32. Suche

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Valentin setzte sich auf und rutschte ein Stück von mir Weg. Völlig apathisch starrte er an die Wand.

"Valentin?", fragte ich und wollte ihn umarmen.

"Fass mich nicht an.", zischte er mit einem beinahe weinerlichen und verletzten Unterton in der Stimme.

"Ich hab's nicht so gemeint.", murmelte ich zerknirscht.

"Ja, hab's kapiert.", sagte Valentin nun mit etwas mehr Wut in der Stimme und ich sah, dass seine Augen glasig wurden. "Ich empfinde auch nichts für dich."

Das wusste ich zwar, aber es zu hören tat immer wieder weh.

Danach zog er sich an. Ich tat es ihm gleich.

"Ich geh mir die Beine vertreten...", sagte Valentin. "Keine Ahnung wann ich zurückkomme."

Ich nickte nur traurig. "Kann ich zumindest einen Abschiedskuss haben?", fragte ich und sah ihn flehend an.

"Nein, diesmal nicht."

Das ist das erste Mal seit Monaten, dass er mir keinen Abschiedskuss geben wollte. Ich fühlte mein Herz zerreißen und sah ihn verletzt an.

Wieso bin ich auch so ein Idiot? Warum habe ich ihm gesagt, dass ich ihn liebe? Es hätte alles so schön sein können... aber jetzt? Ich habe alles ruiniert. Ich war unglaublich wütend auf mich selbst.

Die nächsten Tage kam Valentin nicht nach Hause. Er tauchte nicht in der Schule auf. Er antwortete nicht auf Nachrichten. Auch bei Anrufen ging er nicht dran. Auch seine Freunde hatten keine Ahnung, wo er steckte. Ich fand ihn nicht zu den üblichen Zeiten im Fitnessstudio und auch im Club war er nie anzutreffen. Ich machte mir solche schrecklichen Sorgen, ich suchte überall nach ihm, doch konnte ihn nirgends finden. Auch mit der Hilfe von Juna, Benjamin, Collin und Tobias fand ich ihn nicht. Auch Vinzent konnte mir nicht weiterhelfen. So langsam machten sich sogar seine Eltern solche Sorgen, dass sie ihn nach einer Woche schließlich als vermisst meldeten.

Ich war so verzweifelt, dass ich sogar Linus anschrieb, obwohl ich ihn hasste wie die Pest und ich mir irgendwie nicht vorstellen konnte, dass Valentin in seiner Stunde der Not ausgerechnet zu diesem Arschloch gehen würde.

Elian:
Valentin ist seit ein paar Tagen verschwunden. Weißt du, wo er ist? Ich hab wirklich alles versucht, um ihn zu finden. Aber er ist spurlos verschwunden.

Linus:
Chill mal, er ist bei mir.

Elian:
Wieso?

Linus:
Frag ihn doch selbst. Ich weiß auch nicht was du gemacht hast, dass er jetzt den ganzen Tag wie ein Baby rumheult und sich fast ins Koma sauft.

Elian:
Und das lässt du einfach zu?!

Linus:
Er ist erwachsen, er muss das selbst wissen. Wenn er sich unbedingt besaufen will soll er das tun, da hab ich mich nicht einzumischen.

Elian:
Wo wohnst du?

Linus:
Als ob ich dir das sagen würde. Valentin will dich nicht sehen. Wage es nicht, hier herzukommen. Sonst prügel ich dich grün und blau.

Frustriert und wütend schrieb ich Tobias an.

Elian:
Ich habe herausgefunden, dass Valentin bei Linus ist. Aber Linus hat mir gedroht, mich zu verhauen, wenn ich da hingehe. Außerdem kenne ich seine Adresse nicht.

Tobias:
Er wohnt Am Elsterpfad 11. Wenn du willst begleite ich dich. Der wird dir nichts tun, dafür sorge ich.

Also gingen Tobias und ich zu Linus und klingelten.

Linus wollte die Tür sofort wieder zuschlagen als er uns sah, aber Tobias schob schnell seinen Fuß dazwischen und knurrte: "Wo. Ist. Valentin?"

"Kann euch egal sein, er will euch nicht sehen. Vor allem nicht dich.", sagte Linus und deutete auf mich.

"Dann lass zumindest Tobias rein, dass er mit ihm sprechen kann.", flehte ich verzweifelt. "Ich tu alles, was du willst. Ich will nur wissen, ob es Valentin gut geht."

"Wirklich alles?", grinste Linus und wurde hellhörig. "Selbst wenn ich von dir verlangen würde, vor Valentins Augen wild mit mir rumzuknutschen?"

Ich schluckte hart. "J-Ja, wenn... wenn ich ihn dafür dann sehen kann..."

"Nein.", knurrte Tobias wütend. "Lass dich von dem Mistkerl nicht erpressen. Wir werden auch zu Valentin kommen ohne, dass du den Wichser küssen musst."

Dann riss er die Tür fast aus den Angeln als er sie eintrat, um zu Linus ins Haus zu kommen. Den traf die Tür voll ins Gesicht und er fluchte: "Scheiße Mann, ich zeig dich an. Das ist Körperverletzung."

Doch wir hielten uns nicht an Linus auf sondern Tobias packte mich und rannte mit mir in das Zimmer, indem er Valentin vermutete. Damit Linus uns nicht stören konnte drehte er kurzerhand den Schlüssel herum, der auf dem Schloss steckte, und schloss die Tür ab.

Da lag Valentin auf einer Schlafcouch. Die Augen gerötet und verquollen, mit starken Augenringen. Um sich herum jede Menge leere Bierdosen und andere leere Flaschen, in denen sich zuvor mal alkoholische Getränke befanden. Er sah aus als hätte er seit er weggegangen ist kein einziges Mal geschlafen und die ganze Zeit durchgeweint.

"Lasst mich in Ruhe.", lallte Valentin und sah uns verletzt an.

"Ich habe mir solche Sorgen gemacht!", sagte ich und ging zu ihm hin. "Und wie es aussieht zurecht. Du siehst garnicht gut aus."

"Ja und?", murmelte er. "Ist doch meine Sache..."

"Nein. Du bist mein bester Freund. Also ist es auch meine Sache. Ich mache mir doch nur Sorgen."

"Wir sind keine Freunde mehr.", lachte Valentin verbittert.

"Was?", fragte ich entgeistert.

"Ja, wir sind keine Freunde mehr und werden auch nie mehr welche sein!", fauchte er nun wütend.

"Aber wieso nicht...?"

"Weil dir ein Scheißdreck an mir liegt! Du hast mich doch bloß benutzt, um Sex mit dir zu haben!", schrie er wütend und murmelte dann mit gebrochener Stimme: "Aber ich kann das nicht mehr... ich kann das alles nicht mehr..."

Ich habe keine Ahnung, was mehr wehtat. Seine Worte und seine Vorwürfe, ihn bloß für Sex benutzt zu haben und dass er mich scheinbar nicht mehr in seinem Leben haben wollte oder sein herzzerreißender Anblick.

Ich setzte mich zu ihm, half ihm, sich aufzusetzen und umarmte ihn vorsichtig. Er schluchzte und krallte sich an mir fest. "Valentin, es tut mir leid, was passiert ist... ich hätte es einfach nicht sagen sollen... es tut mir so leid..."

Gefühls-Chaos (boyxboy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt