"Auaaaa, ich hänge fest!"
"Oh, du bist in eine Kette hineingelaufen. Sieht lustig aus!"
"Haha, kannst du mir bitte mal helfen?"
"Wenn du schon so liebt fragst..."
"Aua!"
"Du musst aber schon stillhalten, Filzmatte!"
"He, mein Fell ist ordentlicher als deins, du Streunerin!"
"Als ob wir Streuner unser Fell nicht pflegen! Jetzt halt still, da hängt noch was fest."
"Genießt du es, jeden dieser Krallenhäken langsam aus meinem Fell zu ziehen?"
"Nein, warum? Tut das weh?"
"Nein, gaaar nicht..."
"Super."
"Das war ironisch gemeint!"
"Weiß ich. Jetzt halt endlich still...Soo, fertig."
"Wie sehe ich aus?"
"Wie wohl? Wie ein gerupftes Huhn, das dem Tod in der Suppenschüssel gerade so noch entkommen ist!"
"Ein was?"
"Ein Huhn. Ein Vogel, den die Menschen essen."
"Ach so."
"He, riechst du das auch? Es stinkt nach Harz, Auspuff und totem Baum!"
"Was bitte ist ein Auspuff?"
"Das ist das, was hinten aus den Aut- Monstern rauskommt, diese schwarzen, stinkenden Wolken."
"Aber hier riecht es doch überall so...Oh nein!"
"Was?"
"Die Zweibeiner haben einen riesigen Baum gefällt! Deshalb riecht es hier so!"
"Diese elenden Zweibeiner! Ist dir das schon aufgefallen? Sie denken so: Zuerst der Mensch - der Herrscher der Welt - dann die Tiere - irgendwas muss der Mensch ja beherrschen und essen - und dann die Pflanzen."
"Aber gibt es nicht auch Zweibeiner, die nur noch Pflanzen essen?"
"Ja, nur denken die nicht daran, dass auch Pflanzen leben! Sie maunzen zwar nicht und laufen tun sie auch selten, aber sie wachsen, ernähren sich und so. Und ohne sie würden wir nicht leben!"
"Was, echt?"
"Klar, die machen ja die Luft, das, was wir atmen."
"Ich weiß, was Luft ist."
"Schön für dich. Aber weißt du, was richtig traurig ist? Die Zweibeiner schätzen Pflanzen nicht. Guck dir den Baum doch an! Wie viele Jahre hat der schon gestanden? Wer weiß, was er alles gesehen hat!"
"Stimmt...Der ist älter als alle Katzen, die ich kenne, glaube ich."
"Ja! Ein stummer Zeuge unserer Zeit! Und diesen Zweibeinern ist nicht klar, dass sie gerade jemanden ermordet haben!"
"Naja, aber es gilt ja: Fressen und gefressen werden..."
"Aber die brauchen den Baum doch nicht zum essen! Sie haben ihn nur gefällt, weil..."
"Wieso haben sie ihn gefällt?"
"Pscht! Ich lausche!"
"Oh, du verstehst sie?"
"Ja-ha!"
"Und, was haben sie gesagt? Du schäumst ja fast vor Wut!"
"Sie haben gesagt, dass sie ihn gefällt haben, weil zu viel Laub auf der Straße war! Und weil sie da eine neue Straße bauen wollen. Oder so. Ach ja, bei euch heißt das Donnerweg."
"Aber können die nicht woanders bauen? Der Baum sah doch noch super aus!"
"Offenbar nicht! Diese...Mäusehirne! Fuchsherzen! Alles, was sie nicht kontrollieren können, bringen sie um! Wann begreifen sie endlich, dass sie nie über die Welt herrschen werden, weil sie von ihr abhängig sind? Diese..."
"He, beruhige dich!"
"Dieser Baum war bestimmt mehrere hundert Jahre alt! Und weißt du, was sie noch gesagt haben? Dass sie ja einen neuen pflanzen können! Dass es ja noch ganz viele gibt!"
"Ist doch gut, wenn sie einen neuen pflanzen, oder?"
"Aber der ersetzt doch nicht das, was dieser Baum so lange gemacht hat! Und weißt du, wie das klingt, dass es ja noch viele gibt? Da könnte man ja auch sagen: Ich bring jetzt mal einen Menschen um, macht ja nichts, es gibt ja noch soooo viele..."
"Uiuiui, das nimmt dich echt mit, oder?"
"Ja! Ich könnte mich da ewig darüber aufregen! Meine Güte!"
Anmerkung:
Dieses Kapitel wurde zu Ehren eines dreihundert Jahre alten Baumes aus Großbritannien geschrieben, der wegen einem Straßenbau gefällt wurde.
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Wieso? (Band 2)
FanficZwei Katzenstimmen, die einander nicht kennen. Zwei Katzenstimmen, die einander lieben und respektieren. Zwei Katzenstimmen, die sich die Welt versuchen zu erklären. Zwei junge Katzen treffen sich an der Grenze. Sie kennen sich gut, sie sprechen...