Italien, Rom, das Jahr 200 v. Chr.
-Der Wanderer-
Der Wanderer trat aus dem Schatten. Von den allerletzten, feuerroten Strahlen der Abendsonne beschienen, glänzte sein enganliegender Umhang nun schwarz-violett. Geschwind und ohne auch nur den leisesten Laut von sich zu geben, lief er zunächst um die nächstbeste Hausecke. Trotz der Finsternis hatte der Wanderer keine Probleme, sich zu orientieren. Die Dunkelheit war sein Element. Nicht ohne zuerst fieberhaft zurückzublicken inspizierte er die Wände der zwei Häuser, die sich direkt links und rechts neben ihm befanden. Die Fassaden selbst bestanden aus Lehm, doch der Wanderer schien sich gut auszukennen und war sich sogleich im Klaren, dass es sich hier um ein neues Fachwerkhaus handeln musste. Bedacht darauf, nicht gesehen zu werden, pirschte er sich leise und geschmeidig wie ein Jaguar vor bis zu dem Punkt, an dem sich die schmalen Gässchen kreuzten. Noch immer verhüllte die tiefschwarze Kapuze sein Antlitz. Wenn er gesehen würde, bedeutete dies eine Menge Tumult. Dennoch war ihm nicht der Funken Nervosität anzumerken. Das Feuer der Panik schien ihm nicht bekannt zu sein. Er bewegte sich mit einer Ruhe und Präzision, die an eine Raubkatze erinnerten. Umhüllt von den schützenden Schatten bewegte er sich jetzt immer weiter ins Stadtinnere, während die Straßen immer breiter und weitläufiger wurden. Mit seinem Ziel vor Augen begab er sich zum Ort seines Verlangens: Das gigantische Gebäude glomm blutrot und verbreitete eine verheißungsvolle Stimmung, über der Stadt thronend wie ein König über sein Reich: Das Kolosseum. Denn hier würde er wortwörtlich den Lauf der Zeit andern.
Bis er das Kolosseum erreicht hatte, war es Nacht geworden. Schwer und anklagend schien sie über der Stadt zu liegen, was dem Wanderer recht unangenehm war, obwohl ihm das tiefste Schwarz der Finsternis normalerweise willkommen war. Immer wieder kamen jedoch Schuldgefühle in ihm hoch, aber er schob sie entschlossen bei Seite. Er würde tun, was er tun musste. Der Wanderer machte einen großen Bogen um die Menschenmenge, die sich schon vor dem pompösen Bauwerk gesammelt hatte. Er wusste, weshalb sie sich dort versammelten. Weshalb sie dort ausharrten. Und warteten. Denn Heute war eine außerordentlich besondere Nacht. Die Nacht der Krönung. Und er war hier, um seinen Auftrag auszuführen. Weil es klar war, wer hier sein würde. Der Wanderer umrundete die gigantische Baut umhüllt vom Mantel der Nacht. Im dunkelblauen Wasser der Finsternis abtauchend, wurde er wieder zum Spion. Doch in nur wenigen Stunden wäre er mehr als das. Jetzt hatte er eine unbewachte Stelle am Gestein des Gebäudes gefunden. Wie ein geölter Blitz kletterte er nun das raue Felsgestein empor. In einer Höhe von 25 oder 30 Metern hatte er das oberste der fünfzehn Stockwerke erreicht, die jeweils aus mehreren, in einer Reihe angeordneten Bögen bestanden. Unauffällig und unerkannt legte er sich auf der Oberfläche der Krümmung und wartete. Verharrte. Wie ein Adler, der auf Beute hoffte. Und beobachtete.
Denn noch war er der Spion.
Er bemerkte jedoch nicht, was sich hinter ihm aus dem Schatten schälte.
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Time Mys(t)ery- Wanderer der Zeit
FantasyEin Ort, unterschiedliche Epochen...200 v.Chr....1247....1930...1963... 2062.... Ein Wanderer der Welten, gefangen in Rom in verschiedenen Zeitfenstern gleichzeitig... Er ist stark und schnell, doch gleichzeitig auch verletzlich. Auf den Spuren sein...