Mir geht es gut.
Mir wird es gut gehen.
Mir wird es - irgendwann – gut gehen.
Mir wird es gutgehen müssen.
Auch ohne dich.Ich kneife die Augen zusammen.
Dränge die Flut an Tränen weg, die sich in meinen Innenwinkeln ansammeln wollen.
Die Spitze des Kugelschreibers drückt aufs Papier. Hinterlässt einen marineblauen Punkt.
Es ist nicht der Erste und es wird weiß Gott nicht der Letzte sein.Eine mickrige Spur aus tintenbefleckten Punkten. Einige von ihnen kreisrund, andere formlos wie mein Gedankenwirrwarr.
Mit einer Gemeinsamkeit.
Sie alle zieren die vergilbten Seiten meines Notizbuches.In meinem Kopf echot die Stimme meines Therapeuten nach.
Sie ist Ekel erregend verständnisvoll, leise, sanftmütig, irgendwie falsch, obwohl sie richtig sein sollte.
Ich versuche, mich vor ihr zu verschließen, aber sie gellt in mir nach.
Ein hallendes Inferno der immerselben Predigt.
»Schreiben Sie es auf, Meadow. Beginnen Sie zu verarbeiten. Hören Sie auf zu verdrängen.«Aber ich verdränge.
Ich laufe davon.
Fliege davon.
Im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich sitze in einem Flieger.
In einer turbulent gesteuerten, kleinen Maschine, die mich über den Ozean hinweg, bis nach Griechenland bringt.Nun, zumindest hoffe ich das.
Die wilden Bewegungen, mit denen es durch die Lüfte schwingt, erzeugen eine gesäuerte Übelkeit in mir.Geistesgegenwärtig kratzt der Kugelschreiber über das Papier.
Ein wütender Tango aus Tinte auf Papier, das unter den aggressiven Bewegungen zu reißen beginnt.
Da ist so viel Fassungslosigkeit in mir.
Sie will mich. Will mich übermannen, mich ertränken. Aber bevor sie es schafft, ertränke ich mich lieber selbst.Ich öffne die Augen und fahre unbemerkt mit der Fingerspitze meinen unteren Wimpernkranz entlang. Eine einsame Träne kitzelt auf der empfindsamen Haut.
Ich puste sie weg und winke die Stewardess heran.
Ihr weiße Zähne bleckendes Lächeln ist eine Spur zu breit.
Ihr linkes Grübchen zuckt bei der Anstrengung, aufgesetzte Freundlichkeit zu versprühen.
»Könnte ich einen Wodka Sour bekommen?«, murmele ich und deute mit dem Kinn auf den leeren Pappbecher vor mir.Die krustenbraunen Reste angetrockneten Kaffeepulvers starren mir entgegen.
Bei dem Gedanken, diese Überbleibsel mit Wodka und Zitronensaft zu mischen, wird mir ganz übel.
Meine Befürchtung ist allerdings mehr als unbegründet.
Ich werde mit hundertprozentiger Sicherheit einen neuen Becher erhalten. Umweltschutz, ahoi.
»Sind Sie sicher? Wir landen gleich.«
Ihre Augenbrauen zucken merklich.
Sie versucht mit all der ihr zur Verfügung stehenden Macht, mich nicht wertend anzuschauen.
Doch ihre wachsamen Augen wissen ganz genau, wohin sie sehen müssen.Die dunklen Augenringe, die verschmierte Mascara, der nasse Film unter meiner Nase und an meiner Oberlippe.
Was denkt sie bloß?
Den etwas beleibteren Mann in der Reihe vor mir hat sie auch schon so beäugt, als er die vierte Ladung Käseflips geordert hat.
Entweder befürchtet sie, sie könnte einer Minderjährigen Alkohol ausschenken, weil ich so ätzend jung aussehe, oder sie schreckt einfach davor zurück, einer sichtlich traumatisierten Person, einen Drink zu mixen.
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𝐍𝐈𝐆𝐇𝐓𝐒 𝐎𝐅 𝐓𝐇𝐈𝐒𝐓𝐋𝐄 {𝘔𝘌𝘈𝘋𝘖𝘞 & 𝘒𝘏𝘈𝘖𝘚}
RomanceKhaos. Im Herzen, in meinen Gedanken, in meinem Leben. Khaos. Ein Mann, als bedeutungsloser Reiseführer erdacht, um in einer Provinz in Griechenland den Mann zu finden, an den meine Mutter in der Jugend ihr Herz verlor. Auf den Spuren ihrer Vergang...