KuhleKathiisten meine kleine Kurzgeschichte im Rahmen eures Wettbewerbs 🌼
Süße Ungeduld suchte sie heim, während sie dort an dem Fenster stand und ihren Blick über die atemberaubende Landschaft schweifen ließ.
Nervös nestelte sie an den Säumen ihres Kleides herum, das die Farbe von klaren Bergseen trug.Der Schnee war fast geschmolzen, die Ära ihrer Herrschaft so gut wie vorüber. Aber weder war sie traurig darüber, noch zürnte sie ihrem Nachfolger, der schon bald ihren Platz auf dem Thron einnehmen würde. Sie war nicht neidvoll. Das war sie nie, wenn er auftauchte und an ihrer Statt das Zepter in die Hand nahm.
Sie freute sich auf ihn. Nicht, wie man sich auf einen guten Freund freuen würden. Oh nein. Er war so viel mehr als das. Er wer derjenige, der ihr gefrorenes Herz schneller schlagen ließ, der die Schichten aus Frost und Eis zum Schmelzen brachte, ihren gefühllosen Gliedern Wärme und Leben einhauchte. Und auch wenn dieser Zustand nie lange währte, so konnte sie es kaum abwarten.
Nur einen einzigen Kuss, den brauchte sie, um loslassen zu können.Ihre Schritte hallten über den kristallenen Boden des Palastes, sobald sie sich von der meterhohen Fensterfront abwandte. Die Röcke zusammengerafft eilte sie sich, in den Thronsaal einzukehren. Dort würde sie ihn willkommen heißen. Wie jedes Mal.
Die Dienerschaft erwartete sie bereits, allesamt mit gesenkten Köpfen. Auch ihre Zeit war gekommen. Zeit, um zu Erde und Wasser zu werden, bis sie wieder an der Reihe waren, neben ihrer Königin über das wundersame Reich zu regieren.
Keiner verlor ein Wort. Ja, sie wagten es nicht einmal zu atmen, während sie die Lady des Winters dabei beobachteten, wie sie den Sockel zu ihrem Thron erklomm und sich auf jenem sinken ließ. Wie eine erhabene Statur aus lebendig gewordenem Eiskristall saß sie dort, die Krone aus Frost auf ihrem Haupt und mit einem freudigen Lächeln auf den bläulich gefärbten Lippen. Gleich Schneewehen umspielte das weiße Haar ihre schlanke Figur, obwohl keine Brise durch den Raum zog.
In stiller Geste hob sie den Zeigefinger und die Musiker, die in ihrer Ecke nur darauf gewartet hatten, ließen ihre Kunst erklingen. Eine wunderschöne Melodie schwebte durch den Saal, hallte von den Wänden wider. Sie war geprägt von Lebensmut und nicht von schneidender Traurigkeit. Ganz so, wie er es liebte.
Stets waren ihnen nur wenige gemeinsame Augenblicke vergönnt und sie wollte, dass jene an Perfektion nicht zu überbieten waren. Auch wenn er jedes Mal betonte, die äußeren Gegebenheiten interessierten ihn nicht im geringsten, war ihr die friedvolle Atmosphäre wichtig.
Das Einzige, das für ihn von Bedeutung war, war sie und der eine Kuss, der ihnen blieb.
Dafür liebte sie ihn. Für ihn gab es nur sie. Er erkannte Schönheit in ihr, wo andere nur den Tod und die Kälte sahen.
Ihre Existenz war ebenso notwendig, wie die der anderen drei, dennoch wurde nur ihr übel nachgesagt. Vielleicht weil sie alles Leben mit sich nahm, wenn sie sich auf den Thron begab. Aber so war es nun einmal seit Anbeginn der Zeit. Das war der Kreislauf der Natur. Aus dem Leben resultierte der Tod, aus dem Tod resultierte das Leben. Sie hatte sich nicht ausgesucht zu sein, wer sie war.
Ja, Jahrtausende lang hatte sie sich dafür sogar gehasst.Bis er eines Tages früher aufgetaucht war als sonst, ihre stummen Tränen gesehen und ihr ihre Bedeutung in dem Gefüge der Jahreszeiten bewusst gemacht hatte. Er hatte ihr ihren Wert erklärt, ihr klargemacht, dass es ihn und die anderen ohne sie nicht geben würde. Und an diesem Tag hatten sie sich einander ihre Herzen geschenkt.
Niemand hatte ein Fenster geöffnet und doch zog im nächsten Moment ein lauwarmer Windhauch durch den Saal.
Er war hier.
Im gleichen Atemzug, in dem die schwere Doppelflügeltür aufschwang, erhob sie sich auf die Füße. Wie seltsam es doch war, dass ihre Knie, die Knie eines Wesen aus Kälte und Eis, in diesem Moment, in dem sie ihn erblickte.zu zittern begannen.
So lange kannten sie sich schon und noch viel länger liebten sie sich, aber sobald sie ihn zu Gesicht bekam wurde sie jedes Mal aufs Neue schwach.
Erhobenen Hauptes ging sie auf ihn zu. Jeder ihrer Schritte wurde dabei von der lebhaften Melodie der Musikanten begleitet.
Jede seiner Bewegungen, jeden seiner feinen Züge versuchte sie in sich aufzunehmen. Die moosgrünen Haare, die sich wie Wellen aus Gras über seinen langen Rücken bis hinab auf den Boden ergossen. Seine Haut, die den Ton von Erde trug, besprenkelt mit bunten Tupfern, die an Wildblumen erinnerten. Die eichenbraunen Augen, die hier und dort durchzogen wurden von goldenen Pünktchen. Ganz so, als hätte die Sonne ihnen einen Teil ihrer Selbst geschenkt. Alles an ihm strahlte das pure Leben aus.
Und sie liebte ihn. Bei den Göttern, die über sie richteten, sie liebte den Frühling.
Einst hatte sie ihn gefürchtete, auf eine Art und Weise sogar gehasst, wegen dem, was schon gleich folgen würde. Mittlerweile machte sie ihm dieses Geschenk gerne.
Sie sank in seine Arme, ließ sich von seiner Wärme einhüllen und spürte sogleich, wie sie zu schmelzen begann.
Sein Blick war voller Wehmut. „So lange habe ich auf diesen Moment gewartet. Winter, du bist schön wie immer."
Er hielt sie fest. Das Gefühl der Geborgenheit war überwältigend und beruhigend zugleich. Es nahm ihr die Angst vor den nächsten Minuten. „Deine Zeit ist gekommen und meine ist verstrichen."
Seine Stirn lehnte sich an ihre. „Ich hasse das. Wieso kann es nicht anders sein? Wieso ..."
„Sag so etwas nicht. Ich sterbe mit Freuden für dich und das weißt du. Ich sterbe, damit zu leben kannst." Nach und nach wich die Kraft aus ihren Gliedern. Und wäre sie nicht mit allem, was sie ausmachte bei ihm gewesen, dann hätte sie bemerkt, dass die ersten ihrer Diener sich auflösten, um zu Schneeflocken zu werden. Auf dem warmen Wind des Frühlings tanzten sie davon.
„Das macht es nicht weniger schmerzvoll für mich", hauchte er und fing sie auf, sobald ihre Beine sie nicht länger tragen konnten. Langsam gingen sie beide zu Boden. Er hielt sie weiter, ließ sie nicht los.
Die ersten Tränen rollten über seine Wangen. Tropfen aus süßem Flusswasser. Sie benetzten ihre Haut als sie fielen und vertrieben ihre Kälte weiter und weiter.
Schwach hob sie die frostigen Finger und streichelte ihm mit einem schwermütigen Lächeln auf den Lippen über die rosigen Lippen. „Es ist Zeit, mein Liebster. Es ist Zeit", wisperte sie, die Stimme gefüllt mit Liebe.
Nur widerwillig beugte er sich ganz zu ihr hinab. „Bis nächstes Jahr, mein Herz", hauchte er, bevor ihre Münder aufeinandertrafen.
Die Wärme, die sie daraufhin erfasste, fühlte sich belebend, gleichsam befreiend an. Wie makaber, wenn man doch bedachte, dass sein Kuss ihr schlussendlich den Tod brachte.
So tat sie in seinen Armen den letzten Atemzug, hörte ihn, wie er ihr das immer gleiche Versprechen gab. „Ich werde für dich blühen, während mein Herz um dich weint."
DU LIEST GERADE
1000 verschiedene Welten - meine Kurzgeschichten
Short StoryWillkommen in meiner kleinen Sammlung meiner Kurzgeschichten. ❤️ Für Fantasy Begeisterte und Fans von historischen Romanen!