Kapitel 2

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Hallo ihr Lieben, hier Teil 2 von "Things we buried alive".
Damit ist die Short Story abgeschlossen.
Zwei kleine Hinweise:
Erstens: Ich habe bewusst in der ganzen Geschichte eine sehr ruhige, unaufgeregte Erzählstrategie/weise gewählt, weil der Erzähler irgendwie auf die Geschichte drauf schaut, wenn ihr versteht, was ich meine, und gerade durch die Ruhe noch greifbarer wird, wie tief hier Probleme verschüttet wurden, damit nach außen hin möglichst niemandem etwas auffällt.
Zweitens: Da ich das Gefühl hatte, dass diese ruhige Art der Erzählung durch die Satzzeichen der wörtlichen Rede irgendwie gestört werden, es in diesem Kapitel aber zu wörtlicher Rede kommen wird, habe ich die Redezeichen weggelassen. Im ersten Moment vielleicht irritierend, aber ich glaube, man gewöhnt sich schnell daran und es wird auch nicht viel wörtliche Rede geben. Ich liebe die künstlerische Freiheit da einfach sehr.
Eure Jenny

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Er war erschöpft und eigentlich viel zu müde, um hier zu sein, er war auch später dran als sonst, weil er sogar an seinem freien Tag für zwei Stunden das Ministerium besucht hatte, um ein paar Akten durchzuarbeiten.
Aber nun war er hier.
Percy kam regelmäßig hierher, eigentlich an jedem seiner freien Tage. Fast war es zwanghaft. Er musste kommen und schweigend den Namen anstarren, der in einer langen Liste mit so vielen anderen stand. Mittlerweile hatte er sie so häufig gelesen, dass er die Reihenfolge beinahe auswendig kannte.
Und immer wieder blieb sein Blick an diesem einen Namen hängen: Fred Weasley.
Heute war es anders, denn bei der Gedenktafel saß bereits jemand, und als wäre das nicht störend genug, war es auch noch eine Person, die Percy nicht leiden konnte.
Allerdings hatte er Gregory Goyle erst auf den zweiten Blick erkannt.
Er hatte sich ziemlich stark verändert.
Percy wäre am liebsten wieder umgedreht, aber er blieb, und er ging auch näher an die Gedenktafel heran.
Goyle blickte auf, sah ihn an, und deutlich nahm Percy Erkennen in seinem Blick wahr.
Er wirkte wie ein Schatten seiner selbst, fand Percy.
Beinahe peinlich berührt wandte er den Blick ab, ließ ihn statt dessen über die Gedenktafel huschen, musste aber wieder zu Goyle schauen.
Dieser bemerkte den Blick, starrte zurück, irgendwie nachdenklich und abwartend.
Percy überbrückte die wenigen Meter mit ein paar raschen Schritten.
Willst du dich auch setzen?, fragte Goyle zu seiner Überraschung sofort.
Percy nickte und Goyle rückte ein Stück.
Schweigend saßen sie beieinander.
Percy dachte still bei sich, dass er den jungen Mann neben sich eigentlich anschreien sollte, war er doch einer derjenigen, die im Krieg auf der anderen Seite gestanden hatte und er war somit mit Schuld an Freds Tod.
Aber Goyle wirkte so ruhig und bekümmert, dass Percy der Gedanke, laut zu werden, vollkommen fremd vorkam.
Wie fühlt es sich an, einen Bruder zu verlieren?, fragte Goyle in die Stille hinein.
Die Frage traf Percy unvermittelt, und er wandte den Kopf, um den anderen anzusehen.
In seinem Gesicht suchte er nach Anzeichen von Hohn oder Spott oder vielleicht sogar Schadenfreude, aber da war nur ernsthaftes Interesse und eine seltsame Traurigkeit.
Percy sah wieder zur Gedenktafel.
Merkwürdig, dachte er, wieso hatte ihm bisher eigentlich niemand diese Frage gestellt? Und wieso tat es nun ausgerechnet Gregory Goyle?
Instinktiv wollte er antworten, aber dann schaltete sich sein Verstand ein. Sollte er tatsächlich mit jemandem wie Goyle über so etwas reden?
Es ist, als habe etwas dein Herz zertrümmert, kam ihm die Antwort ohne sein Zutun über die Lippen. Und alle sagen dir, die Trümmer werden sich mit der Zeit schon wieder zusammensetzen, und das stimmt sogar. Aber die kleinsten Bruchstücke kannst du nicht wiederfinden, also bleiben sie als ständig pieksende Teilchen in deiner Brust zurück, während dein Herz für immer unvollständig ist.
Am liebsten hätte Percy die Worte dahin zurück gestopft, woher sie gekommen waren.
Goyle würde die Worte nicht verstehen, und sicherlich würde er sich gleich darüber lustig machen.
Aber zu Percys Überraschung nickte Goyle nach einem kurzen Augenblick andächtig.
Ja, sagte er.
Was immer dieses Ja auch bedeuten sollte, so ganz verstand Percy es nicht.
Goyle hatte doch keinen Bruder gehabt, oder?
Er traute sich nicht, nachzufragen.
Stattdessen saß er noch eine Weile schweigend da, während er spürte, wie seine eigenen Worte in ihm arbeiteten.
Schließlich stand er wieder auf und nickte Goyle zum Abschied zu.
Heute war alles anders als sonst. Percy wäre an einem anderen Tag jetzt sofort nach Hause appariert, um ein paar Akten für den nächsten Arbeitstag vorzubereiten, aber heute... heute hatte er das Bedürfnis, einen Augenblick durch die angrenzende Parkanlage zu schlendern. Ja, er wollte sich eine kleine Auszeit gönnen.

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