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~ Nach dem Unterricht ~
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Der Unterricht verging viel zu schnell und als die Turmglocke das Ende der letzten Stunde ankündigte, packte Yoongi möglichst träge und langsam seine Sachen zusammen. Er wollte warten, bis der Raum möglichst leer war, um Jimin nochmals anzusprechen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er den ganzen Tag lang keinen Blick auf irgendjemand anderen gerichtet hatte. Nur Namjoon hatte er am Morgen knapp von seinem Vorhaben berichtet. Die einzelnen Schüler, die nun an ihnen vorbeiliefen, warfen einen mal mehr und mal weniger verwunderten Blick auf die beiden. Yoongi konnte das ohne Mühe ignorieren, denn er machte sich nicht viel aus der Meinung anderer, wenn es sich für ihn selbst doch so richtig anfühlte. Ja, es fühlte sich verdammt richtig an, sich mit Park Jimin anzufreunden und er konnte noch immer kaum glauben, wie plötzlich sich dieser Gedanke geformt hatte. Beinahe so, als wäre Magie mit im Spiel. Natürlich konnte er nicht ahnen, dass genau das der Fall war.

Jimin stand mit weichen Knien auf. Als er all seine Sachen zusammengesucht hatte, bemerkte er nicht ohne Überraschung, dass Yoongi noch neben ihm stand und auf ihn zu warten schien. Ein wenig irritiert blickte er zu dem Älteren auf.

„Du sitzt häufig alleine in der Bibliothek.", bemerkte Yoongi und seine sanfte Stimme tastete nach Jimins Vertrauen. Der Jüngere war von der ganzen inneren Aufregung geschwächt und blickte Yoongi bloß mit fragenden Augen an. Jimins Meinung nach sah Yoongi immer gut aus. Er war jedesmal gespannt, welches außergewöhnliche Outfit ihm am nächsten Tag den Atem rauben würde. Yoongis Kreativität wurde von Jimin ebenfalls sehr bewundert. Es war schon oft passiert, dass er beim Anblick des Älteren errötete, weil er genau wusste, dass er später im Bett liegen und an Yoongi denken würde, und wie sich die enge schwarze Hose an seine blasse Haut schmiegte oder wie sich das Hemd bei jedem Atemzug straffer zog. Mit solchen Gedanken im Kopf schlief Jimin häufig ein. Seine Träume, in denen er jede Kontrolle verlor, die er im Wachzustand vielleicht hatte, wurden von Leidenschaft und Verlangen gefüllt.

Jetzt kramte Jimin in seinem Kopf nach einer Antwort. Er zuckte verlegen die Schultern und sagte zögerlich: „Es ist immer schön ruhig in der Bibliothek. Man kann gut lernen."
Yoongi nickte verständnisvoll, doch er wandte seinen Blick noch immer nicht von dem Jüngeren ab. „Hättests du was dagegen, wenn wir mal zusammen lernen?"
Jimin schaute ihn mit großen braunen Augen an. Hastig fügte Yoongi noch hinzu: „Ich will mich nicht aufdrängen. Du kannst auch nein sagen. Aber ich dachte es würde vielleicht Spaß machen, sich ein wenig zu unterhalten. Ich möchte dich gerne besser kennenlernen."

So sehr seine Gedanken in dem Moment auch rasten, konnte Jimin kurz nicht anders, als zum Fenster zu schauen, wo ein warmer Lichtstrahl gerade das Laub glitzern ließ und ein leichter Wind durch die Bäume strich. Jimin blinzelte, prüfte, dass er stetig atmete und blickte wieder zu Min Yoongi, der von einem Tag auf den anderen ein Interesse für ihn zu haben schien. Jimin erlaubte sich ein schwaches Lächeln und nickte schließlich.
„Ja, das können wir gerne machen. Es wundert mich ein wenig,..." Jimin musste sich räuspern, als er merkte, dass er so leise sprach, dass er selbst kaum ein Wort verstand. „Es wundert mich ein wenig, dass du das so plötzlich möchtest, aber warum auch nicht. Wie wäre es gleich heute nach dem Abendessen?"
Yoongi stimmte freudig zu und nahm seine Tasche, wobei sein Ring mit dem Emerald nochmals aufblitzte. Dann war er aus dem Raum. Der Gang war dunkel, im Gegensatz zum Klassenzimmer. Oder lag es an Jimin, der ihm so ein warmes Gefühl vermittelt hatte, welches sich jetzt, wo Yoongi sich von ihm entfernte, in Frost verwandelte? Jimins letzte Worte schwebten noch in seinen Gedanken. Dass du das so plötzlich möchtest...

Es stimmte, dieser Ehrgeiz war neu. Er fühlte sich ganz plötzlich zu Jimin hingezogen. So mehr er darüber nachdachte, umso merkwürdiger kam ihm dieses unvermittelte Interesse vor. Was war der Grund? Doch der Zauber des Trankes lenkte seine Gedanken nun in eine andere Richtung. Im Licht hatte Jimins Haar einen goldenen Stich bekommen und Yoongi erinnerte sich noch immer an den kurzen Moment, in welchem Jimin seine Lippen befeuchtet hatte, dass sie geglänzt hatten. Er hatte sehr schöne, volle Lippen, um die ihn sicher einige Mädchen beneiden würden, wenn diese ihn überhaupt einmal ohne ihre Vorurteile anschauen würden, die sie so blind machten. Yoongi wusste schon jetzt, dass er bei der nächsten Gelegenheit einen zweiten, vielleicht auch einen dritten Blick auf diese Lippen werfen wollte. Was schadete es schon?

Yoongi konnte nicht ahnen, dass Jimin in diesem Moment an dasselbe dachte. Mit seiner jugendlichen Verliebtheit war es kein Wunder, dass der Gedanke daran, wie er und der Ältere sich küssten, in seinem Kopf umher tanzte, als er mit ruhigen Schritten die bereits leeren Flure durchquerte, um zu seinem Zimmer zu gelangen. Im Gemeinschaftsraum traf er auf zwei Mitschüler, die ihm still zunickten und sich dann wieder in ihre Schulbücher vertieften. Leise Musik ertönte aus einer Ecke.

In seinem Zimmer, welches - wie auch jedes andere -  bloß mit einem Bett, einem hohen Schrank mit Spiegel und einem schmalen Fenster ausgestattet war, wühlte er in seinen Sachen. Anstatt sich zu überlegen, welche Hausaufgaben er zuerst erledigen sollte, war er nun damit beschäftigt, die richtige Kleidung zu finden. Er könnte zwar auch die Schuluniform anziehen - welche trotz freiwilliger Nutzung von einigen Schülern ab und zu getragen wurde, sowie zu Festlichkeiten oder besonderen Veranstaltungen - doch wollte er gerade gegenüber Yoongi nicht auf solch langweilige Weise erscheinen.
Er entschied sich für einen lockeren dunkelgrünen Pulli mit einem abstrakten Katzenmotiv. Mit einem aufgebrachten Seufzer fuhr er sich durch die Haare und lief ins Bad, um sich frisch zu machen, bevor die Glocke zum Abendessen ertönte.

Meistens saß Jimin neben seinen Zimmernachbarn, mit denen er sich auch ein Gemeinschaftszimmer teilte. Jimin war zu schüchtern und zu wenig daran interessiert, sie intensiver kennenzulernen, doch ab und zu redeten sie doch miteinander. Manchmal konnte er in der Menge der älteren Schüler auch Taemin ausmachen. Er war der einzige Freund, den er hier hatte und dem er alles anvertrauen konnte. Auch heute hatte der Ältere einen Platz für ihn freigehalten. Jimin setzte sich zufrieden, kam aber nicht darum herum, sich nach Min Yoongi umzusehen, welcher soeben die Halle betrat. Auch Yoongis Blick schweifte umher, bis seine wachen Augen für einen kurzen Moment auf Jimin ruhten. Sie tauschten ein stummes Lächeln aus, bis Jimin zu nervös wurde und sich wieder Taemin zuwendete, welcher die Situation aufmerksam beobachtet hatte.

„Du scheinst ja ganz glücklich zu sein. Ist etwas passiert?"
Jimin schaufelte sich die warme Suppe in den Mund und seufzte glückselig.
„Es ist schon seltsam, Taemin.", gab er zu. „Min Yoongi hat sich heute neben mich gesetzt. Einfach so! Und er will später mit mir in der Bibliothek lernen. Was glaubst du, soll das bedeuten?"
Beim letzten Satzt ging seine Stimme so hoch, dass er sich anschließend verlegen räusperte. Taemin lachte kurz auf und zuckte dann mit den Schultern, während er innerlich jubelte. Alles lief nach seinem Plan. Wenn es weiter so ging, würde Jimin vielleicht doch noch die Chance haben, ein Leben außerhalb seiner Bücher zu führen.

Als sich der Saal gemächlich leerte und der Geräuschpegel dumpfer wurde, blickte Jimin wieder zu dem Tisch, an dem Yoongi saß. Dieser stand gerade auf und brachte seinen Teller weg. Jimin beeilte sich, dasselbe zu tun, wobei er beinahe stolperte und sich nur knapp von Taemin verabschiedete. Yoongi grinste ihn freundlich an und sie schlenderten nebeneinander in Richtung Bibliothek.





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Love Potion || YoonminWo Geschichten leben. Entdecke jetzt