𝟎𝟐 | 𝑓𝑎𝑚𝑖𝑙𝑦 𝐶𝑎𝑣𝑎𝑙𝑙𝑖

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𝗘 𝗟 𝗟 𝗔

Meine Entführer saßen mit einem ergrauten Mann auf einem schwarzen Ledersofa und musterten mich schweigend. Ihre Blicke brannten sich wie heiße Kohle in meine Haut, jedes Augenpaar ein Dolch, der sich in mich bohrte. Die Spannung im Raum war unerträglich, als ob die Luft selbst in meinem Hals zu Eis gefroren war.
»Wie heißt du?«, fragte der Schlägertyp von gestern, seine Stimme kalt und schneidend. Einen Moment lang überlegte ich, ob ich lügen sollte.

Vielleicht würde eine falsche Antwort ihnen die Lust an mir nehmen, mich weniger wertvoll machen in ihren Augen. Doch ihre Blicke schnürten mir die Kehle zu, ließen keinen Raum für Gedanken oder Mut. Meine Knie zitterten, als würde der Boden unter mir jeden Moment nachgeben.

»Antworte!« Die drohende, tiefe Stimme des alteren Mannes hallte von den Wänden wider, ließ mich zusammenzucken. Zögernd löste ich meinen Blick von ihm und ließ ihn über die anderen drei Männer im Raum gleiten. Jeder von ihnen sah mich mit einer Mischung aus Neugierde und Kälte an, als wäre ich eine neue Beute, die sie erst noch richtig zu würdigen wussten.
»Ella«, murmelte ich schließlich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Die Anstrengung, nicht einfach auf dem Fleck zusammenzu-brechen, wuchs mit jedem Herz-schlag. Meine Beine fühlten sich an, als würden sie aus Wackelpudding bestehen, und ein Zittern ergriff meinen ganzen Körper. Ich schloss kurz die Augen, versuchte, den Schwindel zu vertreiben, der sich meiner bemächtigte.

»Wie alt bist du?« Die Stimme des Kleinsten der Manner riss mich aus meinen Gedanken. Panisch ließ ich meinen Blick nochmals uber alle gleiten, suchte nach einer Flucht-möglichkeit, einem Ausweg, doch es gab keinen. Sie hatten mich umzingelt, wie Wölfe, die ihre Beute belauern. Prüfend musterte ich ihre Gesichter, versuchte, einen Hinweis auf ihre Absichten zu erkennen, doch alles, was ich fand, war das gleiche Tattoo auf ihren linken Unterarmen.
Eine Schlange, die sich um einen Rosenstängel wand, während ein kleines Kaninchen von ihren Fängen verschlungen wurde.

Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Wo hatte ich dieses Symbol schon einmal gesehen?
Meine Gedanken rasten, versuchten fieberhaft, das Puzzle zusammen-zusetzen. »Wie alt du bist, hat er gefragt!«, knurrte der ältere Mann, seine Stimme scharf wie ein Messer.
Ich spürte, wie die Angst sich in mir ausbreitete, meine Gedanken lähmte.
»Achtzehn«, antwortete ich mecha-nisch, mein Blick noch immer auf das Tattoo gerichtet. Meine Stimme klang so fremd, so weit entfernt, als würde sie aus einem anderen Raum kommen.

Plötzlich schnürte mir der Schock die Luft ab. Ich erstarrte, jeder Muskel in meinem Körper verkrampfte sich. Ein einziges Wort blitzte in meinem Kopf auf: »Cavalli. « Meine Finger gruben sich in meine Oberschenkel, suchten Halt in einem Meer aus Panik. Das Herz, das noch vor wenigen Sekunden nur schnell geschlagen hatte, raste nun in einem unkontrollierbaren Tempo. Ich stand vor der verfluchten Mafia, den Cavallis, und das Wissen darüber ließ jede Hoffnung in mir erlöschen.
Panik stand mir ins Gesicht geschrie-ben, meine Augen brannten vor unterdrückten Tränen, doch ich konnte nichts tun, außer hilflos vor ihnen zu stehen. »Sie hat Angst«, stellte der Mann fest, der mich gestern auf seinen Schultern getragen hatte, seine Stimme seltsam emoti-onslos.

Ich schloss die Augen, versuchte, mich an den warmen Blick meines Vaters zu erinnern, an die Geborgen-heit, die seine blauen Augen mir immer geschenkt hatten. »Weißt du, bei wem du bist?«, fragte der ältere Mann, dessen dunkle Augen mich durchdrangen. Natürlich wusste ich es. Ich wusste es nur zu gut.
» Ja«, flusterte ich, die Stimme kaum
hörbar. »Bei wem?«, bohrte er weiter, sein Blick bohrte sich wie ein Dolch in mein Innerstes.
»Familie Cavalli«, hauchte ich, als wäre das Aussprechen des Namens eine letzte Hoffnung, doch noch aus diesem Albtraum zu erwachen.
»Woher?«, fragte der kleinste der Männer mit einer merkwürdigen Neugier in seinen Augen.

»Mein Vater«, antwortete ich zögernd, und in der Sekunde, als ich die Worte aussprach, konnte ich das kollektive Stirnrunzeln der Männer spüren.
»Dein Vater?«, wiederholte der ältere Mann, seine Augen funkelten misstrauisch. Ich dachte an die warnenden Worte meines Vaters, der mir immer gesagt hatte, dass es draußen viele bose Menschen gab, aber keiner war so gefährlich wie die Mafia. Er hatte mir von den schlimmsten Familien erzählt, den Rodriguez und den Cavallis. Und jetzt stand ich ihnen gegenüber.

»Ja«, sagte ich schließlich, meine Stimme brüchig. Der Mann mit den dunklen Augen ließ mich nicht aus seinem stechenden Blick, als würde er in meinem Innersten nach der Wahrheit suchen. »Erzahl uns was von dir, Ella«, forderte der Mann, der neben dem Schlägertyp auf der rechten Seite des Sofas saß.
Überfordert sah ich in die Runde, mein Kopf fühlte sich leer an, als wüsste ich nicht mehr, wer ich war.
Meine Hände rieben sich nervös aneinander, feucht vor Schweiß.
»Ich lebe in lo...« Doch bevor ich den Satz beenden konnte, wurde ich unterbrochen. »Das wirst du jetzt nicht mehr«, kommentierte einer der Männer dreist, seine Worte ließen mich noch nervöser werden. Die Frage, was sie mit mir vorhatten, bohrte sich tief in mein Bewusstsein, ließ meine Wangen vor Angst und Scham heiß werden.

Dann stellte der Mann, der mich auf seinen Schultern getragen hatte, eine Frage, die mich vor Verlegenheit hätte versinken lassen, wäre es nicht um Leben und Tod gegangen. »Wie viele Manner hattest du schon?« Meine Haut brannte vor Scham, und ich spürte, wie mein Gesicht sich rot färbte.
»So viele?«, fragte der Kleinste, sein Blick durchdringend. Mein Puls raste, und ich entschied mich, die Frage unbeantwortet zu lassen. Ich wagte nicht, ihnen zu sagen, dass ich noch Jungfrau war, aus Angst, sie könnten das gegen mich verwenden.
»Ragazza, wir können auch bis morgen hier sitzen«, drängte die raue Stimme des Schlägertyps, und ich spürte, wie der Druck in meinem Magen sich verstarkte, als würde eine unsichtbare Faust ihn zusammenquetschen.

Das letzte bisschen Hoffnung, das ich hatte, schwand in dem Moment, als der Vater sprach. »Meine Söhne sollten das wissen, bevor sie ent-scheiden, ob einer von ihnen dich zur Frau nehmen will, oder ob wir dich in eines unserer Geschäfte stecken.«

𝐓𝐑𝐔𝐒𝐓 𝐌𝐄 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt