Kapitel 2

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Seit zwei Tagen waren nun wirklich alle Kostüme fertig. Der eine Faltenrock für Ruby hatte Romy nochmal Kopfschmerzen bereitet, aber nun war alles soweit für den Abtransport. Die ersten vier Wochen würde auf Schloss Marienburg gedreht werden. Sie hatte das Schloss natürlich mal gegoogelt und die Bilder dort waren vielversprechend.
Ein Laster der Produktionsfirma fuhr auf den Hof und hielt mit einem ächzen vor Anette und Romy.
„Nun ist es soweit und ich muss mich von dir und den Kostümen verabschieden" sagte ihre Chefin und schniefte dabei leicht theatralisch.
Romy hatte schon einmal miterlebt, wie schwer es manchmal für Anette war, ihre so geliebten Kostüme aus der Hand zu geben. Sie konnte es nachvollziehen. Monate lang hatten sie daran gearbeitet. Besonders an denen der Hauptfiguren, aber auch um die Kompassen mussten sie sich kümmern. Viel Aufwand steckte in jedem der Kostüme und vor allem Herzblut der beiden Schneiderinnen.
„Und du bist dir sicher, dass du das alleine schaffst dort? Ich könnte noch immer ein Bekannte anrufen" bot Anette mal wieder an.
„Anette ich schaffe das. Ich kenne alle Kostüme. Mach dir keine Sorgen und kümmere du dich um dein Würmchen im Bauch"
„Das mach ich. Aber vergiss nicht, dass so ein Drehort etwas Magisches hat. Genieß es auch. Ich hab Akin damals auch auf einer Produktion kennengelernt. Vielleicht ist dieser Damian ja etwas für dich. Oder irgendwer anderen. Da waren ja noch ein zwei andere Typen dabei" zwinkerte sie ihr mütterlich zu.
„Du bist wirklich schlimm. Die Typen könnten totale Arschlöcher sein. Wir kennen sie doch nicht. Außerdem wer sagt, dass ich Damian attraktiv fand" verteidigte Romy sich.
„Ich bin jetzt 33. Da sehe ich sowas" beharrte sie nur, bevor beide sich an die Arbeit machen und zig Kostüme, Assessors und und und verluden. Der Fahrer half netterweise, da Anette natürlich anstrengende Arbeit vermeiden musste jetzt kurz vor der Entbindung.

„Jetzt bist du so groß und selbstständig, dass du mich nicht mehr brauchst" schniefet Anette, als alles verstaut war und es ans verabschieden ging.
Ihren großen Koffer, ihre Nähmaschine und ihre Tasche hatte Romy ebenfalls verstaut.
„Ach was, ich werde bestimmt mal anrufen und kleine Fragen an dich haben" lächelte Romy und nahm ihre Chefin in den Arm.
Dann strich sie vorsichtig über ihren Bauch.
„Und mach du deiner Mama nicht noch mehr sorgen" sagte sie leise, was Anette zum lachen brachte.
„Wir sehen uns"
„Ja" und damit stieg sie in den Wagen zu dem Fahrer.

„Die Kostüme kommen in Raum Nummer A47. Das wird die Drehzeit über der Raum für Kostüm und Hair&Makeup sein" wies sie die Produktionsleitung an, als Romy und der Fahrer des Lasters, welcher sich als Lars vorgestellt hatte, auf dem riesigen Hof parkten.
Nochmal gut zwei Stunden später war Raum A47 komplett eingerichtet. Während die eine Hälfte mit Makeup vollgestellt war, waren auf der anderen Seite die Unmengen an Kostümen.
„Wow sieht das Kleid geil aus" hörte Romy eine Stimme und drehte sich zur Tür.
Eine Frau, vielleicht mitte dreißig und ein Mann im selben Alter standen dort und betrachteten die Kostüme.
Da sie unsicher war, was sie sagen wollte, lief sie auf die beiden zu.
„Hi, ich bin Romy und für die Kostüme verantwortlich" stellte sie sich vor.
„Lara, ich mach das Makeup und die Haare" lächelte sie die Frau mit leicht lila Haaren und auffälliger Schminke freundlich an.
„Fiete. Und wenn du sie fragen würdest, dass wäre ich ihr Assistent, aber so ganz stimmt das nicht mehr" lachte dieser und Romy stimmte mit ein.
Die beiden wirkten nett auf den ersten Anblick. Mit ihnen in einem Raum würde es bestimmt lustig werden die nächsten vier Wochen hier.

Am frühen Abend kam sie müde in dem Hotel an, welches für die gesamte Zeit ihre Unterkunft sein würde. Hier wohnten die Schauspieler, aber auch die Crew. An der Rezeption hatte sie ihre Zimmerkarte bekommen und sich mit ihrem Kram auf den Weg gemacht.
Gerade als sie die Tür geöffnet hatte und ihren Koffer in den Raum geschoben hatte, machte ihr Handy einen Ton. Eine Neue Nachricht.
>Bist du schon im Hotel?< kam es von Harriet.
>ja gerade angekommen. Zimmer 412< antwortete sie, bevor sie sich aufs weiche Doppelbett fallen ließ.
Das Zimmer war erstaunlich gemütlich eingerichtet. Das Doppelbett stand an der linken Wand. Rechts ging die Tür für das Badezimmer ab. Neben dem Schrank gab es eine kleine Kochzeile, was Romy schätzte. Schließlich wusste sie nicht wie das Essen hier im Hotel sein würde oder wie das Catering beim Set war, denn sie war noch nie an einem Set gewesen. Außerdem bot der Raum einen Schreibtisch, an welchem sich locker Reparaturen an Kostümen machen ließen, wenn sie es vor Ort nicht mehr schaffte.
Gerade als sie genüsslich einmal die Augen zu machen wollte, klopfte es an ihrer Tür. Romy schwang sich aus dem Bett und lief die paar Schritte zur Tür. Als sie öffnete stand ihr Harriet gegenüber.
„Hey" sagte diese strahlend und legte ihre Arme um Romy.
Die beiden waren nicht besonders groß, aber Harriet war deutlich zarter gebaut. Durch das intensive Training der letzten Jahre hatte Romy ihren Körper gut in Form gebracht. Sie war zufrieden mit ihrem Körper und dem was er leistete. Und sie hatte ihre Kurven zu lieben gelernt. Sie erinnerte sich noch an doofe Sprüche von anderen während ihrer gemeinsamen Schulzeit. Harriet hatte immer gesagt bekommen, dass sie zu dünn sei und ihr wurde immer gesagt, dass ihr Körper ja schon so reif war. Allein bei dem Begriff konnte sie kotzen, denn es waren meist erwachsene Männer gewesen, welche auf ihre Brust, ihren Po oder ihre Taille gestarrt hatten. Ihr schauderte es bei dem Gedanken und sie verbot sich dieses Erinnerungen.
Viel mehr freute sie sich darüber Harriet zu sehen. Die letzten zwei Wochen hatten sie ab und an geschrieben und Romy fühlte, wie viel ihr diese Freundschaft früher bedeutet hatte. Doch es war nicht wie früher. Aber wie auch, sie hatte ihre ganz eigene Geschichte in der Zwischenzeit gehabt. Vielleicht würde das zwischen ihnen beiden wieder werden. Sie hoffte es irgendwie.
Harriet war immer eine gute Freundin gewesen und es tat ihr leid, diese Freundschaft so plötzlich beendet zu haben. Sie würde es ihr irgendwann erklären. Das war sie ihr schuldig.
„Wie geht es dir? Und hast du schon das Schloss gesehen? Das ist einfach Wow" redete Harriet drauf los und lief an Romy vorbei ins Zimmer.
„Ja ich war bereits dort. Es ist unglaublich. Ich hab mich wie eine kleine Prinzessin gefühlt" gab sie zu und die beiden ließen sich auf dem kleinen Sofa nieder.
„Die anderen sind außerdem auch alle echt nett. Ich hab schon Lara und Fiete kennengelernt, die sind neben dir dafür verantwortlich, dass wir unwiderstehlich aussehen" redete Harriet drauf los.
„Die beiden habe ich auch schon kennengelernt" antwortete sie.
„Heute Abend lernst du den Rest kennen oder sonst morgen" sagte Harriet, welche von Castings, Besprechungen und Proben die meisten hier zu kennen schien.
„Justus, Ben und Frederic hab ich schon gesehen. Damian kommt vermutlich erst kurz vor den Essen an. Ich hatte mit Runa und Sonja überlegt, ob wir nicht heute Abend was zusammen machen wollen. Morgen ist ja noch kein Drehtag und um sich gegenseitig besser kennenzulernen ist das doch super" sprudelte die Idee aus der braunhaarigen raus.
„Darf ich da denn mit? Ich bin ja nur Crew" sagte Romy zögerlich, weil sie unsicher war, ob sie wirklich willkommen war.
„Natürlich. Bis jetzt haben wir alle in unserem Alter gefragt. Also kommst du logischerweise mit. Ben, Justus und Frederic kommen auch. Außerdem ist es doch gut, wenn du die alle bisschen besser kennst. Schließlich Kleides du sie ein" sagte Harriet und stupste Romy an.
Ben, Justus und auch Frederic hatte sie bei den Kostümproben kurz kennengelernt. Die Namen sagten ihr etwas. Die Tage nach Damian und Harriet waren sie dort gewesen und auch noch ein paar erwachsene Rollen wie James Eltern. Am zweiten Tag der Kostümanprobe hatte Romy außerdem das offizielle Drehbuch erhalten, in das sie sich fleißig reingelesen hatte. Nun war ihr die Story bekannt. Auch Sonja und Runa sagten ihr deshalb wage etwas.
„Na dann bin ich dabei" stimmte sie zu und Harriet fiel ihr freudig um den Hals. Die braunhaarige war schon immer eine Kontaktfreudige Person gewesen.
In dem Moment hörte man Romys Magen knurren. Bei der ganzen Aufregung hatte sie total vergessen heute irgendwas richtiges zu sich zu nehmen.
„Okay lass uns mal lieber schnell runter und schauen, ob es schon essen gibt" sagte Harriet und zog Romy hoch.
Kurz standen sie voreinander und in Romy kochte der schwermut hoch.
„Warte kurz Harri. Ich will mich nochmal entschuldigen für damals. Ich weiß irgendwie nicht, wie ich weiter machen soll. Soll ich so tun, als wäre das nie gewesen? Bist du mir nicht böse?"
Unsicher fuhr Romy sich durch ihre Wellen. Sie hatte zum ersten Mal wieder unbewusst Harriets alten Spitznamen genutzt, den sie bis jetzt aktiv vermieden hatte.
„Hör mal zu. Was damals war können wir nicht ändern. Du wirst deine Gründe gehabt haben. Ich bin dir nicht böse. Viel mehr bin ich erleichtert, dich wieder gefunden zu haben" strahlte Harriet Romy an.
„Und wenn du es mir irgendwann erklären magst, freu ich mich. Aber ich dränge dich nicht"
„Danke" eine einzelne Träne lief ihre Wange hinab.
Gegenseitig nahmen sich die beiden in den Arm, was so ein vertrautes und angenehmes Gefühl in beiden auslöste. Doch als wieder ihr Magen zu hören war, löste Romy sich.
„Vielleicht sollten wir wirklich schnell runter" lachte sie und zog Harri an der Hand mit sich.

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