Lea und das geheimnisvolle Grab (Teil 2)

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Lea holte einen kleinen Pinsel aus ihrer Tasche und wischte damit etwas Sand von den Muscheln. Diese waren aus schimmerndem Perlmutt und auf einer Steinplatte angebracht. Langsam legte der Pinsel immer mehr frei; eine kleine Kartusche mit Hieroglyphen und weitere Muscheln. Verwirrt betrachteten wir unseren Fund. "Was ist das?", fragte ich Lea, denn sie war hier die Ägypten-Expertin. "Es könnte eine Grabplatte sein." Sie stockte. "Aber nie und nimmer von einem Sklavengrab, dafür sind Muscheln in Ägypten viel, viel zu selten. Es muss sich um ein sehr hochrangiges Mitglied der Gesellschaft gehandelt haben. Wenn es denn wirklich ein Grab ist." Suchend blickte sie sich um. "Wir sollten den Rest freilegen, die Platte schein ganz schön groß zu sein..." Tatsächlich war die schimmernde Fläche, die wir von Weitem gesehen hatten, ungefähr einen Quadratmeter groß und verschwand dann im Sand. Es ließ sich erahnen, dass sie noch größer war.

"In Ordnung", stimmte ich meiner Schwester schließlich zu. "Hast du irgendein Werkzeug mit dem wir das schaffen können?" Lea grinste vielsagend. "Natürlich." Damit holte sie eine kleine Schaufel und diverse Pinsel und andere Gerätschaften, deren Zweck ich nur erraten konnte, aus ihrer Tasche. So viel Zeug, dass ich mich langsam wunderte, wie zur Hölle das alles in ihre Tasche hatte passen können. Als ob sie meine Gedanken gelesen hatte, wandte sich Lea mir zu und meinte schmunzelnd: "Cleveres Packen, Bruderherz."

Als sie alles ausgepackt hatte, erklärte sie mir, wie ich den Sand möglichst behutsam zur Seite schaufeln konnte, um die Muscheln nicht zu beschädigen. Ich stöhnte genervt. Natürlich wusste ich, wie man einen Fund ausgrub, schließlich waren es nicht nur ihre Eltern, die uns das beigebracht hatten.

Nach einer Weile, in der meine Schwester nicht anders konnte, als mich zu bevormunden, legten wir schließlich los. Häuflein für Häuflein verschwand der Sand und die Platte wurde immer größer. Es stellte sich heraus, dass die Muscheln nur in ihrer Mitte angebracht waren, um die Kartusche herum. Der Rest war wohl einst bemalt gewesen, nun konnte man allerdings kaum mehr etwas erkennen, weil die Malerei sich solange unter Sand befunden hatte, der die Farbe langsam abschliff. Wir arbeiteten schweigend, nur ab und zu machten wir den anderen auf eine Entdeckung aufmerksam. Die Sonne brannte auf uns hinab, als wolle sie uns schmoren und bald lief uns der Schweiß in Strömen. Nicht einmal der unförmige Steinbrocken neben uns spendete Schatten. Ich brach seufzend meine Arbeit ab. Inzwischen hatten wir die ganze Platte von gröbsten Sand befreit, und weitere Inschriften darauf entdeckt.

"Kannst du lesen, was darauf steht?", fragte ich Lea neugierig, doch diese schüttelte resigniert den Kopf und antwortete: "Ich kann zwar die meisten Hieroglyphen lesen, diese hier ergeben für mich aber keinen Sinn." An ihrem Gesichtsausdruck konnte ich ablesen, wie sehr sie das wurmte. "Mach dir nichts daraus", wollte ich sie deshalb aufmuntern, "Sogar Mum und Dad können manchmal Inschriften nicht entziffern. Apropos... Stell dir mal ihre Gesichter vor, wenn wir von unserer Entdeckung erzählen!" Ich lachte fröhlich. Die würden Augen machen! Auch Lea stimmt mit ein, bevor sie schnell wieder ernst wurde. "Na dann, lass uns reingehen!", meinte sie aufgeregt und stand auf.

"Was?!", rief ich erschrocken. Lea klopfte sich angesichts meines Entsetzens seelenruhig den Sand vom Rock. "Natürlich. Hast du nicht bemerkt, dass man die Platte öffnen kann? Vielleicht ist es kein Grab, aber man kann es betreten." "Und du willst da einfach so rein?", wollte ich beunruhigt wissen, und bei dem Gedanken daran lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. "Ja klar! Stell dir vor was wir da unten alles finden könnten!", schwärmte sie. "Ja, nämlich dreckige Mumien, verfaulte Innereien und was weiß ich was noch für gruseliges Zeug!", versuchte ich zu argumentieren, doch es half nichts. Meine eindeutig zu motivierte Schwester schob mich zur Seite und wies mich an, ihr zu helfen. Sie erklärte, wie man die Platte bewegen konnte, denn natürlich hatte sie den Mechanismus sofort durchschaut. Gemeinsam schafften wir es mit Ach und Krach die Platte zu bewegen und sie ließ sich zur Seite schieben.

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