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Die Klinge glänzte im Kerzenlicht.

„In dienender Ergebenheit, oh Satan, sind wir dir getreu. Als Zeichen der Demut – ach scheiße, wie ging das nochmal?"

Ich blätterte genervt in dem speckigen, schwarzen Buch. „Hier. Als Zeichen der Demut, so Herr der Hölle, nehmet unser Blut."

„Danke!", antwortete Helena und räusperte sich. „In dienender Ergebenheit-"

„Sag mal, warum machst du das eigentlich?", unterbrach ich sie.

Die Braunhaarige senkte den Dolch. „Das hab ich dir doch schon tausendmal erklärt! Ich muss eine Verbindung mit dem Höllenlord aufbauen, um das Ritual durchführen zu können."

„Und dafür ritzt du dir dein Handgelenk auf? Für diesen blöden Vollidioten?"

„Satan ist kein Vollidiot!", entgegnete Helena.

Ich rollte mit den Augen. „Nicht Satan. Ich meine diesen Dead."

„Würdest du Mayhem hören, würdest du jetzt nicht so blöd rumstehen, sondern bestimmt mitmachen. Dead würde dir am Herzen liegen, so wie mir."

„Ist ja auch egal. Also, mach weiter." Gelangweilt sank ich tiefer in die kleine, fleckige Couch.

Doch Helena dachte gar nicht daran. „Weißt du, ich glaube, ich habe schon lange genug mit Satan gequatscht. Das Ritual müsste ja eigentlich schon funktionieren."

Bei diesem Satz rutschte mir das Herz in die Hose. Sicher, eine Anleitung zu einem Ritual vorzulesen war das eine, aber eines durchzuführen, ein wirkliches, funktionierendes Ritual – davor hatte ich doch ein wenig Schiss.

„Ich kann es kaum erwarten, ihn endlich zu treffen!", schmachtete Helena derweil.

„Jaaa, das wäre echt der helle Wahnsinn," log ich und ließ mich am Parkettboden nieder.

Eigentlich hatte alles doch so normal begonnen...

Vor einem halben Jahr waren wir, zwei Metallliebhaberinnen, durch Zufall auf Mayhem gestoßen. Während mir die Musik eher auf die Nerven ging, war Helena sofort Feuer und Flamme. Binnen kürzester Zeit sog sie jede Dokumentation, jede VHS-Footage, jeden einzelnen Artikel, der auch nur im entferntesten mit Mayhem zu tun hatte, ein. Zu allem Übel entwickelte sie bald eine ungesunde Besessenheit von Dead, dem Sänger der Band, der sich nach langwierigen Depressionen einen Kopfschuss gesetzt hatte.
Außerdem hatte Helena alle Räder in Richtung Satanismus ins Laufen gebracht. Okkulte Rituale erlaubten es ja bekannterweise, mit Verstorbenen zu kommunizieren. Das wir irgendwann in einem Antiquitätenladen ein gruseliges Buch entdeckten, das ein Zeitreiseritual enthielt, machte die Situation nur noch schlimmer.
Das Ritual versprach bei richtiger Durchführung eine Zeitreise zu einem gewünschten Ort. In der Vergangenheit oder Zukunft angelangt, erledigte man sein Versprechen, und kehrte nach exakt 6 Monate, 6 Tagen und 6 Stunden wieder zurück. Schaffte man es in dieser Zeitspanne nicht, würde man ans Ende der Zeit katapultiert, eine unendliche, dunkle Leere.
Seitdem träumte Helena davon, Dead von seinem Suizid abzuhalten, und ihn ganz nebenbei zu heiraten. Totaler Schwachsinn, wenn ihr mich fragt – ein bisschen lateinisches Gesulze konnte einen ja wohl nicht dreißig Jahre in die Vergangenheit befördern. Noch dazu würde meine beste Freundin es wohl kaum schaffen, einen depressiven Wahnsinnigen in sie verliebt zu machen.

Und trotzdem saß ich jetzt hier, die Hände nervös verschränkt, meine dunkelblonde Haar zu einem zerzausten Dutt hochgesteckt.

„Zieh das hier an," befahl Helena und warf mir über das Pentagramm hinweg einen muffigen Kittel zu.

Widerwillig streifte ich ihn über. An den Armen war er etwas zu lang, sodass meine Hände unter dem schwarzen Stoff verschwanden.

Meine beste Freundin kramte aus ihrer Kitteltasche einen Ziegenschädel und platzierte ihn in der Mitte des am Boden aufgemalten Pentagramms.

„Woher hast du den bitte?", fragte ich erstaunt.

Helena zuckte mit den Schultern. „Hab ich auf Etsy gefunden. Bist du bereit?"

„Denke schon," antwortete ich.

Helena sog hörbar die Luft ein. Dann begann sie in einem eigenartigem Singsang, die erste Passage des Rituals zu verlesen:

„Tempus, definite, tempus, transit,
Sed numquam retro
Satanas, habes potestatem
Gratias agimus tibi largis sacrificiis
Nunc nos mitte
Promissio sanguinum facimus nosmetipsos
Implebitur
Nunc ad te deferimus, o satana, petitio nostra"

Wir tauschten einen kurzen Blick aus, bevor wir gemeinsam ihren Wunsch aussprachen: „Beschaffe uns genug Zeit, um Per Yngve Ohlin vor seinem Tod durch Suizid zu bewahren"

„Ita nosmetipsos ad serviendum vobis, vestris fidelibus subditis, obligamus.
cum sanguine nunc signamus foedus nostrum, oh santanas", beendete Helena und zog die Messerspitze über ihre Haut. Dunkelrotes Blut quoll daraus hervor. Sie ließ es auf den Ziegenschädel tropfen.

Wortlos reichte sie mir den Dolch. Ein kalter Schauer lief meinen Rücken hinunter.

„Für Helena. Und ihr Glück mit Dead," dachte ich.

Mit verzogenem Gesicht schnitt ich mich tiefer als nötig. Die Schmerzen waren unerträglich.

„Pro te sanguinem sumus, o Satan!," verkündeten wir.

Ich erwartete irgendwie ein spektakuläres Ende, wie einen Blitz, oder eine Flamme aus dem Boden. Natürlich passierte aber nichts.

Mit leuchtenden Augen sah Helena mich an. „Wir haben es geschafft."

„Hast du was für die Wunde? Ich blute hier fast aus," meinte ich.

„'Türlich." Hastig riss Helena ein Handtuch aus ihrem offenen Schrank.

Dankbar presste ich den Stoff auf den Schnitt.

„Jetzt müssen wir nur noch warten," seufzte meine beste Freundin. „Macht es dir was aus, wenn ich kurz duschen gehe?"

„Nein, geh ruhig." Ich lächelte. „Du willst ja wohl nicht mit fettigen Haaren bei Dead auftauchen."

Helena lachte albern und schlüpfte aus dem Kittel. „Stimmt. Aber du solltest dich vielleicht ein wenig vorbereiten, vielleicht..."

Sie konnt es einfach nicht lassen. Jedes Mal wieder meinte sie, ich würde bei diesen Idioten gut ankommen, wäre genau ihr Typ und sollte versuchen, einen von ihnen rumzukriegen. Dabei waren die Mitglieder von Mayhem so ziemlich die hässlichsten Typen, die man sich vorstellen konnte.

„Nein. Ich begleite dich dahin, aber ich hab nicht vor, mich an einen von den Trotteln ranzumachen!", schnaubte ich.

„Hellhammer ist aber schon auch hot..."

„Helena!"

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⏰ Last updated: Jun 25 ⏰

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Beyond Time and DustWhere stories live. Discover now