~ 9 ~

16 3 1
                                    


~ Der Ball ~
•◇•

Nervös zupfte Jimin seinen Anzug zurecht. Taemin hatte ihn bei der Wahl seines Outfits unterstützt, wobei es da nicht viel zu machen gab, denn Jimins Schrank quellte nicht gerade von eleganten Gewändern über. Jetzt glänzte ihm sein goldenes Haar im Spiegel entgegen. Die enganliegende Hose betonte seine Beine, was Jimin nervöser machte, als das simple Make-up, welches seine Lippen und seine Augen betonte. Er spürte ein stärker werdendes Ziehen im Bauch und keuchte auf, doch dann war es vorbei und er schob es auf die Aufregung.

Yoongi stand währenddessen vor dem Eingang der großen Halle an eine Wand gelehnt. Er hatte das Ziehen auch gespürt, heftiger als je zuvor. Nun kribbelte sein ganzer Körper und irgendwo schwirrte der Gedanke in ihm herum, dass tatsächlich etwas nicht mit ihm in Ordnung war.
Namjoon trat zu ihm und zog eine Augenbraue hoch. „Du hast dir doch hoffentlich nichts eingeflößt...?"
Ärgerlich schüttelte Yoongi den Kopf und offenbarte erstmals seinem besten Freund seine Bedenken: „Kann es nicht sein, dass ich unter einem Zauber stehe? Ich habe ständig so ein Ziehen im Bauch... ist irgendwas an mir anders als sonst?"

Namjoons Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse und er tippte überlegend mit dem Fuß auf das Parkett. Dann seufzte er tief und bemerkte: „Also das mit Jimin, dass ist schon ungewöhnlich. Du magst ihn so plötzlich! Finde ich ja gut, er ist ein ganz Süßer, aber es könnte einem schon suspekt vorkommen..."
Dem Älteren wurde schlecht. „Das habe ich auch schon vermutet." Leise fluchend - sodass sogar Namjoon erstaunt zurückwich - fuhr der Ältere sich durch die Haare und zischte: „Ich will das aber wirklich nicht! Ich mag Jimin und ich will ihn nicht nur wegen einem Zauber mögen!"

Mehr konnte er nicht sagen, denn in diesem Moment kam der besagte zusammen mit einem Älteren Schüler die große Treppe hinunter und sah einfach nur umwerfend aus. Yoongis Mund stand offen und Jimin konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Auch Yoongi sah überwältigend aus. Sein Anzug besaß eng anliegende schwarze Ärmel, die sich in Nähe seiner Handgelenke weiteten. Sein Haar viel nach hinten - es war ausnahmsweise ordentlich gekämmt - und ging ihm, wie Jimin überrascht feststellte, fast bis zu den Schultern. „Du siehst aus wie ein Vampirprinz.", stellte Jimin abwesend fest, als er vor ihm stehen blieb.
„Ich hoffe mal, du tanzt gerne mit Vampirprinzen.", raunte Yoongi und nahm seine Hand. Sie waren so gefangen in ihrem Blickaustausch, dass Taemin sich räuspern musste. „Ich geh dann mal mein Date suchen. Viel Spaß euch!"
Auch Namjoon schaute Yoongi noch einmal prüfend an, doch zog sich dann ebenfalls zurück.

„Komm", flüsterte Yoongi und zog Jimin sanft mit sich.
„Warte.", sagte der Jüngere und Yoongi hielt inne. „Du siehst so blaß aus... ist alles in Ordnung?", wollte er wissen. Yoongi schluckte schwer. „Alles ist gut. Ob du es glaubst oder nicht, auch ich kenne so etwas wie Nervosität."
Jimin glaubte ihm fürs Erste, blieb aber aufmerksam, als sie in die festlich geschmückte Halle traten. Yoongi wusste das und fühlte sich zittrig. Das Ziehen war weg, ebenso wie das Rauschen in seinem Kopf, welches so ein Verlangen nach Jimin in ihm ausgelöst hatte. Etwas hatte sich verändert. Die Berührung mit Jimins Hand war kein brennen, welches ihm den Atem raubte. Um Jimins Duft einzuatmen, musste er sich nun näher zu ihm wenden.
Während sie die Blicke von vielen Mitschülern auf sich zogen, die nicht glauben konnten, dass Min Yoongi - wenn auch manche schon das Gerücht gehört hatten, er wäre schwul - mit einem der unscheinbarsten und schüchternsten Schüler des Jahrgangs Händchen hielt, ließ Jimin das Gefühl nicht los, dass etwas anders war als sonst. Yoongis Augen starrten in die Leere, wo sie doch sonst so aufmerksam auf ihm, Jimin, lagen. Der Jüngere verkrampfte sich etwas und Yoongi merkte es. Er zog Jimin näher und sie setzten sich auf die ausgepolsterte Steinbank, die sich am Rand der Halle entlangzog.
„Ich hole uns was zu trinken.", bestimmte Yoongi und ließ Jimin zurück. Nein, da war kein heftiges Ziehen, als er sich von Jimin entfernte. Kein Pochen im Kopf, dass ihm befahl, sich wieder umzudrehen.

Aufgelöst starrte er auf die Reihe an Getränken vor sich. Wer hatte ihm das angetan? Er griff nach zwei Gläsern und füllte sie mit einer hellblauen Flüssigkeit, in der silberne Kristalle glitzerten. Dabei stieß er beinahe mit dem älteren Schüler zusammen, der mit Jimin hergekommen war.
„Hey.", sagte dieser, doch Yoongi starrte ihn nur an. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
Taemin bemerkte Yoongis Missmut, was seine Angst bestätigte.

„Was ist los?", sagte er ein bisschen zu forsch, denn Yoongi hob arrogant seinen Kopf und drehte sich wieder um. Doch das reichte Taemin als Antwort. Der Schleier in Yoongis Augen war weg und der Trank schien seine Wirkung verloren zu haben. „Verdammt...", murmelte Taemin und beobachtete, wie Yoongi sich zurück zum ahnungslosen Jimin begab.

Jimin hätte am liebsten getanzt, doch Yoongi war ungewöhnlich still und das verunsicherte ihn. Er schielte auf den Emerald, der auf Yoongis Brust leicht hin und herpendelte. Dann hielt er es doch nicht aus und fragte: „Was ist los, Yoongi? Du bist heute so... anders."
Jimin wollte Yoongis Hand nehmen, doch als er sah, wie der Ältere sie zur Faust geballt hatte und dabei zitterte, zog er die seine schnell zurück.
Nicht viel später benetzten Tränen seine Augen. So eine Zurückweisung tat weh, ganz egal, wie sehr man sich einredete, dass man selbst vielleicht nicht der Grund dafür war. Aber Jimin spürte, dass etwas passiert war und die Angst übermannte ihn, dass nun alles vorbei sein würde.
Yoongis Bewegungen waren grob, als er sich erst gestresst durch die Haare fuhr, den letzten Schluck aus dem Glas trank und es dann zur Seite stellte. Er entfernte sich zwei Schritte von Jimin und betrachtete den Jüngeren.

Jimin sah für Yoongi noch immer umwerfend aus. Ja, ohne die Symptome konnte er ihn erst wirklich wahrnehmen. Aber konnte er diesem Gefühl, dass er nun als sein Eigenes empfand, wirklich trauen? Was, wenn das alles noch immer eine Illusion war? Yoongi konnte nicht anders, als in sich selbst den Schutz zu suchen, den er durch den Zauber verloren hatte. Ein kalter und unbewegter Gesichtsausdruck unterstützte sein abweisendes Auftreten umso mehr. Plötzlich war der volle Raum mit der heiteren Musik und den vielen bunten Lichtern zu viel für ihn. Für eine Sekunde, als er Jimins Tränen sah, bröckelte seine Fassade und er warf ihm einen bekümmerten und hilflosen letzten Blick zu und drehte sich dann um. Er sah nicht zurück, sondern bahnte sich den Weg nach draußen. Das einzige, was er jetzt erstmal brauchte, war frische Luft.





•◇•

Love Potion || YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt