Julia

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Rückblick – Britannien 54 v. Chr.

Julia



Cornelia war tot, genau wie sein Sohn, der nie geatmet hatte. Dieses kleine reglose Bündel, das man der sterbenden Cornelia in die Arme gelegt hatte, während Caesar an ihrem Bett gesessen und ihr liebevoll über die schweißnassen Haare gestreichelt hatte. Sie hatte ihn erschöpft angelächelt, unendlich müde und traurig, während ihr Atem langsam schwerer geworden und sie in den ewigen Schlaf hinübergeglitten war. Erst da hatte er das Ausmaß des Blutes gesehen, welches inzwischen das komplette Bettlaken rot färbte und das mitfühlende Kopfschütteln der Hebamme, die an Cornelias Seite getreten war, um ihren immer langsamer werdenden Puls zu fühlen. Caesar hatte stumm neben Cornelia gesessen und ihre Hand gehalten, auch lange nachdem die Hebamme ihm ihr Beileid ausgesprochen hatte. Er hatte noch immer ihre Präsenz gespürt und ihren Körper in den Armen gewiegt, bis sanfte Hände ihn versucht hatten, in die Realität zurückzuholen. Die Arme seiner Mutter Aurelia, die an diesem Tag genauso geweint hatte wie er, ganz entgegen ihrer strengen und beherrschten Art.

Doch Julias Weinen war das Entsetzlichste gewesen, das Weinen seiner siebenjährigen Tochter, die er nicht hatte trösten können. Seine Mutter Aurelia hatte das schließlich übernommen, die Großmutter, bei der Julia aufgewachsen war.

Julia. Caesars wunderbare Tochter, die Cornelia ihm geschenkt hatte, und die ihn mit so viel Freude und Stolz erfüllt hatte.

Caesars Hand verkrampfte sich um die Schriftrolle, die er soeben gelesen hatte und versuchte der Bilder Herr zu werden, die seinen Geist zu überfluten drohten.

Er war der Statthalter Galliens. Er führte eine Armee. Er befand sich im Krieg. Er durfte jetzt keine Gefühle zulassen, nichts was ihn ablenkte. Aber die Briefboten aus Rom hatten ihn gefunden, selbst hier in Britannien, auf dieser von den Göttern verlassenen Insel, die viele für einen Mythos aus dem Reich der Fabeln hielten! Die Botschaft hatte ihn erreicht, allerdings Monate zu spät!

Doch was hätte er tun können, wenn er in Rom gewesen wäre? Nichts. Genau wie damals. Im Geiste sah Caesar die lebenssprühenden, dunklen Augen seiner Tochter vor sich, die ihn so voller Freude angesehen hatten, als er sie im Haus ihres Mannes besuchte. Julia war glücklich mit Pompeius gewesen und sie hatte ihm einen Erben schenken wollen.

Wieder sah Caesar das blutdurchtränkte Geburtsbett vor sich und hörte Julias Weinen. Eine Erinnerung, die ihm auch nach all den Jahren mehr zusetzte als das geronnene Blut zehntausender Leichen auf den Schlachtfeldern Galliens.

Die Zeltplane wurde zurückgeschlagen und ein junger Offizier trat ein, um dem Feldherrn Bericht zu erstatten: „Imperator, die Späher sind gerade zurück und haben Barbaren gesichtet, die sich zu hunderten in den Wäldern versammeln."

„Gib mir einen Moment. Ich komme sofort!" Der Offizier salutierte und verschwand. Caesar sah nicht einmal auf. Ein kleiner Teil von ihm wunderte sich selbst, dass seine Stimme die gewohnte Sicherheit und Befehlsgewalt ausstrahlte. Diese überlegene Ruhe, die seine Männer an ihm bewunderten und die ihn dazu befähigte, kühl zu planen und in jeder noch so ausweglosen Situation den Sieg zu erringen. Auf dem Schlachtfeld bereitete ihm das keine Mühe. Noch einmal verkrampfte sich seine Hand um die Nachricht, die Pompeius ihm geschickt hatte. Dann ließ er sie los und schritt entschlossen zum Zelteingang.

Am Hof der Ptolemäer. Geschichten aus der Welt von Caesar & KleopatraWo Geschichten leben. Entdecke jetzt