1. Jess

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Habt ihr schon mal von Liebe auf den ersten Blick gehört? Und glaubt ihr daran? Ich habe daran geglaubt und gehofft, auch ich erfahre diese Art von Liebe. Doch glaubt mir, Liebe ist etwas heimtückisches und unbesiegbares. Sie schleicht sich in dich hinein und umhüllt dich. Sie verändert deine gesamte Lebenseinstellung und bringt dich dazu Sachen zu machen an die du niemals gedacht hast. Außerdem entscheidet die Liebe, von wem du  angezogen wirst, nicht du selbst.
Woher ich das alles weiss? Ich bin Jessica Thompson, sechzehn Jahre alt und lebe in einem armen Dorf namens Oakvillage. Ich habe es selbst erfahren. Wie, das erfahrt ihr jetzt...

Nein, nein nein nein! Wie konnte meine Mutter von mir so etwas verlangen! Ich konnte nicht die Schule wechseln. Hier waren meine Freunde und Menschen die genau wussten wie es war arm zu sein. Wenn ich die Schule wechsle, ist sie ausserdem noch mehr alleine. Sie kann sich ja kaum auf den Beinen halten. Von dieser Dorfschule sind es ja nur fünf Minuten und der Unterricht nicht so lange. Dort musste ich länger bleiben.Nähmlich durchgängig. "Mom, ich muss doch arbeiten und das kann ich nicht mehr, wenn ich auf eine andere Schule wechsle!", drängte ich. Wie sollten sie und Sophie dann das Essen bezahlen? Sophie sollte nicht klauen wie ich damals. "Jess, hör mir mal ganz gut zu: dein Leben soll nicht so schwer sein. Geh auf eine normale Schule und übe dann einen guten Job aus. Ich habe mir schon den zweiten Job gesucht, Sophie und ich werden hier gut auskommen." Meine Mutter umarmte mich und flüsterte mir ins Ohr. "Lebe, Jess. Ich liebe dich."

Hinter mir schloss ich die Tür und zog mir meine Jacke fester um mich. Es war frisch und ich zitterte ein wenig. Während ich die Straße entlanglief sah ich ein paar Gruppen in Gassen rauchen, Kinder mit kaputten Spielsachen spielen, und Obdachlose um Geld betteln. Ich sehe diese Bilder jeden Tag und bin jedes mal dankbar, ein Dach über dem Kopf und einen Job zu haben. Nach paar Minuten Fußmarsch betrat ich das kleine Abendcafé spike. Der vertraute Geruch von Kaffee und Sandwiches stieg mir in die Nase. "Ah Jess, pünktlich wie immer.", Mein Chef André kam auf mich zu und hielt mir meine Schürze hin, "Heute ist  viel los, da können wir jede Hilfe gebrauchen." Er ging zurück in die Küche und ich folgte ihm die Schürze anziehend. Den gesamten Abend bediente ich die Tische, war an der Theke, putzte hier und da. Also wie jeden Tag. Gerade als ich an der Theke Kaffee austeilte  kam Chris, mein Sandkastenfreund seit Ewigkeiten, und setzte sich dazu. "Ein Cappuccino, aber stark." Er zog seine Jacke aus und stützte sich an der Theke ab. "War der Tag wieder hart?", der arme, er arbeitete jeden Tag im Feld und ackerte für so wenig Geld, "hat Mr Henderson dich wieder überladen an Arbeit?" Ich lief zur Kaffeemaschine und stellte alles für den Cappuccino ein. "Jap, und der Lohn diese Woche wird kürzer ausfallen, wenn es weiterhin so kalt bleibt. Die Ernte sieht dieses Jahr ausserdem schlecht aus." Verzweifelt legte er seine Hände an sein Gesicht."Ich meine ich kann mir keinen dritten Job suchen!" Chris hat wie ich das Glück eine kleine Wohnung zu haben, doch die meisten  leben dann unter schwerer Arbeit. Er hat noch zwei Brüder und seine Eltern sind vor sechs Jahren gestorben. Und da er der älteste ist, muss er sich um alles kümmern. Der Cappuccino ist fertig und ich bringe ihn zu Chris."Einen dritten Job? Du hast jetzt schon kaum Zeit um überhaupt mit deiner Familie zu sein. Und überhaupt, wann hast du das letzte mal richtig geschlafen?" Er stöhnte."Ich weiss nicht...vor paar Wochen glaube ich wo es gestürmt hat." Er fing an zu trinken und ich setzte mich ihm gegenüber. "Ich- Ich muss dir was erzählen.." Er schaute mich an und ich musste schlucken. Wie sollte ich ihm erklären, dass ich auf eine andere Schule wechsle und somit kaum hier bin? Ich habe eben recherchiert und festgestellt, dass es ein Internat ist. Ein Internat! "Es ist nähmlich so: Mom meinte ich solle eine bessere Zukunft haben und will mich auf ein Internat schicken", Chris verschluckte sich und schaute mich entgeistert an, "Ich versuchte ihr zu erklären, dass es überhaupt nicht mit dem Geld klappen wird, aber sie sagt, sie habe sich schon nach einem zweiten Job erkundigt." Ich seufzte frustriert auf. Wie soll das klappen?  Chris hatte nun zu Ende getrunken und räusperte sich. "Also...werde ich dich dann nie wieder sehen?" Ich hatte Tränen in den Augen. "Doch aber selten." Ich würde ihn so vermissen. Er war wie mein Bruder und Tagebuch zugleich. Er war immer bei mir und half wenn ich Hilfe brauchte. "Er nahm meine Hand. "Ich werde dich vermissen J."

Als ich aufstand, war mein Gesicht vom Weinen angeschwollen. Gestern hatten Chris und ich nach meiner Schicht noch einen langen Spaziergang, wo ich fast nur geweint hatte. Ok, untertreibung. Ich hatte die ganze Zeit geweint. Nicht, dass ihr jetzt denkt, ich empfände Gefühle für Chris. Er war mein bester Freund aus Kindertagen. So was bringt einen doch zum weinen.
Ich stand auf und ging ins Bad. Wie jedes Zimmer in diesem Haus war es sehr klein und hatte kleine Fenster. Eigentlich hatten wir nur die nötigsten Möbel wie Schrank Tisch und Bett. Und für Dekoration hatten wir einfach zu wenig Geld. Um es ein bisschen auszugleichen, hängten wir viele Bilder auf und viele Kunstprojekte von Sophie und mir standen auf den Regalen.
Schnell putzte ich mir die Zähne und wusch mir das Gesicht bevor ich ins Wohnzimmer ging. Wie alle anderen Räume war es sehr klein und ausserdem direkt an der Küche. Als ich es betrat, begrüßte ich Mom und Sophie und setzte mich zu ihnen an den Tisch. Nach kurzer Zeit des Schweigens räusperte ich mich. "Ah Mom... Wie soll ich mich für die Schule anmelden?", Sie rutschte unruhig auf ihre Stuhl, "Gibt es ein Problem Mom?" Sie lachte nervös. "Jessi,  alles ist schon geklärt. Weisst du ich habe eine Freundin dort, die da arbeitet, deswegen war es so leicht dich da hinzuschicken, doch...Naja heute müssen wir dahin fahren."
In dem Moment dachte ich nur an ein Wort. Was?!

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