Meine Herrin ist nicht nur die schönste Frau, die ich kenne, sie ist auch die klügste. Es ist schade, dass sie nicht schon früher studieren konnte, aber ihre Eltern waren nicht in der Lage dazu, für mehr als ein Kind ein Studium zu finanzieren. Und das war eben ihr ältester Bruder Milan, der dann aber doch nichts aus seinem Studium machte, es abbrach und heute in Hamburg als zwar guter, aber unterbezahlter Koch in einem Hotel arbeitet.
Sie lacht dann immer, wenn die Rede darauf kommt, dass sie es eigentlich verdient hätte, von Anfang an die besseren Chancen zu haben. Wozu sie das sollte, meint sie, wo sie doch ohnehin den besten Beruf von allen habe. Studieren würde sie jetzt auch und die Erfahrung, die sie in vierzehn Jahren als Krankenschwester machte, könne ihr kein Studium geben. Womit sie natürlich recht hat.
Aber trotzdem ist es ungerecht, dass Reiche, wie mein Vater etwa, ihren Kindern die beste Bildung kaufen können, während es für Kinder aus der Arbeiterschicht viel schwerer ist. Immerhin, sagt Jana, sei ihr die übliche Tschuschenkarriere als Hilfsarbeiterin oder Putzfrau erspart geblieben, obwohl sie sich noch immer, vor allem auf der Uni als Tschusch fühle.
Ich fragte sie mal, was dieses Schimpfwort bedeutet, denn in Deutschland und der Schweiz habe ich das nie gehört.
„Das kommt vom serbokroatischen Ausruf ćuš", erklärte sie. „Damit treibt am Lasttiere an. Und als solches sind meine jugoslawischen Vorfahren in Österreich stets behandelt worden."
Mich machen solche Geschichten traurig und ich schäme mich, dass mein Vater reich ist und Janas Eltern arm. Aber Scham ändert nichts an der Ungerechtigkeit, sagt sie, nur Haltung. Und Armut sei auch keine Frage, wie wenig jemand hat, sondern nur wieviel jemand braucht. Und genau das meine ich damit, wenn ich schreibe, dass Jana nicht nur die schönste Frau ist, die ich kenne, sondern auch die klügste.
„Du bist aber auch nicht dumm", sagt sie, nachdem sie diesen letzten Satz von mir gelesen hat, „Zumindest kannst du dein Gehirn noch benutzen, obwohl dein Bauch gerade ganz was anderes will, stimmt's?"
Ich nicke. Natürlich will mein Bauch etwas ganz anderes jetzt, aber das ist nicht wichtig. Nur was sie will, zählt.
Ihr zweitältester Bruder heißt Dragan. Gemeinsam mit Çem und dessen Schwester Shirin, Janas bester Freundin, hat er eine Security-Firma, die sich auf Events in der Migrantenszene spezialisiert hat. Von Hochzeiten bis großen Festivals. Jana hilft ihm manchmal dabei, wenn es um den Schutz von Frauen und Mädchen geht. Dragan brachte Jana auch zum Boxen. Er ist mit einer Deutschen verheiratet und hat eine Tochter, Annabelle.
Ihr drittältester Bruder ist Ivo. Der fährt einen Truck auf der Strecke Tirana – Wien, zweimal die Woche, und lebt in Zagreb, wo er eine Frau und zwei Jungs hat. Der vierte Bruder heißt Petar. Eigentlich ihr Zwillingsbruder, aber Donna Jana sagt, dass er „Der Kleine" ist, weil sie zehn Minuten früher zu Welt kam. Petar ist Polizist, hier in Wien.
Janas Vater ist schon in Rente und lebt in der Steiermark, von wo er herkommt und wo er nun kleine Äpfel züchtet, aus denen er Schnaps brennt. Maschansker heißen die. Irgendwann will Jana mich mitnehmen dorthin, aber ich muss zuerst Tango tanzen lernen sagt sie, denn ohne tanzen hätte ich bei ihrem alten Herrn so gut wie keine Chance. Und Janas Mutter? Ja, das ist eine ganz andere Geschichte, die gehört nicht hierher.
Es tut jetzt wirklich weh, gekämmt zu werden und ich stöhne leise auf. Trotzdem macht Jana noch immer langsam und drückt die Nylonborsten tief durch den dichten Teppich meiner Haare bis auf die Kopfhaut. Da mein Kopf dabei immer häufiger zurückgezogen wird, hält sie nun mit der Handfläche meinen Scheitel fest. Ich stöhne lauter und sie macht leise „Pssst" und kämmt weiter, an meinen Ohren vorbei und schließlich ist sie durch und zieht die Bürste in einer fließenden Bewegung vom Kopf runter bis zur Höhe meines Pos, wie sie enden. Zweimal von links nach rechts und wieder zurück. Dann ist sie fertig
Aber ich sei noch nicht fertig, sagt sie und dass ich so sitzen bleiben soll. Dann geht sie kurz weg. Ich weiß, was jetzt kommt: Sie wird mir die Hände auf den Armstützen des Bürosessels festbinden. Das zumindest hat sie schon verraten. Mehr aber noch nicht.
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Jana und Liz - Teil 6: Was macht sie mit mir?
ChickLitNun ist Liz an der Reihe zu schreiben. Aber unter Janas Bedingungen - und die sind nicht einfach!