Wie alles begann...

2 1 0
                                    

Marilynn

Bevor Peter mich fand, war ich eine Waise in einem reichen Waisenhaus für Mädchen. Die strengste Nonne von allen, war Lady Bucklebee. Wenn man nicht mit aufrechtem Rücken lief, wurde man mit der Peitsche geschlagen. Wenn man sich nicht ordentlich am Esstisch benahm, wurde man ohne Abendessen ins Bett geschickt. Wenn man nicht adelig sprach, wurde man gezwungen, mehrere Stunden das selbe Buch zu lesen. Und ich war genau so eine Art von Mädchen, das nicht adelig läuft, nicht ordentlich isst und nicht schmeichelhaft redet, weshalb ich öfters bestraft wurde. Von Lady Bucklebee.

"Du unartige Göre!" brüllte Lady Bucklebee und schlug mich mit ihrer Peitsche. Ich fiel zu Boden und hielt mir beschützend die Arme vor meinen Kopf. "Was hab' ich denn gemacht?! Garnichts!" widersprach ich ihr, wofür ich gleich noch mehr Schläge bekam.

"Tun sie nicht so!" "Ich tu nicht so!" schrie ich  zurück. "Sei ruhig! Du weckst noch die anderen Mädchen."

"Na und!? Die wissen sowieso schon, was für eine brutale, alte Fotze Sie sind!" schmunzelte ich. Lady Bucklebee schnappte empört nach Luft. Sie holte schon aus, für den nächsten Schlag, ließ dann aber ihre Hand sinken und deutete zur Tür. "Geh. Geh ins dein Zimmer. Verschwinde. Ich halte es nicht mehr mit dir aus."

Ich rappelte mich auf und verließ das Zimmer. Als ich in meinem Schlafzimmer ankam, betrachtete ich mich im Spiegel. Ich habe eine Menge blaue Flecken und eine blutige Nase abbekommen, aber sonst nichts weiter. Ich setzte mich erschöpft auf mein Bett und schaute mich um. Ich teilte mir, anders wie die anderen Mädchen im Heim, mit niemanden ein Zimmer. Sie denken ich wäre ein schlechter Einfluss für sie. Ich spürte, wie mir ein paar Tränen die Wänge herunter kullerten.

"Warum weinst du?" hörte ich plötzlich jemanden fragen. Ich schreckte schnell auf und erblickte einen Jungen bei meinem Fenster sitzen. Er hatte rote, dreckige Haare, sah sehr jung aus, um die 11 Jahre, und hatte leuchtend grüne Augen, wie eine dämonische Katze. "Wer bist du?" flüsterte ich ihm zu.

Er grinste freundlich, und er wirkte ein bisschen weniger unheimlich. Ein bisschen. "Ich bin Peter." "Okay, andere Frage. Was machst du hier, Peter?"

"Ich habe gehört, wie die Nonne dich zusammen geschlagen hat." Ich lachte, jedoch ohne Humor. "Die hasst mich. Die hassen mich alle."

"Auf meiner Insel würde dich niemand hassen..." nuschelte er. "Hä?" "Nun, auf meiner Insel würden sie dich mögen." meinte er. "Du hast potenzial, Mary."

Ich runzelte meine Stirn. "Wer ist Mary? Und was für eine Insel?"

Peter lachte leise. "Na du bist Mary!" "Ich bin Marilynn, nicht Mary. Warte... von wo kennst du meinen Namen-"

"Ich habe eine Insel." unterbrach er mich. "Nimmerland. Eine Insel für Kinder, wie mich und dich. Eine Insel ohne Eltern. Eine Insel für Spiel und Spaß, uns wird nichts vorgeschrieben und du bleibst für immer jung." Er hielt mir die Hand hin. "Komm mit, Mary. Komm mit und bleibe mit mir für immer ein Kind!"

Und so naiv, wie ich war nahm ich seine Hand entgegen, ohne weitere Fragen, und rannte mit ihm weg. Weg von den Schlägen. Weg von den Schmerzen.

Wir rannten und rannten, bis wir bei einem Baum mit einem Loch davor ankamen. Er lächelte mich an. Das selbe Lachen, das mich überredet hatte mit ihm fortzurennen. Ich hielte es einfach nicht mehr im Waisenhaus aus. Immer geschlagen werden, immer die Schuld bekommen. Ich wollte einfach nur weg. Ich wollte sogar so sehr weg, dass ich mit einem wildfremden Jungen wegrannte.

"Folge mir, Mary. Folge mir zur Insel voller Spiel und Spaß." Und dann hüpfte er in das Loch. Ich blickte unsicher umher, hüpfte ihm aber auch hinterher.

Im Loch war es stockfinster. Wenn Peter nicht meine Hand hielt, während wir durch den Tunnel liefen, hätte ich gedacht es wäre nur ein Traum gewesen. Als wir dann, endlich, am Ende des endlosen Tunnels ankamen und aus ein weiteres Loch krochen, staunte ich nicht schlecht.

Das war das erste Mal, als ich Nimmerland sah.
Ich dachte, es sei das reinste Paradies.
Ich dachte.


Marilynn und die Verlorenen Jungs | Die Chroniken von Peter PanWhere stories live. Discover now