Kapitel 10

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Wir standen in der Stille des Stalls, umgeben vom Geruch nach Heu und dem gedämpften Wiehern der Pferde. Louis' Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Resignation und einer unterdrückten Wut, die in seinen Augen flackerte. Sein linkes Auge, geschwollen und verfärbt, wirkte wie ein stummer Zeuge eines Kampfes, den er offenbar verloren hatte.

"Louis, bitte warte", rief ich atemlos, als ich ihm hinterherjoggte. Meine Stimme klang brüchig vor Sorge und Verwirrung. Was war bloß mit ihm passiert?

Er drehte sich genervt zu mir um, und ich schluckte schwer. Sein Blick traf mich wie ein Schlag, ruhig und dennoch durchdringend, und ich spürte, wie meine eigenen Gefühle von Verletzlichkeit und Hilflosigkeit überschattet wurden.

"Lass mich", sagte er bestimmt, doch ich sah, dass seine Augen etwas anderes sagten. Es lag eine zutiefst verletzliche Seite darin, als ob er kämpfte, etwas zu verbergen, das ihn innerlich zerriss. Eun stiller Hilferuf.

Ich spürte, wie sich langsam Tränen in meinen Augen sammelten. Selbst der vertraute Geruch nach Heu und die beruhigenden Geräusche der Pferde konnten mich nicht ablenken. Ein Pferd in der Nähe schnaubte unruhig, und der erdige Duft des Stalls lag schwer in der Luft, aber meine Gedanken waren nur bei Louis.

"Louis", flüsterte ich gebrochen und spürte, wie er seine Hand sanft an meine Wange legte. Sein Griff war fest, aber seine Berührung war zart und voller Bedauern. Unsere Blicke trafen sich, und ich erkannte, dass es ihm leidtat, mich so abzuweisen.

"Es tut mir leid, Lillja", sagte er leise, und seine Stimme brach fast. "Aber es ist besser, wenn du so weit wie möglich von mir wegbleibst."

Seine Worte trafen mich wie ein eiskalter Schauer. Unter seiner scheinbar ruhigen Oberfläche tobten stille Stürme, die ich nicht verstehen konnte. Ich spürte die Tiefe seines Schmerzes, der zwischen den Zeilen seiner Worte verborgen lag, und ein Gefühl der Hilflosigkeit überkam mich.

Louis

Ich stand dort, mein Herz schwer vor Selbstzweifeln und dem quälenden Verlangen, bei Lillja zu sein, sie zu trösten. Ihre Stimme hallte in meinen Ohren wider, erfüllt von Aufregung und Verzweiflung, und es zerriss mich fast, sie so zu sehen. Ihre Augen, normalerweise strahlend vor Leben und Wärme, waren jetzt von Tränen getrübt, und ich fühlte mich hilflos angesichts ihres Schmerzes.

Ich kämpfte mit mir selbst. Die Worte, die Nikola mir gestern entgegengeschleudert hatte, schnitten tief. Er hatte recht gehabt. Lillja brauchte jemanden Starken, jemanden, der für sie da sein konnte, ohne sie in ständige Sorgen zu stürzen. Aber ich war nicht dieser Jemand. Auch wenn sie genau das von mir wollte.

Ein Gefühl der Selbstanklage und der Hilflosigkeit überkam mich. Ich wusste nicht, wie ich ihr aus dem Weg gehen sollte, ohne ihr noch mehr Schmerz zuzufügen. Aber ich musste es versuchen. Irgendwie.

Der Geruch nach Heu und Pferden umgab uns wie eine vertraute Decke der Natur, aber in meinem Inneren tobte ein Sturm. Meine Entscheidung lastete schwer auf mir, während ich den Blickkontakt vermied, aus Angst davor, in ihren Augen nur Enttäuschung und das gebrochene Versprechen zu sehen, das ich nicht einhalten konnte.

Lillja

Die heiße Träne, die über meine Wange lief, war ein stummer Ausdruck der Verletzung und des Unverständnisses, das mich durchzuckte. Nächtelang hatten wir miteinander geschrieben, er hatte mir geholfen und mich unterstützt, und nun wollte er mich einfach fallenlassen? Warum?

Ein plötzliches Erkennen traf mich wie ein Schlag. Es war nicht nur der Gedanke, dass er mich mochte oder dass ich seine Hilfe schätzte. Es war mehr. Ich war verliebt in ihn.

Seine Worte durchdrangen mich wie ein Echo in der Stille des Stalls. "Du bist das schönste Mädchen, das ich je gesehen habe..." Sein Flüstern war kaum hörbar, aber seine Augen sprachen Bände.

Warum konnte ich ihn nicht verstehen? Er stieß mich weg, verursachte mir Schmerzen, und dann machte er mir Komplimente? Ernsthaft? Ich fühlte mich verwirrt und verletzt zugleich, hin- und hergerissen zwischen der Zuneigung, die ich für ihn empfand, und der Enttäuschung über seine widersprüchlichen Signale.

Das plötzliche, unerwartete Gefühl seiner Lippen auf meinen löste ein Feuerwerk in mir aus. Mein Herz raste, und das Kribbeln, das sich zuvor sanft angekündigt hatte, explodierte förmlich. Doch ich war überwältigt von der Intensität des Moments, unfähig, seinen Kuss zu erwidern. Stattdessen schloss ich einfach die Augen und ließ mich von seinen Lippen überwältigen.

Das Gefühl seiner sanften Lippen auf meinen eigenen war wie eine zarte Berührung, ohne Druck oder Eile. Als er sich vorsichtig von mir löste, spürte ich, wie mein Herz weiterhin wild in meiner Brust pochte. Ich wusste nicht, was mit mir geschah, aber der Impuls, auf die Zehenspitzen zu steigen und ihn noch einmal zu küssen, war überwältigend.

Er reagierte sofort, seinen Arm fest um meine Hüfte legend, und er erwiderte den Kuss. Das Gefühl, das in meinem Bauch aufstieg, war einfach unbeschreiblich. Meine Knie fühlten sich leicht zittrig an, aber ich genoss jede Sekunde dieses wunderschönen Moments. Seine Finger strichen sanft über meinen Hals, und das Kribbeln, das er hinterließ, entlockte mir leise Seufzer.

Louis schien den Kuss zu genießen, denn er wiederholte die liebevollen Berührungen. Doch dann, gerade als ich dachte, dieser Augenblick könnte ewig dauern, flüsterte er leise: "Es tut mir leid."

Es war wie ein plötzlicher Schlag, der die Magie des Augenblicks zerstörte. Er ging, ohne weiteren Blickkontakt, und ließ mich verwirrt und mit gebrochenem Herzen zurückstehen.

Only One KissWhere stories live. Discover now