Lea und das geheimnisvolle Grab (Teil 1)

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Manche Leute denken, dass Schicksal nicht existiere. Sie werden in ihrem Leben keines Besseren belehrt, weil ihnen nichts passiert, dass sich wirklich nach Schicksal anfühlt. Aber ich weiß, dass Schicksal existiert; ich habe es am eigenen Leib zu spüren bekommen, das Gefühl, wenn es plötzlich klick in deinem Kopf macht, die Puzzlestücke sich zusammenfügen und einfach alles einen Sinn ergibt. Wenn sich mit einem Mal alles so richtig anfühlt. Das ist der Moment, indem du spürst; was immer du grade tust, es ist dein Schicksal.

Aber lasst mich mich euch erst einmal vorstellen. Mein Name ist Leander James Fontana, Sohn von Sybill und Newton Fontana. Ja, diesem Ehepaar Fontana. Als Kind von zwei weltbekannten Archäologen aufzuwachsen, hatte jedoch, was die meisten nicht wissen, auch viele Nachteile. Alle sehen immer nur die Vorteile, und klar; viel Reisen, gutes Essen, schicke Hotels, ausgezeichnete Ausbildung, das alles ist nichts Schlechtes. Die Nachteile? Nun, sagen wir mal, als Kinder von Sybill und Newton Fontana wurde viel von mir und meiner Schwester Arrileija erwartet. Sehr viel. Es war nicht immer einfach, all diesen Erwartungen gerecht zu werden. Dem nie enden wollendem Druck standzuhalten, perfekte Noten zu haben, sich tadellos zu benehmen und auszusehen. Wir konnten sehr selten einfach nur Kinder sein, die Blödsinn machten. Unsere Eltern sind zwar immer liebevoll gewesen und haben sich so gut es geht um uns gekümmert, aber sie waren den Großteil der Zeit mit ihrer Arbeit beschäftigt. So wurde es auf Dauer ziemlich einsam. Nirgendwo richtige Freunde finden, da wir immer nur für eine Grabungssaison da waren, immer wieder woanders hin... Nicht mal Zuhause in London kannten wir wirklich jemanden, weil wir so oft unterwegs waren. Andererseits hätten Lea und ich sonst wohl nie das Grab entdeckt... Aber ich fange lieber von vorne an.

Unsere Eltern waren auf einer Grabungsexpedition mal wieder in Ägypten, und Lea hatte sie so lange angebettelt, bis wir mitkommen durften. Darin war sie selbst mit 14 Jahren noch wirklich gut. Auf ihrer letzten Reise hatten Mum und Dad uns nämlich nicht mitkommen lassen, und uns stattdessen mit einer grässlichen Hauslehrerin, die wir beide nicht leiden konnten, zuhause eingesperrt.

Klar war ich also dabei, als Lea mir ihren ausgeklügelten Überzeugungsplan vorstellte, der, wie der Name schon sagt, unsere Eltern davon überzeugen sollte, uns mitkommen zu lassen. Und wie Alles das sie sich erst einmal vorgenommen hat, ging er perfekt auf und wir durften unsere Eltern nach Ägypten begleiten.

Da stand sie nun, auf dem Kamm einer Düne und trug eine cremefarbene Bluse und einen langen, dunklen Rock, dazu ihre Umhängetasche aus Leder. Die nimmt sie immer mit, wenn sie auf Erkundungstour geht. Lea hatte sich, zum Schutz vor dem Wind, der in dieser Region immer Tonnen von Sand durch die Luft trug, ein Tuch vor die Nase gebunden. Sie schaute entschlossen auf den Horizont und kniff die Augen zusammen, als die Sonne sie blendete. "Willst du da ewig so rumstehen?", fragte ich sie, als sie nach fünf Minuten noch in genau der gleichen Haltung dastand. "Lee, ich sehe etwas", meinte sie nur und durchbohrte mit ihren Blicken weiter den Horizont. Meine Zwillingsschwester war einer der klügsten Menschen, die ich kenne, und ist es immer noch, auch wenn ich den Teufel tat, ihr das zu sagen. Also glaubte ich ihr ohne Protest und versuchte stattdessen auszumachen, was offenbar ihr Interesse geweckt hatte. Denn das schaffen nicht viele Dinge.

Die Leidenschaft für die Vergangenheit und ihre Schätze haben wir beide von unseren Eltern, doch im Gegensatz zu Lea war Ägypten noch nie mein Spezialgebiet. Während sie eine übergroße Leidenschaft für ägyptische Kultur hat und sämtliche Götter auswendig kennt, habe ich mich schon immer mehr für die Mayas interessiert. Die Handwerkskunst, ihre für ihre Zeit fortschrittlichen Kenntnisse über Sternenkonstellationen und ihre Bauweise anhand von ebenjenen, halte ich für höchstfaszinierend. Vielleicht schreibe ich eines Tages ein Buch darüber... Aber jetzt geht es erst einmal nicht um mich, sondern um Lea.

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