Prolog

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Erschüttert drehe ich mich einmal im Kreis und kann meinen Blick nicht von dem abwenden, was ich hier sehe, was sich in mein Gedächtnis einbrennt. Das unbehagliche Gefühl zieht bis in meine Knochen rein und lässt mich frösteln. Ich wusste das es schlimm ist, wirklich schlimm, aber dieses Ausmaß hatte ich definitiv nicht erwartet. Und erklären kann ich es mir auch nicht. Ich kann gar nicht glauben, welches Bild sich mi hier bietet. Klar habe ich die Erde schon auf Bildern, Videos oder auch bei Videotelefonaten gesehen, die ich mit meinen Eltern geführt hatte, doch so furchtbar sah es auf dem Bildschirm nie aus. Und so wurde es auch nie beschrieben, nicht einmal in den Berichten der Labore auf der Anvale. Wie konnten die Menschen es nur so weit kommen lassen? Wie musste man sich nur in Wirklichkeit verhalten haben, dass das alles zu so einer Katastrophe ausartete? Mir ist absolut klar, dass man hier nicht mehr wirklich leben kann, sonst wären wir alle ja noch hier und nicht auf Raumschiffen im Weltall, welche bis zu einer Lösung unser Zuhause darstellen. Doch eine Lösung scheint irgendwie noch nicht wirklich in Aussicht zu sein, soweit ich diesen Anblick hier beurteilen kann. Wie viele wohl von dem wirklichen Zustand der Erde wissen?Bei meinem nächsten Schritt stolpere ich fast die kleine Rampe hinunter, die Auswirkungen von der Reise vom Raumschiff-Kreuzer zur Erde sind nun deutlich spürbar, eine solche Geschwindigkeit sollte man nicht unterschätzen. Sofort werde ich von hinten gestützt, »keine Sorge Miss Ceavell, in ein paar Minuten sollten alle Nebenwirkungen der Reise verschwunden sein«. Mit noch leicht verschwommenem Blick nicke ich dem Sicherheitsmann zu, welcher mich kurze Zeit später wieder loslässt, sodass ich die letzten Meter der Rampe hinter mir lassen kann. Der Wind pustet mir ein paar Haarsträhnen ins Gesicht, Sand und eine Luft, welche nur einen knappen Sauerstoffgehalt aufweist. Zum ersten Mal seit knapp 18 Jahren betrete ich wieder den Boden der Erde, welcher nunmehr nur noch aus Wüste und Stein besteht, so weit das Auge reicht. Es treibt mir Tränen in die Augen, denn als damals wir gingen war zumindest noch ein kleines bisschen Natur am Leben, welche der Grundstein für die Lösung sein sollte. Doch inzwischen ist auch der Rest außerhalb der Wissenschafts-Kuppeln verschwunden, zerstört, vernichtet. Wenn man all die Aufzeichnungen und Fotos ,welche es über den ehemaligen Zustand der Erde gibt, betrachtet würde man niemals denken, dass hier vor langer Zeit alles Grün war. Stumm laufe ich den Sicherheitsleuten hinterher, welche mich den kurzen Weg zu der durch die Explosion zerstörten Kuppel begleiten, in welcher meine Eltern fieberhaft nach einem Ausweg aus dieser Misere gesucht haben. Einem Ausweg aus dieser von menschenhand verursachten Katastrophe. Der grobe Sand knirscht unter den Schuhen und gibt leicht nach. Auf der einen Seite ist es wundervoll wieder einen echten Untergrund zu betreten, doch gleichzeitig auch wahnsinnig bedrückend. Als wir unser Ziel erreicht haben, schlage ich mir schnell eine Hand vor Mund, um nicht laut aufzuschluchzen. Mir wurde gesagt das es nicht leicht werden würde, es war mir auch klar und doch ist es noch viel schlimmer als ich es mir vorgestellt habe. Nun tatsächlich hier vorzustehen und alles in der Realität in mein Gedächtnis aufzunehmen ist anders schlimm. Es zerreißt mein Herz in viele kleine Stücke. Die Tränen laufen nur so über meine Wangen und innerlich hoffe ich, dass meine Eltern durch die Explosion schnell und dadurch schmerzlos gestorben sind und nicht noch gelitten haben. »Ich, i-ich kann da jetzt noch nicht rein. Ich möchte erst zu ihren Gräbern« erkläre ich leise, worauf ich wieder den Männern folge und nicht einmal 200 Meter weiter auf einem kleinen Friedhof ankomme, wo bereits viele Menschen ihre letzte Ruhe finden sollen, welche als Helden gestorben sind. Vor den Gräbern meiner Eltern falle ich auf den Steinboden, welcher nur leicht mit Sand bedeckt ist und kann auch meine Schluchzer nicht mehr zurückhalten. Meine Familie ist bei dem Versuch eine Lösung zu finden gestorben, mein Zwillingsbruder verschwunden und meinen leiblichen Vater habe ich auch noch nicht gefunden. Wahrscheinlich beschreie ich es mit dieser Frage nun, aber was kann denn noch alles schiefgehen? Vermutlich mehr als ich es mir vorstellen kann. All das was ich hier sehe, lässt vieles was die ULS fast tag täglich erzählt wie eine Lüge aussehen. Und es wird Zeit die Wahrheit herauszufinden und zwar nicht nur meine familiäre Wahrheit. Noch immer schluchzend, aber entschlossen, stehe ich wieder auf und wische ein paar Tränen von meinen Wangen. »Ich brauche einen Moment für mich alleine«, mit diesen Worten führt mein Weg mich zurück zu der zerstörten Kuppel und damit hoffentlich ein Schritt näher an die Wahrheit.

ScherbenseeleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt