02. Die letzten Vorbereitungen

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Ich warf einen letzten prüfenden Blick in den kleinen Spiegel des engen Badezimmers, das ich mir mit meinem Bruder teilte. Der dunkelrote Stoff des Kleides floss wie ein blutiger Wasserfall über meinen Körper. Der Stoff war im Gegensatz zu meinen üblichen, etwas kratzigen Gewändern seidig und hinterließ nur hauchzarte Berührungen auf meiner Haut.

,,Rot ist einfach deine Farbe", kommentierte Francesco, der im Türrahmen lehnte und mich mit einem kleinen Lächeln betrachtete. Ich antwortete nicht. Stattdessen erfüllte mich ein düsteres Gefühl. Dieses Kleid war das teuerste Stück, das ich besaß, ein Erbstück meiner Mutter. Es behagte mir nicht, mich ausgerechnet in dieser Kleidung bei dem Fest ihrer Mörder einzuschleichen.

Schweigend griff ich nach dem Lippenstift neben dem Waschbecken und trug ihn mir auf. Ich beobachtete, wie sich die Lippen meines Spiegelbildes in einen dunkleres Rot verwandelten.

,,Aber etwas fehlt", brach Francesco die Stille. Fragend warf ich ihm einen Blick durch den Spiegel zu. Ich wusste, dass noch nicht alle Vorbereitungen abgeschlossen waren. Doch von diesem Vorhaben wusste der Mann nichts.

,,Du spielst eine reiche, junge Frau", Francesco zog etwas aus seiner Hosentasche. Eine dünne Goldkette, an der ein kleiner, roter Edelstein baumelte. Meine Augen weiteten sich kaum merklich. Woher hatte der Mann dieses Geld? Er war ebenso wenig wohlhabend, wie mein Bruder und ich.

,,Darf ich es dir umlegen?", kurz zögerte ich, aber dann nickte ich. Der Mann näherte sich mir. Seine kühlen Finger strichen über meinen Nacken, als er mir die Goldkette umlegte und verschloss.

,,Woher hast du die?", wollte ich wissen. Meine Neugier hatte schließlich doch gesiegt.

,,Von... einem Freund", ich hatte sein Zögern bemerkt, aber beschloss, ihn nicht darauf anzusprechen.

,,Danke", ich schenkte ihm ein kleines Lächeln. Als ich bemerkte, dass er noch immer unerträglich nahe hinter mir stand, zwängte ich mich an ihm vorbei, um etwas Abstand zwischen uns zu bringen. Ich räusperte mich.
,,Ich muss noch etwas erledigen. Treffen wir uns vor der Eingangstür?", obwohl ich meine Worte als Frage formulierte, wusste ich bereits, dass ich es nicht akzeptieren würde, wenn er verlangte mitzukommen. Doch meine Bedenken waren unbegründet. Er mir nickte mir nur kurz zu, bevor er das Zimmer verließ.

Auf Zehenspitzen schlich ich in das Zimmer meines Bruders. Es war so unordentlich wie immer. Ich hoffte in dem Chaos überhaupt den Gegenstand zu finden, nach dem ich suchte. Den Stapel alter Kleidung und Bücher auf dem Bett beachtete ich kaum. Stattdessen steuerte ich entschlossen auf den kleinen Schreibtisch vor der dem Fenster zu. Vorsichtig öffnete ich eine Schublade nach der anderen, aber fand nur einige Zettel und Stifte. Leise fluchend stieß ich die letzte Schublade heftiger zu als beabsichtigt.
Dann probierte ich es noch mit seinem Nachtkästchen. Tatsächlich in dieser Schublade lag sie. Silbern und glänzend. Auf dem ersten Blick leicht zu übersehen, aber so tödlich. Mit beinahe zitternden Händen griff ich nach der Dienstwaffe. Giacomo hatte sie tatsächlich mal wieder Zuhause vergessen. Und dann wunderte er sich noch darüber, dass ich mich um ihn sorgte. Ich ließ mich aufs Bett fallen und zog mein Kleid ein wenig hoch. Die Pistole band ich mit einem Stück Stoff um meine rechte Wade. Das kalte Metall schmiegte sich an meine Haut und ließ mich frösteln. Ich konnte das seltsame Gefühl in mir nicht einordnen. War es Furcht? Die Furcht davor, die Waffe einzusetzen...

Ich ließ das Kleid wieder über meine Beine gleiten und verdeckte damit nicht nur die Waffe, sondern auch meine Zweifel. Ich würde keinen Rückzieher mehr machen, sondern gehen. Francesco wartete sicherlich bereits auf mich.

~~

,,Und du bist dir bei diesem Vorhaben wirklich sicher?", wollte Francesco wissen, als wir kurze Zeit später eine dunkle Straße entlangschlenderten. Mein Blick suchte unablässig nach dem bekannten Gebäude, das ich in den letzten Wochen beobachtet hatte.  Es handelte sich um den Palazzo André. Ein breiter Palast, der sich eingequetscht zwischen den gewöhnlichen Häusern der Stadt erhob. 

𝑩𝒆𝒍𝒍𝒂 𝑫𝒐𝒏𝒏𝒂. Original StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt