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Auf den viertägigen Ritt nach Hause machte ich mir über folgende Dinge Gedanken.

1. Ich hasste es, die Kontrolle abzugeben.

2. Ich würde mir von meinen Schwestern ordentlich was anhören müssen, da ich oftmals keine Briefe schrieb.

3. Meine Mutter

4. Mein Vater

5. Das Komitee

6. Meine Mutter

Wie definiere ich die Beziehung zu meiner Mutter wohl richtig?

Wir hatten eigentlich schon immer ein sehr distanziertes Verhältnis zueinander. Was mir als kleines Mädchen immer Tränen in die Augen trieb, wenn ich sah, wie sie mit meinen anderen vier Geschwistern umging. Soweit es ihrer kalten Persönlichkeit gestattet war, zeigte sie ihren Kindern wenigstens irgendeine Art der Zuneigung. Allein die Tatsache, dass sie Tobias seine künstlerische Ader erlaubte oder Liza ihre Faszination für die Medizin, sprach für sich. Ich wurde lediglich mein Leben lang von ihr toleriert. Als wäre ich ein Haustier, dass sie nicht loswird.

Diese Gedanken ignorierte ich so gut ich konnte und konzentrierte mich allein auf die angenehme Stille zwischen mir und meinem Bruder. So war das schon immer zwischen uns gewesen. Wir brauchten keine Worte, um eine starke Bindung zueinander zu haben. Vielleicht lag es auch einfach nur an unserer Verbindung als Drillinge. Im Prinzip war mir das aber auch völlig egal.

So ritten wir schweigend weiter und erblickten bald fünf große goldene Türme, die sich immer gen Himmel bewegten, je näher wir kamen. Schloss Ferrah. Unser „Zuhause". Es war eher ein Haufen aus gelbglänzendem Metall, welches ganz hübsch angerichtet war. Gold war das Wahrzeichen unseres Landes. Es symbolisiert Macht und Reichtum. Und es glänzte so makellos. Pure Perfektion.

Der Ort, an dem ich aufgewachsen war, lag auf einer kleinen Insel, die genauso groß war wie das Gebäude. Es gab zwei Brücken, die uns mit dem Festland verbanden, die, was für eine überraschende Wendung, ebenfalls aus Gold waren. Knapp eine Stunde später sattelten wir uns ab und betraten die großen Flure. Ein Geruch von Sandelholz kam entgegen als uns gesagt wurde, die Königin erwartete uns im Kronsaal. Greyson und ich wanderten durch die langen Gänge, bogen um einige Ecken und da waren wir. Eine Wache öffnete die große Tür, die mich eher an ein Tor erinnerte. Sie war mindestens zehn Meter hoch und mit vielen eingravierten Figuren beschmückt. In der Mitte war das wichtigste Symbol. Der König von Ferrah, der dem Gottvater Khadon gegenüberstand. Ob diese Begegnung jemals wirklich passiert war, wusste ich nicht, aber seither reichte es als Rechtfertigung für unsere Legitimität immer aus.

Mit einem heftigen Schwung wurden die beiden Tore geöffnet und die wahnsinnige Größe des Thronsaals verschlug mir immer wieder die Sprache. Ich versuchte mich davon aber nicht ablenken zu lassen, als Greyson und ich mit durchgedrückten Schulterblättern und hochgereckten Kinn auf den Thron zugingen, in dem die Königin saß. Ihr goldenes Haar fiel perfekt ihren Rücken hinunter, während es hinter ihre Ohren gesteckt war. Ihr Gesicht zeigte keine Hinweise auf ihr Alter und die goldenen Partikel auf ihrer Wange und den Augenliedern untermalten ihre Schönheit. Mutters Arme lagen jeweils auf einer Sitzlehne und ihre Finger bewegten sich leicht hin und her. Sie war einschüchternd und zeitgleich so wunderschön, dass es bewundernswert war.

Während Greyson seinen Oberkörper um neunzig Grad nach unten bewegte, machte ich einen tiefen Knicks. „Eure Majestät", begrüßte mein Bruder sie. Erst als sie ihren Kopf kaum merklich nach unten bewegte, entspannte sich ein Teil meines Körpers. Es war wichtig, dass die Königin deine Begrüßung bestätigte, sonst galt sie als nicht erfüllt und damit als respektloses Verhalten gegenüber der Herrscherin. „Wir sind euerer Bitte nachgekommen. Nun erwarten wir die versprochene Erklärung.", sagte ich und setzte eine feste Maske auf. Vor ihr würde ich mich nicht klein machen lassen. Zumindest musste ich sie das denken lassen. „Immer mit der Ruhe, Maeve. Ich hatte nichts anderes vor zu tun." Ich wartete. „König Ferrn war sechsundzwanzig als er den Thron bestieg und Khadon zu uns heruntergestiegen ist. Dieses Alter stellt für die Familie Gaswyn eine große Bedeutung da." Hieß nichts anderes als, wir werden eher ihn feiern als euch drei. Aber das beantwortete noch immer nicht die Frage, wie unserer Zukunft damit drinsteckte. „Zu diesem besonderen Alter werden wir eine eine Woche lange Veranstaltung im Namen des Prinzen und der zwei Prinzessinnen geben."

Die Königin erhob sich und ihr schimmerndes Kleid fiel in all seiner Pracht nach unten. Es war trägerlos und schmiegte sich perfekt an die schlanke Figur meiner Mutter. Dann ging sie die drei Stufen des Podestes hinunter, auf dem der goldene Thron stand und bewegte sich auf Greyson zu. Mit der Rückseite ihrer Hand für sie leicht über seine Wange. „Es wird Zeit, dass dieser endlose Krieg ein Ende findet."

Ihre Stimme war voller Wut und Verachtung. „Also werden wir sie zur Strecke bringen. Ein für alle Male" Mein Gefühl sagte mir nichts Gutes. Was bei allen Göttern hatte sie vor. Etwas in mir wusste zwar die Antwort, aber ich traute mich nicht, sie auszusprechen. „Was hast du vor?", fragte ihr ältester Sohn. „Der König hat der Einladung zugestimmt." Alles wurde still. Das kann unmöglich wahr sein. Der Herrscher Nidorias war ein taktischer Tyrann, der diesem Krieg mehr Zuspruch gab als irgendjemand zuvor. Dass dieser Mann der Einladung des Feindes nachgeht, konnte nur bedeuten, dass er sich viel mehr als nur eine prachtvolle Feier versprach. Bei dem Gedanken, welche Möglichkeiten ihm hier zur Verfügung stehen, wurde mir regelrecht schlecht. „Mutter, die Entscheidungen, die du hier triffst, könnten schwere Folgen mit sich bringen. Ich hoffe du bist dir dem bewusst." Ihr Blick durchleuchtete mir mit so einer Abneigung, dass ich nur schwer Gleichgültigkeit ausdrücken konnte. Dann kam sie auf mich zu. „Maeve, hinterfrage niemals meine Entscheidungen. Hast du das verstanden?" Ich bewegte meinen Kiefermuskel und baute mich vor ihr auf. Dass sie deutlich größer war als ich, machte es mir damit nicht leichter. „Dass werde ich auch nicht, wenn ich in der Lage wäre, sie zu verstehen. Einen Jahrhundertelangen Gegner in das Herz unserer Landes zu lassen, ihn nur wenige Meter von unseren Zimmer nächtigen zu lassen. Ich verstehe es nicht." Sie schnaubte. Was für ein dummes Huhn ich doch war. „Bevor er auch nur versuchen kann, hier irgendein Schaden anzurichten, werden wir eingreifen. In dem wir ihn umbringen."

Die Chronicken der gehassten PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt