Ich erwachte nach Luft schnappend. Noch bevor ich richtig verstand, wieso, stieg eiskalte Angst in mir hoch.
Ein Teil meines Gehirns registrierte, dass ich mich in einem Auto befand. Es lief das Radio, irgendein ein alter Country-Song. Wie lange war ich bewusstlos gewesen?
Ich hatte jegliches Gefühl in meinem linken Arm verloren, da ich mit meinem ganzen Gewicht auf ihm lag. Als ich versuchte, mich in der Enge und Dunkelheit des Kofferraums auf den Rücken zu rollen, schoss mir ein heißer Schmerz durch den Kopf. Keuchend schloss ich die Augen. Vor meinen Lidern explodierten kleine Lichter und es dauerte, bis ich nicht mehr das Gefühl hatte, mich gleich übergeben zu müssen. Langsam zog ich meinen Arm unter mir hervor und presste die Handfläche gegen meinen Oberschenkel, um wieder etwas Gefühl in meine Fingerspitzen zu bekommen.
Angestrengt lauschte ich auf Geräusche jenseits des Kofferraums. Aber alles, was ich hörte, was das leise Gedudel aus dem Radio und Motorengeräusche. Die Panik ließ mich stoßweise atmen. Hatte er Jasper bereits aus dem Weg gebracht? War ich alleine mit ihm?
Obwohl ich dagegen ankämpfte, konnte ich nicht verhindern, dass ein klagendes Geräusch über meine Lippen glitt. Ich hatte so furchtbare Angst. Ich wünschte mir, dass alles einfach schon vorbei wäre. Dass er mich schon getötet hätte.
Ich sehnte mich nach der Bewusstlosigkeit, die meine Gedanken so barmherzig ausgelöscht hatte.
Wie lange waren wir schon unterwegs? Wohin fuhr er?
Ich tastete mit den Händen die Innenseite des Kofferraums ab, aber er war nur von außen zu öffnen und ich traute mich nicht, auch nur das leiseste Geräusch von mir zu geben. Er würde es hören, wenn ich gegen die kleine, schmale Fensterscheibe des Kofferraums schlagen würde. Und ich wollte um keinen Preis, dass er anhielt. Solange er hinter dem Steuer des Wagens saß, konnte er mir für den Moment nichts tun. Ich war zu verängstigt, um erneut zu weinen zu beginnen. Reglos lag ich mit weit aufgerissenen Augen im Dunkeln und konzentrierte mich auf die Motorengeräusche, darauf, ob der Wagen auf einer Straße oder einem unebenen Weg fuhr. Welche Abzweigungen er nahm, was natürlich absolut nutzlos war, solange ich nicht wusste, wo wir waren.
Er fuhr so lange, bis durch die schmutzige Scheibe des Kofferraums hindurch ein schmaler Lichtschein zu sehen war, der den Anbruch des Morgens verkündete.
Im Kopf überschlug ich, dass wir ungefähr schon seit sieben Stunden unterwegs sein mussten. Mein Kopf pochte unangenehm, als ich versuchte, eine halbwegs bequeme Position einzunehmen.
Ohne es zu wollen, gingen meine Gedanken zu Vater. Wann würde er gefunden werden? Wann würden sie beginnen, nach uns zu suchen? Würden sie überhaupt nach uns suchen?
Ich konnte mir vorstellen, dass meine Mitschüler überrascht wären, sobald sie von meinem Verschwinden erfahren würden. Überrascht, weil sie es überhaupt nicht registriert hätten, wenn sie niemand darauf hingewiesen hätte. Ein hysterisches Lachen wollte sich einen Weg meine Kehle hinauf bahnen, aber ich zwang es hinunter.
Irgendwann, als ich bereits sämtliches Zeitgefühl verloren hatte und mir jeder Knochen im Körper wehtat von der unbequemen Liegeposition, wurde der Wagen langsamer. Ich hörte, wie er auf Schotter fuhr. Ein Kiesweg? Nachdem er noch einige Meter gerollt war, hielt er endgültig. Der Motor erstarb. Ich versuchte, so flach wie möglich zu atmen, aber in der plötzlichen und vollkommenen Stille klang mein Atmen dennoch ohrenbetäubend.
„Was ist? Was machen wir hier?", die Stimme meines Bruders jagte ein überwältigendes Gefühl von Erleichterung durch meinen Körper.
Aber diese Empfindung erstarb abrupt wieder, als ich das Geräusch einer zuschlagenden Autotür vernahm. Ich versuchte, mich zu wappnen, aber als er die Kofferraumklappe aufriss, entwich mir trotzdem ein Schrei.
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Wahn
Mystery / Thriller„Denkst du, dass es Vergebung für mich gibt?", fragte er unvermittelt und sah mich direkt an. Ich öffnete den Mund und das Nein war schon fast über meinen Lippen, doch ich hielt mich gerade noch zurück. Seine Mundwinkel zuckten höhnisch. „Das heißt...