Kapitel 4

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Damien

Mit schmalen Lidern überblicke ich das Zimmer und stoße einen schweren Seufzer aus. „Es steht mir vielleicht nicht zu, aber ich nehme das Bett am Fenster."

Sobald meine Augen ihre treffen, schweigt sie und weicht meinem Blick konstant aus. Sie hat nicht nur die falsche Flug-Klasse gebucht, sondern auch ein Zimmer mit nur zwei Betten – in meinen Augen hat sie versagt. Nichtsdestotrotz lasse ich ihr den Wunsch, sich den Platz am Fenster zu ergattern, da ich es sowieso in der Mitte des Raumes bevorzuge.

„Warum am Fenster?", will ich von ihr wissen, da es mir doch auf der Zunge kratzt.

„Damit ich dem Einbrecher nicht zuerst in den Händen falle."

Meine Augenbrauen heben sich bis zu meinem Haaransatz und ich runzle meine Nase. „Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass jemand hier einbrechen wird."

„Unwahrscheinlich ist es nicht.", erwidert sie rasch und zieht den Reisverschluss ihres Koffers auf. Ordnungsgemäß verstaue ich mein Koffer neben dem Nachtschrank, der sich neben dem Bett befindet. Ein einheitliches Muster zieht sich über die Nachttischlampe, die ein warmes Licht von sich gibt.

„Sie leiden also unter Warnvorstellungen. Muss ich Angst haben?", fahre ich fort und erhasche mir einen kurzen Blick auf die Aufsicht, die sich uns bietet. Von hier aus erblickt man den Eifelturm, den ich eilig überfliege und über die bunten Dächer sehe, um mich dann in Gedanken über diesen langweiligen Ort zu beschweren. Jedoch ist Paris ein Magnet für Touristen, die sich an dem Mythos »Paris, die Stadt der Liebe« ergötzen.

„Nein, ich leide nicht unter Warnvorstellungen. Ich bin lediglich realistisch.", rechtfertigt Camilla sich, während sich ein Wäscheberg auf ihrem Bett sammelt.

Nach Luft schnappend, tritt ich einen Schritt beiseite. „Sicher.", murmle ich und lasse sie an mir vorbeihüpfen.

„Ich beiße nicht.", sagt sie, weil auch genug Platz zwischen uns gewesen wäre, wenn ich diesen Schritt nicht getan hätte.

„Da wäre ich mir nicht sicher.", meine ich und verschränke meine Arme ineinander. „Ich bin nur realistisch.", füge ich hinzu. Nach dem ich sie nach äffe, schenkt sie mir einen missbilligten Seitenblick, den ich gekonnt ignoriere und mich meinem Koffer widme.

Fünf Minuten lang herrscht Stille, bis meine Sekretärin erneut ihren Mund öffnet. „Wollen Sie zuerst duschen?"

Kopfschüttelnd verneine ich. „Gehen Sie vor."

„Mir würde es nichts ausmachen, ich habe sowieso noch etwas an der Präsentation zu bearbeiten."

„Miss Martin."

„Ja! Ich werde zuerst duschen gehen.", unterbricht sie mich und läuft hinüber zu ihrem Wäscheberg. Ich lege meine Stirn kraus und seufze. Wie konnte man dieses Chaos nur gutheißen? Hat die dunkelhaarige keine richtige Erziehung?

Als sie ins Badezimmer schlüpft, die Tür verschließt und die Brause der Dusche anmacht, kehrt Ruhe ein. Erleichtert lasse ich mich zurückfallen und ziehe mein Telefon aus meiner Hose. Seit unserer Ankunft in Paris, bombardiert meine Familie mich mit Textnachrichten und Videoanrufen. Ich hätte denen einfach nicht erzählen sollen, dass ich auf eine Geschäftsreise gehe.

Vor allem meiner Halbschwester, die ihren Kopf in jede Angelegenheit steckt und alles, wirklich alles wissen will – bis ins kleinste Detail.

Ich schnaufe und mache ein Bild vom Eifelturm, welches ich in der Familien-Gruppe stelle und meine, dass ich gut angekommen sei. Danach schalte ich mein Handy aus und ziehe mein Koffer auf mein Bett, um anschließend mein Laptop hervorzuholen. Im selben Moment öffnet sich die Badtür und ein nasser Kopf lugt hervor. Camillas Wangen röten sich und sie blickt beschämt in meine Richtung.

Sweet lie - Liebe auf den ersten Blick?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt