Ihr Lieben,
Diese Geschichtensammlung entsteht momentan quasi als Nebenprodukt zu "Kleopatra – Das Lied der Pharaonen". Hier findet Ihr One-Shots und Gedanken zu den Charakteren, die in der Romanhandlung, die ja aus Kleopatras Perspektive in der ich-Form erzählt wird, nicht vorkommen.
Dieses erste Kapitel ist aus der Sicht von Kleopatras älterer Schwester Berenike geschrieben und spielt während der Regierungszeit von Kleopatras Vater Ptolemaios XII. (im Jahr 55. v. Chr.). Dieser Oneshot thematisiert ein Ereignis, dass Kleopatra sehr geprägt haben dürfte. Und vielleicht sollte ich hier eine Warnung aussprechen, denn es geht um ziemlich begründete Todesangst und ist vermutlich so oder so ähnlich passiert.Liebe Grüße,
Merit-ites....................................................................
Rückblick – Alexandria im April 55 v. Chr.
Berenike IV.
„Eine ägyptische Königin kennt keine Furcht! Eine ägyptische Königin kennt keine Furcht! Eine ägyptische Königin kennt keine Furcht!" Berenike wiederholte diesen Gedanken immer und immer wieder, bei jedem Herzschlag, sodass die Worte zusammen mit dem Blut in ihren Ohren rauschten und pulsierten. Und es gelang ihr, äußerlich gelassen zu bleiben, als Olympos ihr den Becher mit dem Gift reichte. „Ich habe viel Mohn in den Schierling gemischt. Ihr werdet keine Schmerzen haben, Prinzessin", versprach er. Die Stimme des Arztes klang ernst und eindringlich. ,Auch er wäre gerade lieber woanders, als hier im Thronsaal, wo das Urteil vollstreckt wird', erkannte Berenike mit einer merkwürdigen Klarheit. Und hinter ihm wartete bereits Athenagoras, der Leiter der Balsamierungsstätten. Sein Gesicht spiegelte die professionelle Trauermiene seines Standes. Berenike würde ein königliches Begräbnis erhalten, alles war bereits geregelt. Sie musste nur noch sterben. Sie alle mussten ihre Rolle spielen, bis zum Schluss. Der Pharao hatte es befohlen und sein Wort war Gesetz.
Berenikes Augen fixierten die ihres Vaters Ptolemaios Neos Dionysos, des Gottkönigs auf seinem Thron, der soeben ihr Todesurteil bestätigt hatte. Sein Ausdruck war wie aus Stein gemeißelt. Neben ihm saßen ihre beiden jüngeren Halbschwestern, die 14-jährige Kleopatra und die 11-jährige Arsinoe. Die Gesichter der Mädchen waren kreidebleich und ihre Augen vor Schrecken geweitet. Für die beiden Prinzessinnen sollte Berenikes Beispiel vermutlich als Warnung dienen.
Eine gespenstische Stille legte sich über den Saal. Die wenigen anwesenden Würdenträger hatten die Köpfe gesenkt und waren in tiefes Schweigen versunken.
Berenikes Puls donnerte in ihren Ohren. Sie könnte um Gnade flehen, sie könnte weinend vor ihrem Vater auf die Knie sinken und ihn um Vergebung bitten. Die Versuchung war groß, so groß. Aber es würde nichts nützen. Das wusste sie. Ihr Gnadengesuch war bereits abgelehnt worden und ein Herrscher konnte ein einmal bestätigtes Urteil nicht zurücknehmen. Nicht ohne das Gesicht zu verlieren. Das wusste sie. Das wusste sie, weil sie bis vor wenigen Tagen selbst auf diesem Thron gesessen hatte. Berenike hatte ihren Vater zum Staatsfeind erklärt und gegen ihn Krieg geführt. Doch ihr Vater hatte seinen Thron zurückerobert und mit Hilfe der römischen Legionen gesiegt. Und Berenikes geliebter Gemahl Archelaos war tot. Bei der Verteidigung Ägyptens gefallen. Archelaos...Wahrscheinlich war es ohnehin das Beste, ihm einfach in die andere Welt zu folgen. Das war besser als der Schmerz, den sie seit Tagen mit Alkohol versucht hatte zu betäuben, während sie eingesperrt in ihren Gemächern auf den Urteilsspruch gewartet hatte. Hin- und hergerissen zwischen Trauer und Wut, Hoffnung und Verzweiflung. Doch egal, wie ohnmächtig sie sich gerade fühlte, Berenike war eine Königin! Die älteste Tochter des Königs hatte alles riskiert, sie hatte nach der Krone gegriffen – und sie hatte das Spiel verloren. Das Einzige, was ihr noch blieb, war ihre Würde. „Eine ägyptische Königin kennt keine Furcht!"
Berenike würde als Königin sterben und nicht als Bittstellerin! Entschlossen griff sie nach dem Schirlingsbecher und sah ihrem Vater fest in die Augen bevor sie all ihren Mut sammelte und den Kelch leerte – bis zur bitteren Neige.
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Am Hof der Ptolemäer. Geschichten aus der Welt von Caesar & Kleopatra
Historia CortaErgänzend zu meinem Roman "Kleopatra - Das Lied der Pharaonen" gibt es hier eine Kurzgeschichtensammlung zu den Charakteren. In Form von One-Shots findet Ihr hier einige Episoden aus der Sicht von Arsinoe IV., Berenike IV., Charmion, Potheinos, Ta...