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Epilog

Hallo, ich bin Raffael, mittlerweile 24 Jahre alt - und ich bin Künstler.

Immer noch.

Aber nicht mehr nur das.
Meine Figuren, die Wesen, die meine Hände geschaffen haben, und denen irgendeine Macht Leben eingehaucht hat, haben mich vieles gelehrt.

Es genügt mir nicht mehr, alleine in meinem Keller zu sitzen, jegliche menschliche Gesellschaft zu meiden, mich der Welt und dem wirklichen Leben zu verschließen.

Erst zögerlich, dann immer offener, habe ich mich Beziehungen geöffnet - sogar einer ganz besonderen Beziehung. Aber darüber werde ich nichts verraten, das ist meine Privatsache.

Das Museum war ein Riesenerfolg geworden, die Besucherströme rissen kaum ab. Auch die hohen Eintrittspreise schreckten niemanden ab, wussten doch alle, dass wir das Geld für soziale Einrichtungen spendeten.

Ich war berühmt geworden als der etwas verrückte Künstler, der sich strikt weigerte, auch nur eines seiner Werke zu verkaufen.

Nur hin und wieder tauchte eine Figur irgendwo bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung auf und wurde für eine wahnsinnig hohe Summe versteigert. Meine tönernen Freunde und ich hatten das ausgeheckt. Freiwillige, denen ich ein soziales Gewissen hatte vermitteln können, stellten sich dafür zur Verfügung, wurden von den Zurückgebliebenen als Helden gefeiert und tränenreich verabschiedet.

Alles war wunderbar und perfekt. Mein Atelier lag mittlerweile im Zentrum des Museums, ich gab Kurse im Töpfern, lehrte und lernte.

Vielleicht hatte ich diesen aufmüpfigen Figuren das Leben geschenkt - auf alle Fälle hatten sie mir das meine zurückgegeben, das ich jeden Tag unendlich genoss.

Den Sonnenschein wie den Regen, Vogelgezwitscher oder Ruhe, warme Luft oder stürmische Böen, blaue Augen und blonde Haare - aber das ist, wie gesagt, meine Privatangelegenheit.



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