POV:Anokha
Und dann ging er einfach weiter den Weg entlang, von Lichtkegel zu Lichtkegel, mit seiner seltsamen hölzernen Waffe unterm Arm. Ich verstand ihn nicht. Dachte er wirklich ich würde kein deutsch können? Seit ich wusste, dass ich nach Deutschland fliehen würde habe ich deutsch gelernt, während ich gearbeitet und gespart hatte. Sprechen ist zwar noch schwierig aber verstehen geht. Er hatte gesagt, dass er mir helfen wolle. Natürlich dachte ich, dass sei seine Masche, aber dann ging er einfach weg. Er kann nichts Böses wollen wenn er einfach weg geht. Und dann machte ich mal wieder etwas viel zu riskantes: "Warte!" Ich stolperte ihm hinter her. Meine Knochen taten weh.
"Du kannst ja doch reden", sagte er lächelnd und wartete bis ich ihn eingeholt hatte. Ja, er lächelte mich an. Das machte mir Angst.
"Nischt gut", sagte ich abweisend. Also es sollte abweisend klingen. Eigentlich war es ein leises Nuscheln, das er eh nicht gehört hat.
"Du kannst mit zu mir kommen und essen und dich waschen oder so."
Ich schaute ihn an. Was sollte ich nur machen? Mit gehen und mein Leben riskieren, weil ich so dumm bin und einem tätoowierten Typen mit komischen Klamotten, grünen Haaren und einer hölzernen Waffe vertraue?
Er merkte, dass ich mal wieder nicht fähig war zu reden. "Okay?"
Und dann tat ich es: Ich nickte und ging schnell den Weg weiter, damit ich auch ja nicht auf die Idee kommen konnte wieder umzudrehen.
Und was machte er? Er lachte. Ja, er lachte. Und das machte mir Angst.
"Also wenn du zu meiner Wohnung willst - so würde ich dein Nicken deuten - dann solltest du hier her gehen." Er deutete belustigt auf einen kleineren, abzweigenden Weg. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg, während ich mit gesenktem Kopf an ihm vorbei in die richtige Richtung lief.
Und so gingen wir (er auf der einen ich auf der anderen Seite des Weges) schweigend zu seiner Wohnung.
Dort angekommen zeigte sich, dass die Wohnung nicht ihm allein gehörte. Im Wohnzimmer saßen noch ein junger Mann und eine junge Frau, die fragend von mir über meine Kleidung zu ihm schauten. Oh Gott, was machte ich hier eigentlich?! Ich würde gerade am liebsten einfach um drehen und zurück nach draußen rennen. Aber dazu war es wohl zu spät...
"Guckt nicht so dumm. Sie saß alleine auf der Straße und braucht glaube ich Hilfe...", sagte der Typ der immer noch neben mir stand.
"Ist sie obdachlos?", fragt der ander Mann.
"Ich weiß es nicht..."
"Ja", sagte ich, konnte dabei aber nur den Boden unter meinen Füßen anschauen. Hoffentlich war meine Stimme einigermaßen laut genug gewesen. Ich traf heute außergewöhnlich viele riskante Entscheidungen.
"Und was sollen wir deiner Meinung hier mit ihr machen?", fragte wieder der eine Mann und ich ging intuitiv einen Schritt zurück (wobei ich leider viel zu laut gegen den Türrahmen stieß).
"Ich weiß es nicht...", sagte der Mann der bei mir stand zögernd. Langsam glaubte, ich er könnte nett sein.
Dann stand das Mädchen vom Sofa auf, nahm meine Hand und zog mich hinter sich her in ein anderes Zimmer. Es war das Badezimmer. Irgendwie handelten die Menschen hier alle sehr unerwartet.
"Warte", sagte sie und verließ den Raum. Dann kam sie mir einem Stapel sauberer Klamotten wieder und schloss die Tür hinter sich ab. Sie ließ Wasser in eine schöne Wanne einlaufen und gab rosanes Zeug dazu. Sie holte weich aussehende Handtücher und weitere Flaschen mit komischem Zeug drin aus den Komoden und ich stand in der Ecke des Raumes und wusste nicht ob ich irgendetwas tun sollte.
"Worauf wartest du? Ich guck dir schon nichts weg", sagte sie lächelnd. Ich wusste nicht genau was sie damit meinte, aber ich ging mal davon aus, dass die Wanne für mich bestimmt war. Also zog ich mich so schnell wie möglich aus, um meinen Körper so schnell wie möglich unter der Schaumschicht, die auf der Wasseroberfläche schwamm, zu verstecken. Das Wasser war so wunderbar warm. Und mit der Wärme, die praktisch von meinem Körper eingesogen wurde, kam das Gefühl von Glück. Ich hätte weinen können, weil dieses Gefühl so schön war. So musst sich ein Alkoholiker fühlen der schon viel zu lange auf Entzug war und endlich wieder eine Flasche Wodka bekam... Okay, vielleicht nicht ganz so.
Glück ist etwas anderes.
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Fliegen lernen
RandomAnokha ist vor einem Monat aus Indien nach Deutschland (Köln) geflohen. Sie ist vor Gewalt und Unterdrückung gegen Frauen und Mädchen geflohen und steckt in diese Stadt ihr letztes Stückchen Hoffnung auf ein besseres Leben. Doch gerade hier lernt si...