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Zugegebenermaßen war ich sehr nervös, als ich auf Liza wartete. Meine Schwester hatte in den letzten Jahren viele große Veränderungen durchgemacht und ich konnte an keinem davon teilhaben. Daraus hatte ich gewaltige Schuldgefühle entwickelt, die mir manchmal noch feste Stiche zufügten. Ihre Verlobung... Ihre Hochzeit... Der Abschluss an der medizinischen Akademie... Und der Beginn ihrer Schwangerschaft. Schätzungsweise müsste sie jetzt im zweiten Trimester sein.

Bevor ich meine Gedanken weiter entwickeln konnte, gingen die Türen des etwas kleineren Saales auf, in dem ich mich befand, und da war sie.

In vielerlei Hinsicht waren wir beide sehr unterschiedlich, aber man merkte es besonders an der Art, wie man jemanden wahrnahm. Während meine Schwester den völligen Raum einnahm und mit ihrer netten und lieblichen Art bestrahlte, wirkte ich kalt und distanziert. Wie auch immer man uns beschreiben wollte, es würde immer sehr unterschiedlich ausfallen.

„Maevi!", rief Liza und lief in meine Arme. In vertrautes Gefühl umgab mich als ich sie fest an mich drückte und mein Kinn auf ihre Schulter legte. Ich hatte sie noch mehr vermisst, als ich dachte.

Nach einiger Zeit lösten wir uns wieder voneinander und ich schaute sie an. Irgendwie war sie... reifer? Erwachsener auf jeden Fall, aber auch sehr ausgeglichen und rein. „Hallo du.", sagte ich und lächelte leicht. „Wie geht es dir?", fragte sie mich. „Wie es dir geht, ist wohl deutlich wichtiger." Ich blickte auf die deutlich sichtbare runde Kugel auf ihrem Oberkörper. Sie strahlte und ihr Grinsen ging hoch bis zu ihrem blonden Haaransatz. „Uns geht es super. Die oberste Heilerin hat dem Baby volle Gesundheit und ein gutes Wachstum diagnostiziert. Abgesehen von meinen schmerzenden Brüsten, den dicken Füßen und gnadenlosen Heißhunger auf süße Früchte." Sie sendete mit der Hand ein Signal an einen Diener und wir alle wussten, was sie wollte. „Könnte ich nicht glücklicher sein." „Das ist wunderbar", gab ich nur zurück. Natürlich freute ich mich so sehr für sie.

Das Erstaunlichste daran war nur, dass wir am selben Tag, im selben Bett geboren wurden. Wir sind zusammen aufgewachsen, haben dasselbe gegessen und dieselben Lehrer gehabt. Und doch sind unsere Leben in so unterschiedliche Richtungen gegangen.

Es war nicht so, als hätte ich kein Interesse an diesem Leben, aber irgendwas in mir hielt mich noch so stark davon ab, dass ich mir nicht mal den Gedanken einer eigenen Familie erlaubte.

„Du bist der Frage aus dem Weg gegangen." Meine Augenbraue ging nach oben. „Was meinst du?" „Ob es dir gut geht, du Dummkopf." Ich wendete den Blick ab und schaute auf den Diener, der in der Zwischenzeit das frische Obst gebracht hatte. Ich nahm mir ein Stück Melone vom Tablett herunter, während sich Liza mehrere Erdbeeren schnappte. „Was willst du hören?" Ich steckte mir die saftreife Frucht in den Mund.

„Ich komme klar. So wie immer". „Oh Götter." Ihre Enttäuschung über meine Antwort war ihr ins Gesicht geschrieben. Wir saßen mittlerweile auf einem extrem gemütlichen Sofa und Liza krabbelte bis zur Lehne und nahm sich ein Kissen auf dem Schoß. Ich blieb am Rand und nahm mir noch etwas von der Obstplatte. „Ich hatte mir ein bisschen mehr als das erhofft." Für ein Streitgespräch war ich zu erschöpf, also wechselte ich das Thema. „Hat Mutter dich bereits über unsere Ehrengäste informiert?" Sie nickte. Es war aber eher eine gezwungene Geste mit einem glatten Strich, der den Mund ersetzte. „König Tristan und seine fünf Leibwächter." Das machte mir am meisten Sorge. Ich war Tristan bisher nicht begegnet, aber drei der fünf Sicherheitsmännern schon. Draußen auf dem Feld. Kein Wunder, dass sie immer an der Seite des Königs standen. Sie sind schnell, präzise und zeugen von großer physikalischer Kraft und Ausdauer. Es war kaum möglich für mich gewesen, gegen sie anzukommen.

„Es wird nicht einfach, aber mit ganz viel Glück, kommen wir ja zu einem Friedensabkommen. Es muss doch was heißen, wenn sie den ganzen Weg auf sich nehmen." Ich dachte kurz nach, bevor ich antwortete. „Da bin ich mir nicht so sicher. Ich befürchte eher, dass es sich in die andere Richtung bewegt." „Ach, hör auf mit deinem Pessimismus. Lass uns doch einfach hoffen." Ja, Hoffnung war gut. Bis du enttäuscht wirst.

Obwohl mein Körper völlig erschöpft von der langen Reise war, musste ich am selben Abend noch etwas Wichtiges erledigen.

So schmiss ich mir einen schwarzen Mantel über und zog die Kapuze tief in mein Gesicht. Darauf folgten gleichfarbige Lederhandschuhe. Ich schaute in den großen Wandspiegel neben meinem Bett und wog jedes Detail meines Körpers ab. Wer mich nicht im Detail kannte, hatte keine Chance mich zu erkennen. Trotzdem ging ich auf Nummer-Sicher und zog mir zusätzlich auch eine Maske über Nase und Mund. 

Dann ging ich auf mein großes Fenster zu, öffnete es und sprang auf das Fensterbrett. Die kühle Nachtluft drückt sich mir entgegen und ich schaute nach unten. Es waren circa Zehn Meter von meinem Zimmer bis zum Boden. Das würde ich schaffen. Vorsichtige drehte ich mich um und kletterte Schritt für Schritt an der Wand hinunter. "Du wirst ärger kriegen, wenn Mutter das herauskriegt." Ich gab mir große Mühe nicht zusammenzuzucken und in die tiefe zu stürzen, aber die Stimme von Athea machte es mir nicht so leicht. Meine kleine Schwester lehnte sich entspannt aus ihrem Zimmer und schaute auf den weit entfernten Wald, der sich dort erstreckte. "Freute mich auch, dich zu sehen.", sagte ich, während ich zu kämpfen hatte, mein Gewicht zu halten, während ich einem anderen Fenster auswich. "Wo willst du hin?", fragte sie zurück und blickte in meine Richtung. Sie war in meiner linken und zog eine Augenbraue hoch. "Raus hier. Die wenigen Stunden haben völlig ausgereicht, dass ich wieder zurück will." Keine Lüge, nur um das klarzustellen. Nur auch nicht die völlige Wahrheit.

"Pass auf, dass du gegen Sonnenaufgang wieder da bist. Sie kontrollieren dann die Zimmer." ich nickte und ließ mich die letzten Meter fallen. Wie ein Geist schlich ich durch den königlichen Garten und verschwand in den vertrauten Schatten der Finsternis. 


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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 09 ⏰

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Die Chronicken der gehassten PrinzessinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt