12. Kapitel

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Am nächsten Morgen fühlte ich mich noch schlechter. Ich hätte nicht gedacht, dass dies möglich ist, weil ich gestern schon am Boden zerstört war. Ich hatte von Oscar geträumt und wie verletzt und wütend er war. Gestern fand ich es eine gute Idee mit ihm zu reden, doch jetzt nicht mehr. Auch wenn es nur ein Traum war. Wie ihr merkt, bedeuten mir Träume sehr viel und ich denke immer, dass sie mir was mitteilen wollen. Wieso bin ich von dort einfach weggegangen? Wie konnte ich denken, dass es eine gute Idee war? Ich hatte ihn so nur noch viel viel mehr verletzt. Wie dumm kann man sein? Ich hasste mich so sehr dafür.

Langsam wandelte ich in die Küche und fand dort leider Daisy vor. Anscheinend ging sie genau wie ich heute nicht an die Uni. Sie sass am Tisch und schlürfte an ihrem Kaffee. "Morgen", begrüsste ich sie und nahm eine Tasse aus dem Schrank. "Guten Morgen, Joy. Na? Wie wars in Abu Dhabi?", fragte meine Freundin. "Es war ganz okay", meinte ich schulterzuckend und lief zur Kaffeemaschine, um mir ebenfalls einen Kaffee zu machen. Ich hätte mir wohl mehr Mühe bei meiner Antwort geben sollen, denn Daisy merkte sofort, dass etwas nicht stimmte. "Ein Formel 1- Wochenende war ganz okay? Ist alles in Ordnung?" Die F1- Sachen waren der Wahnsinn, aber alles, was abgesehen davon geschehen war, war eine totale Katastrophe.

Ich setzte mich zu Daisy an den Tisch. "Ja, alles gut. Ich bin nur müde." Ich nahm den ersten Schluck vom Kaffee. Daisy betrachtete mich ganz genau. "Hast du vorhin etwa geweint?", fragte sie dann besorgt. Ich habe gefühlt die ganze Nacht geweint, weil ich so eine dumme Kuh bin und handle, bevor ich richtig nachdenke, dachte ich, aber sprach es nicht aus. "Möglicherweise, aber nicht weiter schlimm. Mach dir keine Sorgen." Ich setzte ein falsches Lächeln auf. "Joy, was ist passiert?" "Ich sagte doch, dass es nicht schlimm ist. Jeder weint doch mal, oder nicht?", fuhr ich sie an und bereute es direkt. Sie wollte nur helfen und das schätzte ich wirklich, aber ich wollte jetzt nicht darüber reden.

"Entschuldigung. Ich weiss, du meinst es nur gut, aber ich möchte gerade nicht darüber sprechen", fügte ich hinzu und stand wieder auf. "Okay, aber ich bin für dich da, wenn du deine Meinung änderst", lächelte Daisy. Die leere Tasse stellte ich in den Geschirrspüler und verschwand wieder im Zimmer. Schluchzend legte ich mich auf das Bett und starrte an die Decke. Wenn ich könnte, würde ich in der Zeit zurückreisen und alles anders machen. Wenn ich wenigstens von Anfang an ehrlich gewesen wäre, hätte ich womöglich noch eine Chance bei Oscar, aber jetzt ganz sicher nicht mehr.

Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. "Joy? Ich bin es, Ava. Darf ich reinkommen?" Es war zu erwarten, dass sie vorbeischauen würde, und es störte mich auch nicht. "Ja", antwortete ich und starrte weiterhin an die Decke. Ava kam ins Zimmer und setzte sich auf die Bettkante. "Joy? Was ist los?", fragte sie. Ich setzte mich auf. "Ich habe riesengrossen Mist gebaut, Ava. Ich weiss nicht, wieso ich das getan habe." Verzweiflung lag in meiner Stimme. "Weiss Oscar, was vorgefallen ist? Hast du es ihm erzählt?" Ava runzelte die Stirn. "Was hätte ich ihm erzählen sollen? Dass du verschwunden bist? Das hat er selbst gemerkt. Ich weiss selbst nicht, was gerade abgeht", gab sie zurück.

Daran hatte ich gar nicht gedacht. Ava wusste ja gar nicht, was zwischen uns passiert war. Und somit hatte Oscar auch keine Ahnung, weshalb ich gegangen war. Das machte alles noch schlimmer. "Scheisse stimmt. Dann tappt er ja immer noch im Dunkeln. Ich erkläre es dir und du kannst es ihm später erklären, okay?", bat ich sie. "Warum kannst du es ihm nicht selbst erklären? Es wäre doch besser, wenn er es von dir hören würde", meinte Ava. Ich schüttelte sofort den Kopf. "Nein, das kann ich nicht. Er hasst mich doch bestimmt." Tränen kullerten über meine Wangen. Ava nahm mich in den Arm und tröstete mich. "Alles wird gut, Joy. Wieso erzählst du mir nicht erst mal, was passiert ist und danach schauen wir weiter." Damit war ich einverstanden.

Nachdem ich mich wieder einigermassen beruhigt hatte, begann ich mit ihrer Erklärung. Ava wusste ja bereits, dass wir beide uns gut verstanden haben, aber dass wir uns geküsst hatten, war für sie sehr überraschend. "Ihr habt euch also geküsst?", fragte sie ungläubig "Ja, mehrmals sogar", sagte ich leise. "Und wieso bist du dann abgehauen? Hast du nichts gefühlt?" Ich schwieg für einen Moment. "Ich glaube, ich habe zu viel gefühlt. Dabei will ich doch gar nichts fühlen. Ich will keinen Freund", schluchzte ich. Der Grund dafür war egal. Ava wusste, dass es wegen dem Studium war und so lange sie das glaubte, sah ich keinen Sinn, ihr den wahren Grund zu verraten.

"Weiss Oscar, dass du momentan keine Beziehung willst?", hackte sie nach, da dies wohl wichtig wäre. Ich schüttelte den Kopf. "Deswegen bin ich ja gegangen. Ich habe es dort nicht mehr ausgehalten. Ich wusste, dass ich einen Fehler gemacht habe, auch wenn es sich gut angefühlt hat. Ich wollte Oscar nicht enttäuschen. Er wäre doch bestimmt wütend und traurig gewesen, wenn ich ihm nach dem Küssen gesagt hätte, dass ich keine Beziehung will", sprudelte es aus mir heraus.

"Ich hasse es, dir das zu sagen, Joy. Aber Oscar ist auch so traurig. Er denkt, die ganze Sache hätte dir nichts bedeutet", meinte Ava. "Ich habe ihn noch nie so niedergeschlagen erlebt." Mir war klar, dass er auch so enttäuscht war, aber ein wenig Hoffnung hatte ich noch, dass ich es mir nur schlimmer vorgestellt habe. Ich vergrub ihr Gesicht in meiner Schulter. "Dann habe ich alles nur noch schlimmer gemacht mit meiner Aktion. Wenn ich von Anfang an ehrlich zu ihm gewesen wäre, wäre es niemals so weit gekommen." Zu dieser Erkenntnis bin ich bereits gekommen, aber ich wollte es nicht so richtig wahrhaben.

"Deshalb ist es wichtig, dass du mit ihm redest." Ich blickte Ava an und wischte meine Tränen weg. "Ja, du hast recht. Aber was, wenn er so richtig wütend auf mich ist? Vielleicht will er gar nicht reden." Ich zuckte mit den Schultern. Ich würde auch nicht mit jemandem reden wollen, der einfach so verschwindet. Und mein Traum war ziemlich eindeutig. "Glaub mir, er will mit dir reden. Er will bestimmt Antworten haben", entgegnete Ava und lächelte. Ich erwiderte ihr Lächeln. "Okay. Kannst du mir bitte seine Nummer geben? Ich nehme an, die hast du." "Ihr habt nicht mal Nummern getauscht? Euer Ernst?", fragte Ava und lachte leicht. "Ja, keine Ahnung. Wir haben nicht daran gedacht", gab ich lachend zurück.

Ava nahm ihr Handy aus der Tasche und diktierte mir Oscars Nummer. Ich schrieb direkt eine Nachricht an ihn, ob wir uns treffen konnten. "Alles wird gut. Erkläre ihm einfach, dass du momentan keine Beziehung willst," versuchte Ava mich zu ermutigen. Sie hat wahrscheinlich meine Unsicherheit gespürt. "Ja, das werde ich. Ich sollte ihm wohl besser auch sagen, dass es mir nichts bedeutet hat, oder?" "Nein, lüg ihn nicht an. Wenn du ihm sagst, dass es dir nichts bedeutet hat, wird er bestimmt trauriger sein, als wenn du ihm die Wahrheit sagst." Ich nickte. Ja, das machte Sinn. Ich werde einfach das mit dem Studium als Ausrede verwenden. "Okay, stimmt. Vielleicht wird er ja auf mich warten. Ab nächsten Sommer habe ich nämlich kein Problem mehr, eine Beziehung zu haben." Ich lächelte.

Das war gelogen, weil nur wenn das Studium vorbei wird, wird meine Schutzmauer um das Herz nicht sofort weggehen. Aber ich musste es sagen, damit die Ausrede glaubhafter klang. "Ich gehe dann mal wieder, schätze ich." "Vielen Dank, Ava. Du bist echt die Beste." Ich zog Ava noch schnell in eine Umarmung, bevor sie sich erhob und zur Tür lief. "Darf ich Daisy davon erzählen? Sie meinte, sie und Brooke machen sich schon Sorgen wegen dir." Sie drehte mich noch einmal um. "Sag ihr einfach, dass es um einen Jungen geht. Ich erkläre es ihnen, nachdem ich mit Oscar gesprochen habe." Nach diesen Worten verliess sie mein Zimmer und ich war wieder allein. Mein Handy vibrierte und ich war erstaunt, wie schnell Oscar geantwortet hatte.

Hey Joy. Ja klar. Wie wäre es heute um 16:00 Uhr beim Teich im Park?

Ich sagte zu und wusste: Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich musste das tun, was ich eigentlich gestern schon hätte tun müssen: Ihm die Wahrheit sagen. Auch wenn es nur die halbe Wahrheit sein wird. Die richtige Wahrheit konnte ich nicht sagen...

Always you (Oscar Piastri Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt