun, um meine Familie und mich vor weiterem Schmerz zu schützen. Es würde nicht einfach werden, aber ich wusste, dass wir es schaffen konnten, solange wir zusammenhielten.

Verloren, in deinen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt