„Marie, was machst du denn hier!?", zischte Tobias zornig. Die kleine, zierliche Dorfbewohnerin, etwa in seinem Alter, stemmte vorwurfsvoll die Fäuste in die Hüften, wich aber vor Tobys wütend funkelnden, blauen Augen zurück.
„Ich habe mir Sorgen gemacht...", flüsterte sie leise. So spät in der Nacht noch nicht daheim zu sein, das war die wohl schlechteste Idee, die ihr nur einfallen könnte. Aber Tobias ist Stunden dort unten in der Mine gewesen... Was wäre, wenn ihm etwas passiert wäre? Sie hätte wohl die ganze Nacht gewartet, auch wenn ihr Vater es niemals erlaubt hätte.
„Das ist keine Begründung, dein Vater wird mich umbringen!" Tobias Stimme war zwar nur ein flüstern, doch die Braunhaarige konnte den Ärger in seiner Stimme dennoch deutlich heraushören.
Doch Tobias hielt sich selbst zurück, um keinen Wutausbruch zu erleiden und somit all die Monster dort draußen auf sein Haus aufmerksam zu machen. In einem tiefen Atemzug holte er hörbar durch die Nase Luft, bevor er resignierend seufzte. Er konnte Marie jetzt nicht noch nach Hause bringen. Nicht ohne Ausrüstung und ein neues Schwert musste er sich erst einmal selbst zusammenbasteln. Provisorisch, bis er sich endlich sein eigenes Schwert schmieden konnte.
Maries Griff auf seiner Schulter lockerte sich kein Stück, was er mit den Sekunden auch bemerkte. Gepeinigt ließ er kurz den Blick zu ihrer Hand abschweifen, um ihr zu signalisieren, dass ihre Fingernägel sich in die Wunde gruben, die immer noch versorgt werden musste, bevor sie sich entzündete und sich ausbreitete, bis Tobias ohne Behandlung daran sterben würde. Langsam und qualvoll.
Etwas erschrocken nahm Marie die Hand von seiner Schulter, nur um einen Augenblick später auf ihre Handfläche zu blicken, von der das Blut ihren Unterarm hinab lief. Sie hatte schon öfters schwere Wunden versorgt. Kratzer, Bisse, Schnittwunden. Einfach alles. Als eine auszubildende Heilerin war es ihre Pflicht, die verschiedenen Wunden zu behandeln, Kräutermixturen zusammenzustellen und sich um die Kranken zu kümmern.
„Du bist verletzt!", schreckte sie leise auf, bei dem Anblick seiner blutdurchtränkten Schulter. „Was du nicht sagst...", murrte der junge Krieger leise. Marie packte ihn am Oberarm, um ihn zu seinem Bett zu schleifen. Widerwillig schlurfte Tobias ihr hinterher.
„Ich kann mich schon selbst versorgen, das ist doch gar nichts...", versuchte er abzuwehren, doch Marie schüttelte engstirnig den Kopf.
„Was du als kleine Wunde siehst kann sich bald schon entzünden und zu einem Problem werden. Du weisst doch, was mit Riley passiert ist. Und mit Simon." Da traf Marie durchaus Nerven... Riley und Simon waren Geschwister. Der eine Bauer, der andere ein Schmied in Ausbildung. Mit beiden ist – oder besser gesagt war Tobias befreundet gewesen. Simon hatte es nach einer nächtlichen Minentour erwischt. Er und sein älterer Bruder, Riley, sind in einer etwas abgelegenen Höhle auf eine kleine Expedition gegangen. Natürlich waren sie so dämlich, weder ihrem Freund Hesh, dem Sohn des Dorfoberhauptes, Mason, noch diesem oder irgendjemand anderem Bescheid zu geben. Sie hatten sich einige Tage weit vom Dorf untertage fortbewegt, bis sie auf eine Horde Zombies gestoßen sind. Wie auch Tobias hatten beide ein paar Kratzer erlitten, Simon die schlimmeren. Nachdem sie endlich wieder daheim waren, konnten die Heiler nicht mehr viel für Simon tun. Sein Bruder hatte dagegen mehr Glück. Er wird zwar nie wieder so gut kämpfen können, aber Riley lebt. Mit einer Beinprothese und einem vernarbten Arm. Das war dem ganzen Dorf eine Lehre. Niemand sollte jemals wieder alleine irgendwohin gehen, ohne vorher auch nur einer anderen Person im Dorf Bescheid zu geben.
„Ja... Das weiss ich...", seufzte der Braunhaarige leise, bevor seine leeren, blauen Augen sich zu Boden richteten. Marie drückte ihn mit seiner sanften Fürsorge auf sein Bett nieder, bevor sie einen Verband aus ihrer Tasche zog, die sie immer dabei haben musste. Für solche Notfälle eben. Geduldig wartete sie darauf, dass Tobias sich seines zerrissenen T-Shirts entledigte, damit sie die verdreckte Wunde reinigen konnte. Zwar gefiel es ihm nicht so richtig, doch er gab schließlich nach und zog sich vor ihr aus.
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Hunterlegend
AdventureDer junge Kämpfer Tobias hat es nicht grade leicht im Leben. In seinem Dorf wird er nur dazu benutzt, die Drecksarbeit für andere zu erledigen, stetig muss er mit seinem Schicksal um sein Leben ringen. Nichts erhofft er sich mehr, als irgendwann auc...