Beobachtungen...

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Tiff 

Ich schwitze mir den Arsch weg. Und das nur weil mein Therapeut mir Hausaufgaben gibt. Okay nein, das ist nicht ganz richtig. Es nennt sich Beschäftigungstherapie. Ich selber habe mir vor Monaten diese Hausaufgabe aufgegeben. 

Nach dem Tod meines Mannes und meinen Kindern fiel ich nicht nur in ein schwarzes Loch, es war, als wäre ich mit ihnen gestorben. Mein altes Leben, wie mein Seelenklempner so schön sagt. 

Das ganze ist jetzt über ein Jahr her und die Leute schauen mich immer noch mitleidig an, ich hasse Mitleid. Wäre es eine Art Trost oder etwas anderes käme ich besser damit zurecht. Aber nein, sie bemitleiden mich. Nach der Beerdigung bin ich geradewegs in ein Krankenhaus gelaufen und habe gesagt, wenn ich keine Hilfe bekomme, springe ich vor einen Zug . 

Die Ärzte haben mich angesehen, als hätte ich nicht alle Radmuttern beisammen. Aber ich bekam Hilfe. Ich hatte weder die Kraft noch die Geduld erst einen Termin bei einem Therapeuten zu machen. Ich wusste, wenn die Gäste alle weg sind, würde ich mich umbringen. Die Angst nach den Tod durch meinen Selbstmord nicht zu meinen lieben zu kommen hat mich handeln lassen. 

Dabei bin ich nicht mal gläubig. Ich gehe weder in die Kirche noch bete ich regelmäßig. Aber dieser Gedanke hat mich ins Krankenhaus gebracht. Ich wurde sofort eingewiesen. Natürlich mit meiner Erlaubnis. 

Es waren die schlimmsten Monate meines Lebens, ich konnte kaum Worte in der Zeit bilden, die meiner Trauer Ausdruck verliehen hätten. Es ging nicht. Dr. Hendrik Brum hat mich da raus begleitet, er war geduldig und liebevoll. Die Stunden, die er meine Heulerei ertragen hat, waren beeindruckend. 

Auch heute noch gehe ich zu ihm in seine Praxis, in die Klinik muss ich nicht mehr. Der schwerste Schritt überhaupt war für mich, zu akzeptieren, dass sie tot sind. Dass mein Leben einfach weiter geht ohne sie. Das war hart, aber erst als ich es endlich zugelassen habe, war ich in der Lage weiterzumachen. Das ist jetzt Monate her, ich versuche immer noch herauszufinden, wie ich leben soll.

Nachdem ich mit den Sport angefangen hatte formte sich mein Körper, ich war vor den Tod meiner Familie übergewichtig verdammt sogar Fett. Und nun muss ich kämpfen, um nicht untergewichtig zu werden. Wie dumm ist das bitte, da ist man ein Leben lang Fett und auf einmal muss man sich daran erinnern zu essen. Also wirklich, ich könnte ständig die Augen verdrehen. 

Dabei hatte ich noch Glück. Ich brauche keine Hautstraffung wie manch anderer. Ich hatte mich vor kurzem darüber schlau gemacht, was auf mich zukommen würde, wenn ich mir die Brüste machen lasse oder meinen Bauch straffen lassen würde. Dabei sind Videos und Bilder an mir vorbeigerauscht, mir wird bei der Erinnerung schon schlecht. 

Und das vor dem Box Sack, keine tolle Kombination. Ich bin verdammt glücklich das ich das nicht brauche. Klar, durch die zwei Schwangerschaften habe ich weicheres Bindegewebe, aber durch den Sport hat sich alles schön geformt. Also nein, keine OP, meine Brüste. Naja, das werde ich vielleicht angehen. Aber auch nur vielleicht. 

Ich betrachte mich jetzt nach über einem Jahr als immer noch dasselbe mit einem anderen Leben, anders geht es nicht. Ich bin jetzt 31 Jahre alt. Verwitwet und alleine. Für mich steht fest ich bekomme keine Kinder mehr, den Schmerz ertrage ich kein zweites Mal. Wer weiß ob ich nochmal die Kraft habe, mir Hilfe zu suchen. Also ich bezweifle es. 

Zwar lebe ich jetzt wieder, aber alles unter einer dicken, schweren Decke, alles ist Tauber. Beinahe so, als würden Farben und Geräusche gedämpft sein. Gefühle sind für mich schwerer zu greifen. Dabei nehme ich nicht mehr Antidepressiva ein. Und trotzdem ist mein Körpergefühl anders. Mit den Tabletten war es auch anders. 

Dir Firma2 Conner&Tiff Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt