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~ Im Klassenraum ~
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„So war das nicht geplant.", zischte Hoseok und schaute Jungkook und Taehyung vorwurfsvoll an. Die beiden Jüngeren zuckten nur die Schultern und blickten dann wieder gespannt zu Min Yoongi.
„Vielleicht hat der Trank noch nicht angefangen zu wirken...", überlegte Jungkook leise, ohne seinen Blick von dem Schüler abzuwenden, der vor genau einer halben Stunde den Trank, natürlich ohne es selbst zu wissen, zu sich genommen hatte.
Taehyung schüttelte mit zusammengekniffenen Augen den Kopf. „Kann garnicht sein. Wir haben alles genau so gemacht, wie es im Rezept stand." Hoseok schnaubte genervt. „Warum hat er Liesbeth bloß noch keinen einzigen Blick gewürdigt?"

In diesem Moment erschien - unerwartet und mit einem zischendem Geräusch - ihr Lehrer, mit verschränkten Armen. Dennoch wusste jeder, wie sehr er diese Ankunft liebte, wo kein Regelverstoß vor seinen Augen mehr sicher war und jedes erschrockene Gesicht unter die Lupe genommen werden konnte. Demnach fand kein Schüler diese plötzliche Auftreten besonders amüsant. Die drei Jungen fuhren auseinander, warfen sich noch einen letzten, betroffenen Blick zu und versuchten schließlich, dem Unterricht zu folgen.

Dasselbe versuchte Min Yoongi. Normalerweise hatte er ein stetiges Interesse an dem Unterrichtsstoff. An einer Magierschule war das auch keine Seltenheit. Natürlich gab es manche, die trotzdem keinen Respekt vor den Lehrern und ihrem Unterricht zeigten, doch Yoongi, obwohl er wohl zu den beliebtesten Schülern seines Jahrgangs gehörte - auch aus Sicht derer, die kaum Anteilnahme am Unterricht zeigten - versuchte immer, den Stoff zu lernen und gut abzuschneiden. Vor seinen Schulkameraden vertuschte er dieses Verhalten jedoch und ließ lieber seine anscheinend "coole Art" raushängen, durch welche er vor allem die Aufmerksamkeit vieler Mädchen seines Jahrgangs gewann. Manchmal musste er darüber selbst lachen. Ja, er war sehr beliebt. Ja, er genoss diesen Ruf. Dadurch konnte er seine neuesten Fashion-Ideen, die er manche Nacht in seinen Träumen entwickelte, ausprobieren und schauen, wie die Magier und Hexen reagierten. Er konnte zwar nicht auf direkte Ehrlichkeit zählen, doch er war gut darin, die Blicke von anderen zu deuten. Auch ohne Magie anzuwenden, durchschaute er jene, die so einfach gestrickt waren, dass es ihm bald langweilig wurde.
Nicht alle waren so, natürlich nicht. Auch wenn er es selbst vielleicht noch nicht verstand, er sehnte sich danach, jemanden zu finden, der ihn nicht nur für den eigenen Ruf benutzen wollte, sondern ihn auch verstand. Doch die meisten, die sich bei ihm einschmeichelten, verstanden ihn nicht. Und sie kümmerten sich auch nicht darum, es zu versuchen.

Heute hatten bereits drei Schüler versucht, neben ihm herlaufend zu beschreiben, wie "cool" sein heutiges Outfit war. Seine schwarzen Haare waren mit grünen und blonden Strähnen geschmückt, dessen Farben sich ebenfalls in seinem Oberteil, ein enganliegendes Top widerspiegelten. Bei jeder noch so kleinsten Bewegung schwang ein Emerald gegen den Stoff, den er wie sein Markenzeichen trug, mal als Kette, mal als Ohrring, mal in seinen Haaren versteckt, oder eingenäht in seiner Jacke, oder am Schnürsenkel seines Schuhs. Irgendwo war er immer zu finden. Heute hatte er sich für eine schwarze Lederjacke entschieden, die auf der rechten Seite von seiner Schulter gerutscht war. Die helle Haut zog den Blick einiger Mädchen auf sich.
In seine ebenfalls dunkle Hose waren einige grüne Fäden eingenäht. Seine Augen umgab ein schwarzer Lidstrich. Und mit Magie hatte das alles nicht länger als eine Viertelstunde gedauert.

Trotzdem war Yoongi noch relativ verschlafen gewesen, als er sich seinen Kaffee wie jeden Tag im Frühstückssalon abgeholt hatte - zusammen mit einer Schüssel tropischer Früchte - und zu seinem Unterricht geschlurft war. Schon auf dem Weg dorthin hatte er den Kaffee getrunken, mit halboffenen Augen und mehreren unterdrückten Gähnen.
Währenddessen wurde er von drei Jungen umrundet, die mit ihm wohl über das anstehende Magierschach-Turnier sprechen wollten. Yoongi hatte ihnen kaum zugehört. Er hatte das Gesicht verzogen, da sein Kaffee heute viel zu süß und schokoladig geschmeckt und seltsam blumig gerochen hatte.

Nun saß Min Yoongi auf seinem Platz neben seinem besten Freund, Namjoon, der seit kurzem ein seltsames Muster in seine kurzen Haare rasiert hatte. Yoongi hatte ihn daraufhin nur ausgelacht, da es Namjoon sichtbar nicht gefiel, doch insgeheim inspirierte es den Älteren für einige Outfit-Ideen.

Der Lehrer, ein Mr. Lee, der sie in „Alltagszauber" unterrichtete, ließ - wie so häufig - auf sich warten. In Gedanken versunken starrte Yoongi vor sich hin und ließ seine schwarz lackierten Fingernägel auf den Tisch trommeln. Doch sein eigentlich so unbewegter Blick fixierte ganz plötzlich etwas. Nein, nicht etwas, jemanden...
Es war ein Junge mit blonden Locken und einem gesenkten Blick, der durch die Tür kam und seine Bücher umklammerte, als sei er total nervös. Vielleicht war das aber auch sein ganz normales Auftreten, das wusste Yoongi nicht, denn zuvor hatte er nie besonders auf diesen Jungen namens Park Jimin geachtet. Warum bemerkte er ihn also heute? Warum hatte der Junge mit seinem bloßen Erscheinen seinen Blick auf sich gelenkt, während er alle anderen an sich vorbeisausen sah, ohne sie wirklich zu bemerken? Nur schemenhaft, ein verschwommenes Bild, als sei alles unter Wasser. Nur dieser Junge nicht. Seine Konturen waren klar und das erste Tageslicht streifte geradewegs seine dadurch hell erleuchtete Gestalt. Es war in der Tat ein magischer Moment, doch das konnte Min Yoongi nicht wissen. In dieser Sekunde begann der Trank seine Wirkung zu entfalten und sich seiner Aufgabe als Liebestrank hinzugeben.

Der Junge namens Jimin saß auf der vordersten Bank, jedoch so weit am Rand, dass er sich beinahe unsichtbar machte, indem er sich gegen die Holzwand des dunklen Raumes drückte und sich in einem großen Buch mit goldenem Einband vergrub. Yoongi hob den Kopf, um ihn besser sehen zu können. Er wollte unbedingt noch einen Blick auf das hübsche Gesicht des Jungen werfen, denn hübsch war er genauso wie er schüchtern war.
Der Ältere hatte schon oft gehört, wie andere Schüler den Schüchternen als Streber gehänselt hatten. Es hatte ihn nie interessiert, denn Leute, die so etwas erzählten, gehörten zu jenen, die Yoongi erst garnicht beachten wollte. Doch jetzt brodelte plötzlich Wut in ihm auf. Sein Herz machte einen Satz bei dem Gedanken, wie falsch es war und wie schlimm sich Jimin sicherlich fühlte, in solchen Momenten, hilflos ausgeliefert. Es raubte ihm sicher einiges an Kraft und Selbstvertrauen. Wie konnten alle nur solche Arschlöcher sein? Und wieso hatte er selbst nie einen Finger gerührt? In Zukunft würde er etwas dagegen unternehmen, sollte es irgendjemand wagen, diesen Jungen zu beleidigen! Auch, wenn er dadurch sicher viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen würde... Aber an das Gerede von anderen war er ja schon gewöhnt und so würde es ihm selbst nichts ausmachen, wenn er dadurch den Jüngeren in Schutz nehmen konnte.

Verblüfft über seine Gedanken, die in so kurzer Zeit so tief und emotional geworden waren, richtete sich Yoongi ein wenig auf, straffte die Schultern und schaute sich verstohlen um.
Er brauchte eine Weile, um sich von seinen rasenden Gedanken abzuwenden und sich auf den bevorstehenden Unterricht zu konzentrieren.
Er betrachtete noch immer die kleine Hand, die geschmeidig die Seiten des Buches umblätterte, die goldenen Locken, die ihm unbändig ins Gesicht fielen, die dunkelbraunen Augen, fokussiert und sanft, selbst dann noch, als ihr Lehrer von einem Moment auf den anderen auf seinem Schreibtisch saß und verschmitzt nach einem Verbrechen ausschauhielt.

Doch auch während dem Unterricht viel es Min Yoongi heute schwer, sich zu konzentrieren. Ständig schaute er zu dem hübschen Jungen herüber, der eifrig mitschrieb, was der alte Magier erzählte. Als es zur Pause klingelte, war er überrascht, dass Jimin, nachdem er seinen Stift zur Seite gelegt hatte, aufschaute, direkt in Yoongis Augen. Erschrocken schaute Jimin jedoch sofort wieder weg und bewies damit erneut seine Schüchternheit, die Yoongi irgendwie gefiel. Ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen. Nach diesem seltsamen Moment entschloss Yoongi, am nächsten Tag einen Schritt auf ihn zu zu wagen.





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Love Potion || YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt